Was ist ein assistierter Suizid?
Der assistierte Suizid ermöglicht es Menschen, ihr Leben mit Hilfe Dritter selbstbestimmt zu beenden, wobei die letzte Handlung - wie die Einnahme eines tödlichen Medikaments - eigenständig erfolgt. In Deutschland ist er seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts 2020 grundsätzlich erlaubt, jedoch rechtlich nicht klar geregelt, was Unsicherheiten für Betroffene und Helfende schafft. Eine umfassende Beratung und das Kennenlernen von Alternativen wie Palliativmedizin sind essenziell, um eine informierte Entscheidung zu treffen.
Synonyme: Beihilfe zum Suizid, Beihilfe zur Selbsttötung, assistierter Selbstmord, assistierter Selbsttötung, assistierter Freitod, Beihilfe zum Freitod, Beihilfe zum Selbstmord, Ärztlich assistierter Suizid
Der assistierte Suizid ist eine Form der Sterbehilfe, bei der eine sterbewillige Person Unterstützung beim Beenden des eigenen Lebens erhält. Anders als bei der aktiven Sterbehilfe führt die Person die letzte Handlung - meist die Einnahme eines tödlichen Medikaments - selbst durch. In Deutschland hat sich die rechtliche Situation zum assistierten Suizid in den letzten Jahren grundlegend verändert. Durch ein wegweisendes Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Februar 2020 haben Sie grundsätzlich das Recht, selbstbestimmt aus dem Leben zu scheiden und dabei Hilfe in Anspruch zu nehmen[6].
Rechtliche Grundlagen in Deutschland
Das Bundesverfassungsgericht erklärte im Februar 2020 das Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Suizidhilfe (ehemals § 217 StGB) für verfassungswidrig. Die Richter:innen urteilten, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht auch ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben umfasst[13]. Diese Entscheidung bedeutet, dass Sie nicht nur selbst über Ihr Lebensende bestimmen dürfen, sondern auch Hilfe von Dritten dafür in Anspruch nehmen können.
Aktuelle Rechtslage
Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts befindet sich der assistierte Suizid in Deutschland in einer rechtlichen Grauzone. Der Gesetzgeber sollte eigentlich neue Regeln schaffen, doch entsprechende Gesetzesinitiativen scheiterten im Juli 2023 im Bundestag[8].
Für Sie bedeutet dies: Ein assistierter Suizid ist in Deutschland grundsätzlich möglich, erfolgt aber in einem rechtlich nicht klar definierten Rahmen[18]. Dies führt zu Rechtsunsicherheit sowohl für sterbewillige Menschen als auch für Ärzt:innen und andere Helfer:innen. So wurden 2024 beispielsweise noch Ärzt:innen zu Gefängnisstrafen verurteilt, weil sie Sterbewilligen beim Suizid geholfen hatten[6].
Unterschiedliche Formen der Sterbehilfe
Um den assistierten Suizid richtig einordnen zu können, sollten Sie die verschiedenen Formen der Sterbehilfe kennen:
Aktive Sterbehilfe
Bei der aktiven Sterbehilfe tötet eine andere Person den Patienten auf dessen ausdrücklichen Wunsch. Diese Form ist in Deutschland nach § 216 StGB verboten und strafbar, selbst wenn Sie als Patient diese Form der Sterbehilfe ausdrücklich wünschen würden[2].
Passive Sterbehilfe
Passive Sterbehilfe bedeutet den Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen oder deren Abbruch. Diese Form ist in Deutschland erlaubt, wenn sie Ihrem Patientenwillen entspricht. Haben Sie beispielsweise in einer Patientenverfügung festgelegt, dass Sie keine künstliche Beatmung wünschen, darf diese unterlassen oder beendet werden[2].
Indirekte Sterbehilfe
Bei der indirekten Sterbehilfe steht die Linderung Ihrer Schmerzen im Vordergrund. Wenn dabei als unbeabsichtigte Nebenwirkung Ihr Leben verkürzt wird, ist dies rechtlich erlaubt. Dies nennt man auch das “Prinzip der Doppelwirkung”: Das Hauptziel ist die Schmerzlinderung, nicht die Lebensverkürzung[2].
