Was ist der Unterschied zwischen aktiver, passiver und indirekter Sterbehilfe?

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Zusammenfassung

Die Sterbe­hilfe unterteilt sich in Deutschland in vier Formen: aktive Sterbe­hilfe (gezielte Tötung auf Verlangen, verboten), passive Sterbe­hilfe (Verzicht auf lebens­verlängernde Maßnahmen, erlaubt), indirekte Sterbe­hilfe (Schmerz­linderung mit möglicher Lebens­verkürzung, erlaubt) und assistierten Suizid (Beihilfe zur Selbst­tötung, erlaubt, wenn die letzte Handlung selbst ausgeführt wird). Entscheidend ist stets der freie Wille der betroffenen Person, der durch eine Patienten­verfügung klar fest­gehalten werden kann.

Die Frage nach einem selbst­bestimmten Lebens­ende beschäftigt viele Menschen in schwierigen Gesund­heits­situationen. Dabei tauchen häufig Begriffe wie aktive, passive oder indirekte Sterbe­hilfe auf. Diese Bezeich­nungen haben unter­schiedliche rechtliche und ethische Bedeutungen, die oft verwechselt werden. Eine Umfrage der Bundes­ärzte­kammer ergab, dass selbst mehr als 50 Prozent der Ärzt:innen diese Begriffe falsch verwenden[12]. Dieser Artikel erklärt Ihnen die Unter­schiede zwischen den verschie­denen Formen der Sterbe­hilfe in Deutschland.

Mann in einem hellen Raum sitzt an einem Tisch und hält ein Blatt Papier, im Hintergrund Pflanzen und Regale.

Aktive Sterbe­hilfe

Bei der aktiven Sterbe­hilfe verab­reicht eine andere Person dem Patienten oder der Patientin ein unmittelbar tödlich wirkendes Mittel. Anders als beim assistierten Suizid nimmt die sterbe­willige Person das Medikament nicht selbst ein. Statt­dessen wird ihr das Mittel von außen “aktiv” zugeführt[12]. Wer aktive Sterbe­hilfe leistet, setzt bewusst einen neuen Kausal­verlauf in Gang, der unmittelbar zum Tod führen soll.

Die aktive Sterbe­hilfe ist in Deutschland grund­sätzlich verboten[11][12]. Sie wird mindestens als “Tötung auf Verlangen” nach dem Straf­gesetz­buch geahndet und kann mit Freiheits­strafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft werden[12]. In einigen anderen Ländern wie den Nieder­landen, Luxemburg, Spanien und Belgien ist diese Form der Sterbe­hilfe unter bestimmten Voraus­setzungen erlaubt[11].

Passive Sterbe­hilfe

Die passive Sterbe­hilfe bezeichnet den Verzicht auf lebens­verlängernde Maßnahmen oder deren Beendigung[11][12]. Dies geschieht entweder, weil solche Maßnahmen in der unmittel­baren Sterbe­phase medizinisch nicht mehr sinnvoll sind oder weil die betroffene Person diese ablehnt.

Der entscheidende Unter­schied zur aktiven Sterbe­hilfe: Bei der passiven Sterbe­hilfe wird kein neuer Kausal­verlauf gesetzt, sondern der natürliche Sterbe­prozess zugelassen[12]. Konkret kann dies bedeuten:

Die passive Sterbe­hilfe ist in Deutschland erlaubt[11], sofern sie dem Willen der Patientin oder des Patienten entspricht. Besonders wichtig: Dieser Wille kann auch vorab in einer Patienten­verfügung fest­gehalten werden. Liegt keine Patienten­verfügung vor, muss der mutmaßliche Wille ermittelt werden, etwa durch Gespräche mit Angehörigen.

Indirekte Sterbe­hilfe

Bei der indirekten Sterbe­hilfe steht die Schmerz­linderung im Vorder­grund[11]. Es handelt sich dabei um Situationen, in denen unheilbar kranken Menschen zur Schmerz­linderung Medikamente verab­reicht werden, die als Neben­wirkung den Eintritt des Todes beschleunigen können[2].

Das Ziel der Medikamenten­gabe ist hier ausdrücklich die Linderung von Schmerzen und Leid. Die mögliche Lebens­verkürzung wird dabei in Kauf genommen, ist aber nicht das eigentliche Ziel der Behandlung[2].

Die indirekte Sterbe­hilfe ist in Deutschland grundsätzlich zulässig[2][11]. Diese Rechts­lage geht auf ein Urteil des Bundes­gerichts­hofs aus dem Jahr 1996 zurück[2]. Ärzt:innen dürfen also in der Regel durch die Gabe von Medikamenten indirekte Sterbe­hilfe leisten, ohne straf­rechtliche Konsequenzen fürchten zu müssen.

Wichtig: Für die indirekte Sterbe­hilfe muss eine entsprechende Willens­erklärung oder Patienten­verfügung vorliegen[2]. Dies sichert ab, dass die Behandlung im Sinne der betroffenen Person erfolgt.

