Testament widerrufen: Rechtliche Grundlagen und praktische Umsetzung

Zusammenfassung

Ein Testament kann in Deutschland jederzeit widerrufen werden, solange die testierende Person testierfähig ist. Dies ist durch ein neues Testament, die Vernichtung der Urkunde oder bei notariellen Testamenten durch Rücknahme aus der amtlichen Verwahrung möglich. Bei gemeinschaftlichen Testamenten gelten besondere Regeln, insbesondere für den einseitigen Widerruf, der notariell beurkundet und dem anderen Ehepartner zugestellt werden muss.

Der Widerruf eines Testaments ist ein bedeutender rechtlicher Schritt, der sorgfältige Überlegung erfordert. In Deutschland gibt es verschiedene Möglichkeiten, ein Testament ungültig zu machen. Das Bürgerliche Gesetzbuch erlaubt es, ein Testament jederzeit ohne Angabe von Gründen zu widerrufen, solange die Person noch testier­fähig ist. Die Methoden reichen vom Aufsetzen eines neuen Testaments über die Vernichtung der bestehenden Urkunde bis hin zur Rücknahme aus der amtlichen Verwahrung. Besondere Regeln gelten für gemeinschaftliche Testamente, bei denen der Widerruf durch einen Ehepartner spezielle formale Anforderungen erfüllen muss.

Holztisch mit Dokumenten, Stift, Buch und Richterhammer, im Hintergrund Fenster und Bücherregal mit Pflanzen.

Rechtliche Grundlagen des Testamentswiderrufs

Der Widerruf eines Testaments ist im deutschen Recht klar geregelt. Nach § 2253 BGB kann jede Person, die ein Testament erstellt hat, dieses jederzeit ohne Angabe von Gründen widerrufen[6]. Es handelt sich beim Widerruf um eine letzt­willige Verfügung, weshalb die Person zum Zeitpunkt des Widerrufs testier­fähig sein muss[3]. Die Testier­fähigkeit setzt voraus, dass die Person die Bedeutung und Tragweite ihrer Entscheidung verstehen und einschätzen kann.

Die Gründe, warum Menschen ihre Testamente widerrufen, sind vielfältig. Häufig führen Änderungen der familiären Verhältnisse wie Heirat oder Scheidung zum Wunsch, das Testament anzupassen. Auch die Geburt von Kindern, Ver­schlechterung persönlicher Beziehungen zu den ursprünglich Bedachten oder Veränderungen der Vermögens­verhältnisse können Anlass sein, den letzten Willen zu überdenken[12]. In all diesen Fällen bietet das Gesetz verschiedene Wege, ein bestehendes Testament aufzuheben oder zu ändern.

Widerrufsmöglichkeiten im Überblick

Es gibt mehrere Methoden, ein Testament zu widerrufen. Die erste Möglichkeit besteht darin, ein ausdrückliches Widerrufs­testament zu verfassen. Hierbei erklärt die testier­ende Person schriftlich, dass sie alle oder bestimmte frühere letztwillige Verfügungen aufhebt[11]. Eine typische Formulierung könnte lauten: “Hiermit widerrufe ich sämtliche Anordnungen in meinem Testament vom [Datum]. Es soll gesetzliche Erbfolge eintreten.”[6]

Die zweite Möglichkeit ist die Errichtung eines neuen, inhaltlich widersprechenden Testaments. Wenn das neue Testament Regelungen enthält, die mit dem früheren Testament nicht vereinbar sind, gilt das neue Testament vorrangig, soweit der Widerspruch reicht[2]. Dabei ist es unerheblich, ob das neue Testament handschriftlich oder notariell erstellt wird. Ein handschriftliches Testament kann auch ein notarielles Testament widerrufen[11]. Für die Wirksamkeit ist entscheidend, dass das neue Testament mit Datum versehen wird, damit erkennbar ist, welches das jüngere und damit vorrangige Testament ist.