Assistierter Suizid
Beim assistierten Suizid erhalten Sie Hilfe zur Selbsttötung, führen die letzte Handlung aber selbst aus. Ein Beispiel: Eine Person beschafft Ihnen ein tödliches Medikament, das Sie dann eigenständig einnehmen[8][18]. Diese Form ist nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2020 in Deutschland grundsätzlich zulässig.
Ethische Perspektiven
Der assistierte Suizid wird ethisch kontrovers diskutiert. Dabei geht es um grundlegende Fragen zu Autonomie, Lebensschutz und ärztlicher Fürsorge.
Selbstbestimmung und gesellschaftliche Fürsorge
Ein zentrales Spannungsfeld besteht zwischen Ihrem Recht auf Selbstbestimmung und der Fürsorgepflicht der Gesellschaft. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz formuliert es so: “Es gibt ein Recht auf Leben, es gibt ein Recht auf Sterben, aber es gibt kein Recht auf Töten”[19]. Diese Position verdeutlicht, wie schwierig die ethische Abwägung sein kann.
Ärztliche Herausforderungen
Für Ärzt:innen, die Sie um Hilfe beim Suizid bitten könnten, entsteht ein ethisches Dilemma. Während manche die Suizidhilfe als Teil ihrer Fürsorgepflicht sehen, empfinden andere einen Widerspruch zu ihrem Berufsethos, das traditionell auf Lebenserhalt ausgerichtet ist. Manche Ärzt:innen lehnen Suizidhilfe ab, andere sehen darin eine mögliche ärztliche Aufgabe - ein einheitliches Berufsverständnis gibt es nicht.
Besondere Situation bei psychischen Erkrankungen
Besonders umstritten ist der assistierte Suizid bei Menschen mit psychischen Erkrankungen. Wenn Sie unter einer psychischen Erkrankung leiden und einen Sterbewunsch äußern, kann dies besondere Fragen aufwerfen: Ist Ihr Wunsch Teil der Erkrankung oder eine freie Entscheidung? Kann die Erkrankung behandelt werden? In der Psychiatrie gehört die Suizidprävention traditionell zu den Kernaufgaben, was zu einem Spannungsverhältnis mit der Möglichkeit des assistierten Suizids führt.
Internationale Regelungen
Die rechtliche Situation zum assistierten Suizid unterscheidet sich weltweit erheblich. Einige Länder haben klare gesetzliche Regelungen getroffen:
Schweiz
In der Schweiz ist der assistierte Suizid erlaubt, solange keine selbstsüchtigen Motive bei den Helfenden vorliegen. Organisationen wie “Dignitas” bieten diese Form der Sterbehilfe an. Wenn Sie diesen Weg wählen würden, müssten Sie das tödliche Mittel selbst einnehmen[2].
Niederlande
In den Niederlanden sind sowohl aktive Sterbehilfe als auch assistierter Suizid legal, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Sie müssten unheilbar krank sein und unter starkem Leiden. Eine Überprüfungskommission kontrolliert jeden einzelnen Fall[2].
Spanien
In Spanien wurden 2021 sowohl aktive Sterbehilfe als auch assistierter Suizid unter strengen Auflagen legalisiert. Als Patient müssten Sie unheilbar krank sein, großes Leid erfahren, und mehrere medizinische Fachkräfte müssten Ihrer Bitte zustimmen[2].
Praktische Informationen für Betroffene
Wenn Sie sich mit dem Gedanken an einen assistierten Suizid beschäftigen, gibt es einige wichtige praktische Aspekte zu beachten.
