Testament und Erbrecht im Ausland: Was bei grenz­über­schrei­ten­den Erbfällen zu beachten ist

Zusammenfassung

Bei grenz­über­schrei­tenden Erbfällen ist eine sorgfältige Planung entscheidend, um rechtliche und steuerliche Komplikationen zu vermeiden. Die EU-Erb­rechts­verordnung erleichtert die Nachlassregelung innerhalb der EU, indem sie einheitliches Erbrecht nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des:der Erb­lasser:in vorsieht, erlaubt jedoch auch eine Rechtswahl. Für Vermögen in Nicht-EU-Ländern oder digitale Nachlässe können zusätzliche Regelungen sinnvoll sein - fachliche Beratung wird dringend empfohlen.

In einer Zeit zunehmender Mobilität und internationaler Vernetzung werden Erbfälle mit Auslandsbezug immer häufiger. Ob Ferienhaus in Spanien, Bankkonto in der Schweiz oder Lebens­mittelpunkt im Ausland - wenn Erb­angelegenheiten Grenzen überschreiten, entstehen besondere Heraus­forderungen. Dieser Artikel erklärt, was beim Testament mit internationalem Bezug zu beachten ist und wie Sie rechtliche Unsicherheiten vermeiden können.

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Wann liegt ein Erbfall mit Auslandsbezug vor?

Ein Erbfall hat Auslandsbezug, wenn mindestens einer der folgenden Aspekte zutrifft:

  • Sie leben als deutsche:r Staats­bürger:in im Ausland
  • Sie hinterlassen als Erb­lasser:in Vermögen im Ausland
  • Sie erben als in Deutschland lebende Person Vermögen im Ausland
  • Die erbende Person lebt im Ausland

In solchen Fällen stellt sich die zentrale Frage: Nach welchem nationalen Recht wird vererbt und geerbt? Die Antwort hat unmittelbare praktische Auswirkungen auf die gesamte Nachlassabwicklung.

Die Europäische Erb­rechts­verordnung: Ein Meilenstein für grenz­über­schrei­tende Erbfälle

Seit August 2015 gilt die Europäische Erb­rechts­verordnung (EU-ErbVO Nr. 650/2012), die für mehr Rechts­sicherheit bei grenz­über­schrei­tenden Erbfällen innerhalb der EU sorgt. Sie gilt in allen EU-Mitglied­staaten mit Ausnahme von Dänemark, Irland und Groß­britannien[1].

Die wichtigsten Regelungen der EU-Erb­rechts­verordnung:

  • Das Erbrecht richtet sich nach dem letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erb­lassers (nicht mehr nach der Staats­angehörigkeit)[1]
  • Es gilt ein einheitliches Erbrecht für den gesamten Nachlass (keine Nachlassspaltung mehr)[1]
  • Die Möglichkeit der Rechtswahl zugunsten des Heimatrechts besteht[1]
  • Einführung des Europäischen Nachlass­zeugnisses als einheitlicher Erbnachweis[1]

Diese Regelungen be­deuten eine er­hebliche Ver­ein­fachung: Der gesamte Nach­lass unter­liegt nur noch einem einzigen nationalen Recht.

Verschiedene Fallkonstellationen und deren Lösung

Fall 1: Umzug ins Ausland

Wenn Sie als deutsche:r Staats­bürger:in ins Ausland ziehen, stellt sich die Frage nach der Gültigkeit Ihres in Deutschland errichteten Testaments. Die gute Nachricht: Dank des Haager Testaments­abkommens bleibt ein in Deutschland form­wirksam errichtetes Testament grundsätzlich auch nach Ihrem Umzug gültig.

Allerdings gilt nach der EU-Erb­rechts­verordnung nun das Erbrecht Ihres neuen Wohn­sitz­staates. Beispiel: Wenn Sie als deutsche:r Staats­bürger:in dauerhaft nach Spanien ziehen, würde ohne weitere Maßnahmen spanisches Erbrecht auf Ihren gesamten Nachlass angewendet werden.

Tipp: Wenn Sie möchten, dass deutsches Erbrecht angewendet wird, sollten Sie in Ihrem Testament eine ausdrückliche Rechtswahl zugunsten des deutschen Rechts treffen[1]. Diese könnte etwa so formuliert werden:

“Ich bin deutsche:r Staats­bürger:in mit ständigem Aufenthalt in [Land]. Für meine Rechts­nachfolge von Todes wegen und für Fragen der Rechts­wirksamkeit dieses Testaments wähle ich deutsches Recht als mein Heimatrecht. Dies gilt unabhängig davon, in welchem Staat ich zum Zeitpunkt meines Todes meinen gewöhnlichen Aufenthalt haben sollte.”[1]

Fall 2: Vermögenswerte im Ausland

Besitzen Sie Vermögen im EU-Ausland, gilt dank der EU-Erb­rechts­verordnung ein einheitliches Erbrecht für Ihren gesamten Nachlass. Das bedeutet: Wenn Sie als deutsche:r Erb­lasser:in mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland versterben, gilt deutsches Erbrecht auch für Ihre Immobilie in Frankreich oder Ihr Bankkonto in Italien.

