Was ist die Bindungswirkung bei gemeinschaftlichen Testamenten?
Die Bindungswirkung bei gemeinschaftlichen Testamenten bedeutet, dass bestimmte Verfügungen, wie die gegenseitige Erbeinsetzung oder die Bestimmung von Schlusserb:innen, nach dem Tod eines:einer Partners:Partnerin nicht mehr geändert werden können. Dies bietet Sicherheit, kann aber den:die überlebende:n Partner:in in seiner:ihrer Testierfreiheit stark einschränken. Um spätere Konflikte zu vermeiden, sollten Paare die Bindungswirkung bewusst gestalten und sich fachkundig beraten lassen.
- Was ist ein gemeinschaftliches Testament?
- Was bedeutet Bindungswirkung?
- Wann entsteht die Bindungswirkung?
- Welche Folgen hat die Bindungswirkung?
- Vor- und Nachteile der Bindungswirkung
- Wie kann man sich von einem gemeinschaftlichen Testament lösen?
- Wie können Sie Ihre Handlungsfähigkeit bewahren?
- Typische Fehlerquellen und Konfliktsituationen
- Fazit
Wenn Ehepartner oder eingetragene Lebenspartner:innen ein gemeinschaftliches Testament errichten, binden sie sich oft stärker aneinander, als ihnen bewusst ist. Diese sogenannte Bindungswirkung kann später zu unerwarteten Einschränkungen führen. Der folgende Artikel erklärt, was genau die Bindungswirkung bedeutet, wann sie entsteht und welche Möglichkeiten es gibt, sich davon zu lösen.
Was ist ein gemeinschaftliches Testament?
Ein gemeinschaftliches Testament ist eine besondere Testamentform, die nur Ehepaaren und eingetragenen Lebenspartner:innen offensteht. Anders als andere Personen können sie ihren letzten Willen in einem gemeinsamen Dokument festhalten, anstatt separate Testamente zu errichten[3].
Die bekannteste Form ist das “Berliner Testament”, bei dem sich die Partner:innen gegenseitig als Alleinerben einsetzen und bestimmen, dass nach dem Tod des:der Längerlebenden die gemeinsamen Kinder das Vermögen erben sollen[3][8].
Was bedeutet Bindungswirkung?
Die Bindungswirkung bedeutet, dass sich ein:e Partner:in von bestimmten gemeinschaftlich getroffenen Regelungen nicht mehr einseitig lösen kann, ohne dass er:sie dem:der anderen gegenüber wirksam widerruft[2]. Nach dem Tod eines:einer Partners:Partnerin ist ein Widerruf in der Regel gar nicht mehr möglich[2].
Wichtig zu wissen: Nicht jede Verfügung in einem gemeinschaftlichen Testament entfaltet automatisch Bindungswirkung[1]. Sie müssen daher genau unterscheiden, welche Ihrer Festlegungen später bindend sind und welche nicht.
Wann entsteht die Bindungswirkung?
Die Bindungswirkung entsteht bei wechselbezüglichen Verfügungen[1][5][7]. Eine Verfügung ist wechselbezüglich, wenn davon auszugehen ist, dass ein:e Partner:in diese Regelung nicht ohne die entsprechende Verfügung des:der anderen getroffen hätte[7]. Diese Verfügungen hängen voneinander ab und sollen “miteinander stehen und fallen”[1].
Typischerweise wird Wechselbezüglichkeit angenommen, wenn:
- sich Ehepartner:innen gegenseitig als Erb:innen einsetzen
- gemeinsame Kinder als Schlusserb:innen nach dem Tod des:der länger lebenden Partners:Partnerin bestimmt werden[1]
Die Bindungswirkung kann nur bei folgenden Verfügungen entstehen:
- Erbeinsetzungen
- Vermächtnissen
- Auflagen
- Wahl des anzuwendenden Erbrechts[2]
Welche Folgen hat die Bindungswirkung?
Die Bindungswirkung hat weitreichende Auswirkungen:
-
Zu Lebzeiten beider Partner:innen:
Ein einseitiger Widerruf ist nur unter strengen formalen Voraussetzungen möglich[1]. -
Nach dem Tod eines:einer Partners:Partnerin:
Der:Die Überlebende kann von den wechselbezüglichen Verfügungen nicht mehr abweichen[8]. Ein später errichtetes Testament ist unwirksam, soweit es den Regelungen im gemeinschaftlichen Testament widerspricht[8].