Voraussetzungen nach dem Verfassungsgerichtsurteil
Das Bundesverfassungsgericht hat festgelegt, dass Ihre Entscheidung für einen assistierten Suizid “autonom und freiverantwortlich” sein muss[6]. Das bedeutet:
- Ihr Sterbewunsch sollte nicht aus einem plötzlichen Impuls entstehen
- Sie sollten die Konsequenzen Ihrer Entscheidung vollständig erfassen können
- Ihre Entscheidung sollte das Ergebnis einer rationalen Abwägung sein
Ansprechpartner und Organisationen
In Deutschland bietet die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) ihren Mitgliedern seit 2020 die Vermittlung einer professionellen ärztlichen Suizidassistenz an[10]. Bevor Sie einen solchen Schritt erwägen, ist eine umfassende Beratung wichtig, die auch Alternativen aufzeigt.
Alternativen zum assistierten Suizid
Die moderne Palliativmedizin und Hospizversorgung können Ihre Schmerzen und Leiden am Lebensende wirksam lindern. Viele Ängste und Sorgen, die zu einem Sterbewunsch führen, lassen sich durch eine gute palliative Betreuung auffangen[3]. Bevor Sie einen assistierten Suizid in Betracht ziehen, sollten Sie diese Möglichkeiten kennenlernen.
Beratung und Umgang mit Sterbewünschen
Sterbewünsche haben unterschiedliche Hintergründe und müssen nicht immer zu einem Suizid führen. Die Diakonie Deutschland hat eine Orientierungshilfe zum Umgang mit Sterbewünschen veröffentlicht, die betont, wie wichtig eine sorgfältige und einfühlsame Beratung ist[13].
Bei Sterbewünschen geht es oft um tieferliegende Ängste: Angst vor Schmerzen, vor dem Verlust der Würde oder vor Einsamkeit. Eine gute Beratung kann diese Ängste thematisieren und Wege aufzeigen, damit umzugehen. Manchmal verändert sich ein Sterbewunsch, wenn die zugrundeliegenden Sorgen und Ängste angesprochen werden[13].
Ausblick und gesellschaftliche Bedeutung
Der assistierte Suizid bleibt in Deutschland ein Thema intensiver gesellschaftlicher Diskussion. Ärzt:innen fordern verbindliche Regeln, um Rechtssicherheit zu schaffen[6]. Nach dem Scheitern der Gesetzentwürfe im Bundestag 2023 ist derzeit unklar, wann eine neue gesetzliche Regelung kommen wird.
Die Entscheidung für oder gegen einen assistierten Suizid ist zutiefst persönlich und wird von ethischen, religiösen und weltanschaulichen Faktoren beeinflusst. Als Betroffene:r oder Angehörige:r ist es wichtig, dass Sie gut informiert sind und bei Bedarf professionelle Beratung in Anspruch nehmen[13].
In einer alternden Gesellschaft wird die Diskussion um den assistierten Suizid und andere Formen der Sterbehilfe weiter an Bedeutung gewinnen. Dabei geht es letztlich um die Frage, wie wir als Gesellschaft mit Sterben und Tod umgehen und wie wir ein würdevolles Lebensende für alle ermöglichen können.
Fazit
Der assistierte Suizid ist in Deutschland seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts 2020 grundsätzlich erlaubt, befindet sich aber in einer rechtlichen Grauzone. Die gesetzliche Neuregelung steht noch aus, was zu Unsicherheiten für alle Beteiligten führt.
Die ethischen Fragen rund um den assistierten Suizid sind vielschichtig und berühren grundlegende Werte wie Selbstbestimmung, Lebensschutz und ärztliche Fürsorge. Eine reflektierte Auseinandersetzung mit diesen Fragen kann helfen, zu einer informierten Haltung zu kommen.
Für Sie als betroffene Person oder Angehörige:n ist es wichtig, alle Aspekte und Alternativen zu kennen, bevor Sie eine Entscheidung treffen. Suchen Sie das Gespräch mit vertrauten Personen und nehmen Sie professionelle Beratung in Anspruch. Nur so können Sie sicher sein, dass Ihre Entscheidung wirklich Ihrem freien und informierten Willen entspricht.