Assistierter Suizid

Beim assistierten Suizid spricht man von einer “Beihilfe zur Selbst­tötung”[3]. Die sterbe­willige Person nimmt selbst­ständig eine Substanz zur Selbst­tötung ein. Eine andere Person - beispiels­weise Angehörige, Ärzt:innen oder Sterbe­helfer:innen - leistet dazu einen Beitrag, etwa indem sie die tödliche Substanz bereit­stellt[3].

Der entscheidende Unterschied zur aktiven Sterbe­hilfe: Die letzte Handlung - die Einnahme des tödlichen Mittels - führt die sterbe­willige Person selbst aus[11].

Die rechtliche Situation zum assistierten Suizid hat sich in Deutschland verändert:

  • Der Suizid selbst ist in Deutschland nicht strafbar, daher ist auch die Beihilfe zum Suizid nicht strafbar[3][4].
  • Das Bundes­verfassungs­gericht erklärte im Februar 2020 das Verbot, die Selbst­tötung “geschäfts­mäßig zu fördern”, für verfassungs­widrig[5][11].
  • Derzeit befindet sich der assistierte Suizid in einer rechtlichen Grau­zone, da der Gesetz­geber eine Neu­regelung vornehmen muss, was bislang nicht geschehen ist[11].

Der Deutsche Ethikrat betont in diesem Zusammen­hang die Bedeutung des freien Willens: “Es darf nur zu einem frei­verantwortlichen Suizid Hilfe geleistet werden”[5]. Zentral ist dabei die Frage, ob eine freie Willens­entscheidung vorliegt.

Rechtliche und ethische Grund­lagen

Die rechtliche Bewertung der verschiedenen Formen der Sterbe­hilfe basiert auf unter­schiedlichen Aspekten:

Bei ärztlichem Handeln gelten die Bestimmungen des ärztlichen Standes­rechts bzw. der ärztlichen Berufs­ordnung der jeweiligen Landes­ärzte­kammern[4].

Für Personen mit einer Garanten­stellung gegenüber der sterbe­willigen Person (etwa Ärzt:innen oder nahe Angehörige) gelten besondere Regeln. Die Garanten­stellung beinhaltet die Straf­barkeit durch Unter­lassung, wenn der strafbare Eintritt einer Handlung von einer Person nicht verhindert wird, obwohl diese dazu verpflichtet wäre[4].

Der freie Wille der betroffenen Person steht im Zentrum aller ethischen Über­legungen zur Sterbe­hilfe. Dieser muss nachvollziehbar und ohne äußeren Druck entstanden sein[5].

Übersicht: Was ist in Deutschland erlaubt und was nicht?

Um Ihnen einen schnellen Überblick zu geben:

Erlaubt sind in Deutschland:

  • Passive Sterbe­hilfe: Verzicht auf lebens­verlängernde Maßnahmen[11]
  • Indirekte Sterbe­hilfe: Schmerz­lindernde Medikamente mit möglicher lebens­verkürzender Neben­wirkung[2][11]
  • Assistierter Suizid: Beihilfe zur Selbst­tötung, wobei die letzte Handlung von der sterbe­willigen Person selbst ausgeführt wird[3][4][11]

Verboten ist in Deutschland:

  • Aktive Sterbe­hilfe: Gezielte Tötung auf Verlangen durch eine andere Person[11][12]

Die Bedeutung der Patienten­verfügung

Für alle Formen der erlaubten Sterbe­hilfe ist der erklärte oder mutmaßliche Wille der betroffenen Person entscheidend. Eine Patienten­verfügung kann in diesem Zusammen­hang sehr wertvoll sein, um die eigenen Wünsche für den Fall fest­zuhalten, dass man sich selbst nicht mehr äußern kann.

In einer Patienten­verfügung können Sie vorab festlegen, welche medizinischen Maßnahmen Sie in bestimmten Situationen wünschen oder ablehnen. Dies umfasst auch Entscheidungen zu lebens­erhaltenden Maßnahmen und zur Schmerz­linderung.

Fazit

Die verschiedenen Formen der Sterbe­hilfe unterscheiden sich grundlegend in ihrer rechtlichen Bewertung und praktischen Durch­führung. Während die aktive Sterbe­hilfe in Deutschland verboten ist, sind die passive und indirekte Sterbe­hilfe sowie unter bestimmten Voraus­setzungen der assistierte Suizid erlaubt.

Für Betroffene und Angehörige ist es wichtig, diese Unter­schiede zu kennen und zu verstehen. Besonders hilfreich kann dabei eine Patienten­verfügung sein, in der der eigene Wille zu lebens­erhaltenden Maßnahmen vorab festgehalten wird.

Bei Fragen zur Sterbe­hilfe und Patienten­verfügung empfiehlt sich die Beratung durch medizinische Fach­personen oder spezialisierte Beratungs­stellen, die Sie bei diesen schwierigen Entscheidungen unter­stützen können.