Die dritte Möglichkeit besteht in der Vernichtung oder Veränderung der Testaments­urkunde. Wenn die testier­ende Person ihr Testament zerreißt, verbrennt, den Text durchstreicht oder auf andere Weise unleserlich macht, gilt dies als Widerruf[2][3]. Wichtig ist, dass die Vernichtung durch die testier­ende Person selbst oder auf deren ausdrücklichen Wunsch erfolgt. Vernichtet eine andere Person das Testament eigenmächtig ohne Wissen und Willen der testier­enden Person, bleibt das Testament rechtlich wirksam[3].

Besonderheiten bei notariellen Testamenten

Bei notariellen Testamenten gibt es eine zusätzliche Widerrufs­möglichkeit: die Rücknahme aus der amtlichen Verwahrung. Notarielle Testamente werden nach ihrer Erstellung beim Nachlassgericht hinterlegt. Durch die Rücknahme aus dieser Verwahrung wird das Testament automatisch ungültig[3][6]. Diese Form des Widerrufs ist bei handschriftlichen Testamenten, die lediglich zur Aufbewahrung beim Nachlassgericht hinterlegt wurden, nicht möglich. Bei diesen führt die bloße Rücknahme aus der Verwahrung nicht zum Widerruf[3].

Nach der Rücknahme aus der amtlichen Verwahrung kann ein notarielles Testament nicht wieder zurückgegeben werden, um es erneut gültig zu machen. Die testier­ende Person müsste in diesem Fall ein neues Testament errichten[2]. Dies unterscheidet notarielle Testamente von handschriftlichen, die problem­los aus der Verwahrung genommen und später wieder zurückgegeben werden können, ohne ihre Gültigkeit zu verlieren.

Widerruf von gemeinschaftlichen Testamenten

Gemeinschaftliche Testamente, wie das häufig von Eheleuten genutzte Berliner Testament, unterliegen besonderen Regeln beim Widerruf. Bei diesen Testamenten treffen zwei Personen, meist Ehepartner:innen, gemeinsame Verfügungen über ihren Nachlass. Oft enthalten diese Testamente sogenannte wechsel­bezügliche Verfügungen - das bedeutet, dass ein:e Ehepartner:in dem/der anderen nur dann etwas vererbt, wenn dieser/diese umgekehrt auch testier­t[2].

Zu Lebzeiten beider Ehepartner:innen können gemeinschaftliche Testamente grundsätzlich gemeinsam aufgehoben werden[2]. Möchte jedoch nur ein:e Ehepartner:in das Testament widerrufen, gestaltet sich dies komplizierter. In diesem Fall muss der Widerruf notariell erklärt werden. Die Widerrufs­erklärung muss dann dem/der anderen Ehepartner:in zugestellt werden, was am sichersten durch einen Gerichts­vollzieher geschieht[2][5]. Durch diesen einseitigen Widerruf wird das gesamte gemeinschaftliche Testament ungültig - nicht nur der Teil der widerrufenden Person.

Nach dem Tod eines Ehepartners wird die Situation noch komplexer. In der Regel kann der:die überlebende Ehepartner:in wechsel­bezügliche Verfügungen nicht mehr widerrufen, da diese mit dem Tod des/der ersten Ehepartner:in bindend werden. Nur wenn im gemeinschaftlichen Testament ausdrücklich festgelegt wurde, dass der:die Überlebende die Verfügungen ändern darf, bleibt diese Möglichkeit erhalten[6].

Praxisbeispiel zum Widerruf eines gemeinschaftlichen Testaments

Stellen Sie sich vor: Ein Ehepaar hat ein gemeinsames Testament verfasst, in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzen und nach dem Tod des:der Längstlebenden sollen die gemeinsamen Kinder erben. Nach einigen Jahren kommt es zur Trennung. Nun möchte ein:e Ehepartner:in das Testament widerrufen.

In diesem Fall muss der Widerruf von einem Notar oder einer Notarin beurkundet werden. Die Widerrufs­erklärung muss dann dem:der anderen Ehepartner:in zugestellt werden. Mit diesem Widerruf wird das gesamte gemeinschaftliche Testament unwirksam. Beide Ehepartner:innen können anschließend neue, jeweils eigene Testamente errichten.

