Was ist die Bindungswirkung bei gemeinschaftlichen Testamenten?

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Zusammenfassung

Die Bindungs­wirkung bei gemein­schaftlichen Testamenten bedeutet, dass bestimmte Verfügungen, wie die gegenseitige Erbeinsetzung oder die Bestimmung von Schluss­erb:innen, nach dem Tod eines:einer Partners:Partnerin nicht mehr geändert werden können. Dies bietet Sicherheit, kann aber den:die überlebende:n Partner:in in seiner:ihrer Testier­freiheit stark einschränken. Um spätere Konflikte zu vermeiden, sollten Paare die Bindungs­wirkung bewusst gestalten und sich fachkundig beraten lassen.

Wenn Ehe­partner oder einge­tragene Lebens­partner:innen ein gemein­schaftliches Testament errichten, binden sie sich oft stärker anein­ander, als ihnen bewusst ist. Diese sogenannte Bindungs­wirkung kann später zu unerwarteten Einschränkungen führen. Der folgende Artikel erklärt, was genau die Bindungs­wirkung bedeutet, wann sie entsteht und welche Möglich­keiten es gibt, sich davon zu lösen.

Was ist ein gemein­schaftliches Testament?

Ein gemein­schaftliches Testament ist eine besondere Testament­form, die nur Ehe­paaren und einge­tragenen Lebens­partner:innen offen­steht. Anders als andere Personen können sie ihren letzten Willen in einem gemeinsamen Dokument festhalten, anstatt separate Testamente zu errichten[3].

Die bekannteste Form ist das “Berliner Testament”, bei dem sich die Partner:innen gegen­seitig als Allein­erben einsetzen und bestimmen, dass nach dem Tod des:der Länger­lebenden die gemeinsamen Kinder das Vermögen erben sollen[3][8].

Was bedeutet Bindungs­wirkung?

Die Bindungs­wirkung bedeutet, dass sich ein:e Partner:in von bestimmten gemein­schaftlich getroffenen Regelungen nicht mehr einseitig lösen kann, ohne dass er:sie dem:der anderen gegenüber wirksam widerruft[2]. Nach dem Tod eines:einer Partners:Partnerin ist ein Widerruf in der Regel gar nicht mehr möglich[2].

Wichtig zu wissen: Nicht jede Verfügung in einem gemein­schaftlichen Testament entfaltet auto­matisch Bindungs­wirkung[1]. Sie müssen daher genau unter­scheiden, welche Ihrer Fest­legungen später bindend sind und welche nicht.

Wann entsteht die Bindungs­wirkung?

Die Bindungs­wirkung entsteht bei wechsel­bezüglichen Verfügungen[1][5][7]. Eine Verfügung ist wechsel­bezüglich, wenn davon auszugehen ist, dass ein:e Partner:in diese Regelung nicht ohne die entsprechende Verfügung des:der anderen getroffen hätte[7]. Diese Verfügungen hängen voneinander ab und sollen “miteinander stehen und fallen”[1].

Typischer­weise wird Wechsel­bezüglichkeit angenommen, wenn:

  • sich Ehe­partner:innen gegen­seitig als Erb:innen einsetzen
  • gemeinsame Kinder als Schluss­erb:innen nach dem Tod des:der länger lebenden Partners:Partnerin bestimmt werden[1]

Die Bindungs­wirkung kann nur bei folgenden Verfügungen entstehen:

Welche Folgen hat die Bindungs­wirkung?

Die Bindungs­wirkung hat weitreichende Auswirkungen:

  1. Zu Lebzeiten beider Partner:innen:
    Ein einseitiger Widerruf ist nur unter strengen formalen Voraus­setzungen möglich[1].

  2. Nach dem Tod eines:einer Partners:Partnerin:
    Der:Die Über­lebende kann von den wechsel­bezüglichen Verfügungen nicht mehr abweichen[8]. Ein später errichtetes Testament ist unwirksam, soweit es den Regelungen im gemein­schaftlichen Testament wider­spricht[8].

Ein Beispiel: Ein Ehepaar hat im gemein­schaftlichen Testament festgelegt, dass nach dem Tod beider Ehe­partner:innen die gemeinsamen Kinder zu gleichen Teilen erben sollen. Nach dem Tod des Ehemannes lernt die Witwe einen neuen Partner kennen und möchte ihr Testament ändern, um auch ihm etwas zu vererben. Aufgrund der Bindungs­wirkung ist dies jedoch nicht mehr möglich.