Ein Beispiel: Ein Ehepaar hat im gemeinschaftlichen Testament festgelegt, dass nach dem Tod beider Ehepartner:innen die gemeinsamen Kinder zu gleichen Teilen erben sollen. Nach dem Tod des Ehemannes lernt die Witwe einen neuen Partner kennen und möchte ihr Testament ändern, um auch ihm etwas zu vererben. Aufgrund der Bindungswirkung ist dies jedoch nicht mehr möglich.
Vor- und Nachteile der Bindungswirkung
Vorteile:
- Sicherheit für den:die zuerst Versterbende:n, dass der:die Überlebende die gemeinsam getroffenen Regelungen einhält[2]
- Schutz der gemeinsamen Planung für die Nachfolgegeneration
Nachteile:
- Der:Die überlebende Partner:in kann nicht mehr frei über sein:ihr Vermögen verfügen
- Keine Anpassung an veränderte Lebensumstände möglich (z.B. neue Beziehung, Zerwürfnisse mit Kindern)[2]
- Einschränkung der Testierfreiheit des:der Überlebenden[8]
Wie kann man sich von einem gemeinschaftlichen Testament lösen?
Je nach Lebenssituation gibt es unterschiedliche Möglichkeiten:
Zu Lebzeiten beider Partner:innen:
-
Gemeinsame Lösung:
- Errichtung eines neuen gemeinschaftlichen Testaments
- Errichtung eines Erbvertrags
- Gemeinsame Rücknahme, Änderung oder Vernichtung des Testaments[1]
-
Einseitige Lösung:
- Formgerechter Widerruf gegenüber dem:der anderen Partner:in
- Dieser Widerruf muss notariell beurkundet werden[1][2]
Nach dem Tod eines:einer Partners:Partnerin:
Die Möglichkeiten sind nun stark eingeschränkt:
Wie können Sie Ihre Handlungsfähigkeit bewahren?
Wenn Sie ein gemeinschaftliches Testament errichten, aber die Bindungswirkung einschränken möchten, haben Sie folgende Möglichkeiten:
-
Abänderungsvorbehalt einfügen:
Nehmen Sie eine Klausel auf, die dem:der überlebenden Partner:in ausdrücklich das Recht einräumt, bestimmte Regelungen zu ändern[3]. -
Nur bestimmte Verfügungen als wechselbezüglich festlegen:
Definieren Sie klar, welche Regelungen wechselbezüglich sein sollen und welche nicht. -
Einzeltestamente statt gemeinschaftlichem Testament:
Erwägen Sie zwei getrennte Testamente, die inhaltlich abgestimmt sind, aber keine rechtliche Bindungswirkung entfalten. -
Notarielle Beratung in Anspruch nehmen:
Lassen Sie sich von einer Fachperson beraten, um die für Ihre individuelle Situation beste Lösung zu finden.
Typische Fehlerquellen und Konfliktsituationen
In der Praxis kommt es häufig zu Streitigkeiten aufgrund der Bindungswirkung:
-
Unkenntnis der Bindungswirkung: Vielen Ehepartner:innen ist nicht bewusst, dass sie sich mit einem gemeinschaftlichen Testament langfristig binden[1].
-
Neue Testamente nach dem Tod eines:einer Partners:Partnerin: Der:Die überlebende Partner:in erstellt ein neues Testament, das jedoch aufgrund der Bindungswirkung unwirksam ist[8].
-
Veränderungen in der Familienstruktur: Nach dem Tod eines:einer Partners:Partnerin gründet der:die Überlebende eine neue Familie oder es kommt zum Zerwürfnis mit den ursprünglich als Erb:innen eingesetzten Kindern[2].
Fazit
Ein gemeinschaftliches Testament bietet vielen Paaren Sicherheit und ermöglicht eine gemeinsame Nachlassplanung. Die damit verbundene Bindungswirkung kann jedoch zu erheblichen Einschränkungen führen, besonders für den:die überlebende:n Partner:in.
Bevor Sie ein gemeinschaftliches Testament errichten, sollten Sie sich der Bindungswirkung bewusst sein und überlegen, ob und in welchem Umfang Sie sich binden möchten. Eine fachkundige Beratung ist dabei sehr hilfreich, um späteren Streit und Enttäuschungen zu vermeiden.
Denken Sie daran: Ein Testament sollte nicht nur Ihre aktuelle Situation berücksichtigen, sondern auch flexibel genug sein, um auf veränderte Lebensumstände reagieren zu können.