Widerruf des Widerrufs: Kann ein aufgehobenes Testament wieder in Kraft gesetzt werden?

Eine interessante Frage ist, ob ein bereits widerrufenes Testament wieder in Kraft gesetzt werden kann. Die Antwort hängt davon ab, auf welche Weise das Testament widerrufen wurde.

Wenn das Testament durch ein Widerrufs­testament aufgehoben wurde, kann dieses Widerrufs­testament selbst widerrufen werden. Durch den Widerruf des Widerrufs wird das ursprüngliche Testament wieder gültig[3][6]. Dies ist im § 2257 BGB geregelt.

Anders verhält es sich, wenn das Testament durch Vernichtung oder Veränderung der Urkunde oder durch Rücknahme aus der amtlichen Verwahrung widerrufen wurde. In diesen Fällen kann der Widerruf nicht mehr rückgängig gemacht werden[6]. Das bedeutet, dass die testier­ende Person ein neues Testament errichten müsste, wenn sie die ursprünglichen Regelungen wieder in Kraft setzen möchte.

Bei mehreren Testamenten gilt grundsätzlich, dass wenn das neuere Testament widerrufen wird, das ältere Testament wieder gültig wird, sofern es nicht ebenfalls widerrufen wurde[2]. Dies zeigt, wie wichtig es ist, beim Widerruf eines Testaments genau zu überlegen, welche Folgen eintreten sollen.

Formale Anforderungen an den Widerruf

Für die formale Gestaltung eines Testaments­widerrufs gelten ähnliche Anforderungen wie für das Testament selbst. Ein handschriftliches Widerrufs­testament muss vollständig von Hand geschrieben, mit Datum und Ort versehen und unterschrieben sein[3]. Ein notarielles Widerrufs­testament muss von einem Notar oder einer Notarin beurkundet werden.

Bei handschriftlichen Testamenten können auch nachträgliche Änderungen vorgenommen werden. Diese Änderungen müssen ebenfalls handschriftlich erfolgen und mit Datum und Unterschrift versehen werden[3]. Bei notariellen Testamenten ist eine nachträgliche Änderung nicht möglich. Hier muss das Testament zunächst aus der amtlichen Verwahrung genommen werden, wodurch es automatisch ungültig wird, und dann ein neues Testament errichtet werden[3].

Praktische Hinweise zum Testament widerrufen

Wenn Sie Ihr Testament widerrufen möchten, sollten Sie einige praktische Hinweise beachten. Zunächst ist es ratsam, genau zu überlegen, ob Sie das Testament vollständig oder nur teilweise widerrufen möchten. Bei einem teilweisen Widerruf müssen Sie klar kenntlich machen, welche Teile des Testaments ungültig sein sollen und welche bestehen bleiben.

Bei einem vollständigen Widerruf sollten Sie auch überlegen, ob Sie ein neues Testament errichten möchten oder ob die gesetzliche Erbfolge eintreten soll. Wenn Sie kein neues Testament errichten, tritt nach dem Widerruf automatisch die gesetzliche Erbfolge ein. Dies kann in manchen Fällen nicht Ihren Wünschen entsprechen, weshalb die Errichtung eines neuen Testaments oft sinnvoll ist.

Für den Widerruf eines handschriftlichen Testaments können Sie ein neues, handschriftliches Dokument verfassen. Dieses sollte den ausdrücklichen Widerruf enthalten, beispielsweise in der Form: “Hiermit widerrufe ich, [Ihr vollständiger Name], geboren am [Geburtsdatum], mein Testament vom [Datum des zu widerrufenden Testaments].” Unterschreiben Sie dieses Dokument und versehen Sie es mit Datum und Ort.

Bei einem notariellen Testament haben Sie, wie bereits erwähnt, die Möglichkeit, es aus der amtlichen Verwahrung zurückzunehmen oder ein neues Testament zu errichten. Es ist empfehlens­wert, den Widerruf nicht nur durch Vernichtung des Testaments vorzunehmen, sondern zusätzlich ein Widerrufs­testament zu errichten, um mögliche Unklarheiten zu vermeiden.