Vor- und Nachteile der Bindungs­wirkung

Vorteile:

  • Sicherheit für den:die zuerst Versterbende:n, dass der:die Überlebende die gemeinsam getroffenen Regelungen einhält[2]
  • Schutz der gemeinsamen Planung für die Nach­folge­generation

Nachteile:

  • Der:Die überlebende Partner:in kann nicht mehr frei über sein:ihr Vermögen verfügen
  • Keine Anpassung an veränderte Lebens­umstände möglich (z.B. neue Beziehung, Zerwürfnisse mit Kindern)[2]
  • Einschränkung der Testier­freiheit des:der Überlebenden[8]

Wie kann man sich von einem gemein­schaftlichen Testament lösen?

Je nach Lebens­situation gibt es unterschiedliche Möglich­keiten:

Zu Lebzeiten beider Partner:innen:

  1. Gemeinsame Lösung:

    • Errichtung eines neuen gemein­schaftlichen Testaments
    • Errichtung eines Erb­vertrags
    • Gemeinsame Rücknahme, Änderung oder Vernichtung des Testaments[1]
  2. Einseitige Lösung:

Nach dem Tod eines:einer Partners:Partnerin:

Die Möglich­keiten sind nun stark eingeschränkt:

  • Ausschlagung des Erbes (bedeutet jedoch Verzicht auf das gesamte Erbe)[1][2]
  • Anfechtung des Testaments unter bestimmten Voraus­setzungen[1][2]

Wie können Sie Ihre Handlungs­fähigkeit bewahren?

Wenn Sie ein gemein­schaftliches Testament errichten, aber die Bindungs­wirkung einschränken möchten, haben Sie folgende Möglich­keiten:

  1. Abänderungs­vorbehalt einfügen:
    Nehmen Sie eine Klausel auf, die dem:der überlebenden Partner:in ausdrücklich das Recht einräumt, bestimmte Regelungen zu ändern[3].

  2. Nur bestimmte Verfügungen als wechsel­bezüglich festlegen:
    Definieren Sie klar, welche Regelungen wechsel­bezüglich sein sollen und welche nicht.

  3. Einzeltestamente statt gemein­schaftlichem Testament:
    Erwägen Sie zwei getrennte Testamente, die inhaltlich abgestimmt sind, aber keine rechtliche Bindungs­wirkung entfalten.

  4. Notarielle Beratung in Anspruch nehmen:
    Lassen Sie sich von einer Fach­person beraten, um die für Ihre individuelle Situation beste Lösung zu finden.

Typische Fehler­quellen und Konflikt­situationen

In der Praxis kommt es häufig zu Streitigkeiten aufgrund der Bindungs­wirkung:

  • Unkenntnis der Bindungs­wirkung: Vielen Ehe­partner:innen ist nicht bewusst, dass sie sich mit einem gemein­schaftlichen Testament langfristig binden[1].

  • Neue Testamente nach dem Tod eines:einer Partners:Partnerin: Der:Die überlebende Partner:in erstellt ein neues Testament, das jedoch aufgrund der Bindungs­wirkung unwirksam ist[8].

  • Veränderungen in der Familien­struktur: Nach dem Tod eines:einer Partners:Partnerin gründet der:die Überlebende eine neue Familie oder es kommt zum Zerwürfnis mit den ursprünglich als Erb:innen eingesetzten Kindern[2].

Fazit

Ein gemein­schaftliches Testament bietet vielen Paaren Sicherheit und ermöglicht eine gemeinsame Nachlass­planung. Die damit verbundene Bindungs­wirkung kann jedoch zu erheblichen Einschränkungen führen, besonders für den:die überlebende:n Partner:in.

Bevor Sie ein gemein­schaftliches Testament errichten, sollten Sie sich der Bindungs­wirkung bewusst sein und überlegen, ob und in welchem Umfang Sie sich binden möchten. Eine fach­kundige Beratung ist dabei sehr hilfreich, um späteren Streit und Enttäuschungen zu vermeiden.

Denken Sie daran: Ein Testament sollte nicht nur Ihre aktuelle Situation berücksichtigen, sondern auch flexibel genug sein, um auf veränderte Lebens­umstände reagieren zu können.