Rechtliche Konsequenzen des Testamentswiderrufs

Nach einem wirksamen Widerruf eines Testaments treten verschiedene rechtliche Konsequenzen ein. Wurde das Testament vollständig widerrufen und kein neues Testament errichtet, gilt die gesetzliche Erbfolge. Diese richtet sich nach den Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs und berücksichtigt Verwandt­schafts­verhältnisse.

Bei einem teilweisen Widerruf bleiben die nicht widerrufenen Teile des Testaments bestehen. Wenn ein neues Testament errichtet wurde, gilt dieses anstelle des widerrufenen Testaments. Enthält das neue Testament jedoch Lücken, können für diese Bereiche entweder die nicht widerrufenen Teile des alten Testaments oder die gesetzliche Erbfolge gelten.

Bei gemeinschaftlichen Testamenten kann der einseitige Widerruf durch einen Ehepartner zur Ungültigkeit des gesamten Testaments führen. In diesem Fall gilt für beide Ehepartner:innen wieder die gesetzliche Erbfolge, sofern sie kein neues Testament errichten.

Mögliche Streitfälle nach einem Testamentswiderruf

In der Praxis kann der Widerruf eines Testaments zu Konflikten unter den potenziellen Erb:innen führen. Dies ist besonders dann der Fall, wenn die Form des Widerrufs nicht eindeutig ist oder wenn Zweifel an der Testier­fähigkeit der widerrufenden Person bestehen.

Ein typischer Streitfall entsteht, wenn ein Testament durch Veränderungen wie Durch­streichungen modifiziert wurde, ohne dass klar ist, ob diese Änderungen vom Erblasser selbst stammen. In solchen Fällen kann es zu rechtlichen Auseinander­setzungen kommen, bei denen gerichtlich geklärt werden muss, ob ein wirksamer Widerruf vorliegt.

Auch die Frage, ob ein Testament durch Vernichtung widerrufen wurde, kann zu Streitigkeiten führen. Wenn das Testament nicht mehr auffindbar ist, wird vermutet, dass es vom Erblasser selbst vernichtet und damit widerrufen wurde. Diese Vermutung kann jedoch widerlegt werden, wenn nachgewiesen wird, dass das Testament auf andere Weise abhandengekommen ist[1].

Fazit: Testament widerrufen - worauf Sie achten sollten

Das Widerrufen eines Testaments ist ein rechtlich bedeutsamer Schritt, der sorgfältige Überlegung erfordert. Das deutsche Recht bietet verschiedene Möglichkeiten, ein Testament zu widerrufen, sei es durch ein neues Testament, durch Vernichtung der Urkunde oder bei notariellen Testamenten durch Rücknahme aus der amtlichen Verwahrung.

Besondere Vorsicht ist bei gemeinschaftlichen Testamenten geboten, da hier spezielle Regeln für den Widerruf gelten. Der einseitige Widerruf erfordert eine notarielle Erklärung und die Zustellung an den anderen Ehepartner. Nach dem Tod eines Ehepartners kann ein gemeinschaftliches Testament in der Regel nicht mehr einseitig widerrufen werden.

Für alle Arten von Testaments­widerrufen gilt: Die Form muss korrekt eingehalten werden, und die testier­ende Person muss zum Zeitpunkt des Widerrufs testier­fähig sein. Bei Unsicherheiten bezüglich der rechtlichen Anforderungen oder bei komplexen familiären oder vermögens­rechtlichen Verhältnissen kann es ratsam sein, rechtliche Beratung in Anspruch zu nehmen, um sicherzustellen, dass der Widerruf wirksam ist und die gewünschten rechtlichen Folgen eintreten.

Die bewusste Entscheidung, ein Testament zu widerrufen und gegebenenfalls ein neues zu errichten, trägt dazu bei, dass Ihr Nachlass nach Ihren aktuellen Wünschen verteilt wird und mögliche Konflikte unter den Erb:innen vermieden werden.