Komplizierter wird es bei Vermögen in Nicht-EU-Ländern. Viele Staaten außerhalb Europas, besonders bei Immobilien, erkennen ein deutsches Testament für das dort befindliche Vermögen nicht an.

Tipp: Für Vermögen in Nicht-EU-Ländern kann ein zusätzliches Testament sinnvoll sein, das speziell für dieses Vermögen gilt. Achten Sie aber darauf, dass sich die verschiedenen Testamente nicht wider­sprechen.

Fall 3: Ausländische Testamente in Deutschland

Ein im vorherigen Wohnort wirksam errichtetes Testament ist grundsätzlich auch in Deutschland gültig. Entscheidend ist, dass Sie die Erbschaft nach ausländischem Erbrecht nachweisen können. Innerhalb der EU hilft hier das Europäische Nachlass­zeugnis[1].

Beachtenswert: Digitale Testamente, die in manchen Ländern wie Nevada oder Indiana in den USA mittlerweile erlaubt sind, können unter bestimmten Bedingungen auch in Deutschland als formwirksam anerkannt werden, obwohl das deutsche Recht selbst keine digitalen Testamente zulässt[2].

Praktische Tipps für internationale Testamente

Um Probleme bei grenz­über­schrei­tenden Erbfällen zu vermeiden, sollten Sie folgende Punkte beachten:

  1. Rechtzeitig Testament errichten: Regeln Sie Ihren Nachlass schriftlich - besonders wichtig bei internationalem Bezug[1].

  2. Rechtswahl treffen: Bestimmen Sie ausdrücklich in Ihrem Testament, welches nationale Recht angewendet werden soll (als Deutsche:r in der Regel deutsches Recht)[1].

  3. Formvorschriften einhalten: Beachten Sie die Form­erfordernisse des jeweiligen Landes. In Deutschland bedeutet das eigen­händige Niederschrift und Unterschrift oder notarielle Beurkundung[4].

  4. Nachlassspaltung vermeiden: Durch die EU-Erb­rechts­verordnung ist innerhalb der EU ein einheitliches Erbrecht möglich; bei Vermögen außerhalb der EU können separate Testamente nötig sein[1].

  5. Fachkundige Beratung einholen: Bei komplexen internationalen Fällen sollten Sie sich von Fach­anwält:innen für Erbrecht mit internationaler Erfahrung beraten lassen[4].

Das Europäische Nachlass­zeugnis - Erben­stellung leicht nachweisen

Ein besonders nützliches Instrument für grenz­über­schreitende Erbfälle innerhalb der EU ist das Europäische Nachlass­zeugnis. Es erleichtert Erb:innen den Nachweis ihrer Rechtsstellung in anderen EU-Mitglied­staaten erheblich[1].

Anders als der deutsche Erbschein, der im Ausland nicht immer anerkannt wird, dient das Europäische Nachlass­zeugnis als einheitlicher Erbnachweis in allen EU-Staaten (außer Dänemark, Irland und Groß­britannien)[1].

Sie können das Europäische Nachlass­zeugnis bei dem Gericht beantragen, wo der:die Erb­lasser:in den gewöhnlichen Aufenthalt hatte[1].

Steuerliche Aspekte bei internationalen Erbfällen

Bei grenz­über­schrei­tenden Erbfällen droht häufig eine Doppel­besteuerung. Als in Deutschland lebende:r Erb:in müssen Sie für den gesamten Nachlass Erbschafts­steuern nach deutschem Recht bezahlen - unabhängig davon, wo sich das Vermögen befindet. Gleichzeitig besteuert oft auch der ausländische Staat den Erbfall nach eigenem Recht[1].

Erleichterung bieten Doppel­besteuerungs­abkommen, die Deutschland allerdings nur mit wenigen Ländern abgeschlossen hat, darunter Schweiz, USA, Griechenland, Dänemark und Frankreich. Mit beliebten Alters­wohn­sitzen wie Spanien existieren derzeit keine derartigen Abkommen[1].

Der digitale Nachlass im internationalen Kontext

Ein besonderes Thema ist der digitale Nachlass - also alle Online-Konten, Social-Media-Profile und digitalen Vermögens­werte. Während digitale Testamente in Deutschland noch nicht formwirksam sind, erlauben einige US-Bundes­staaten wie Nevada und Indiana bereits elektronische Testamente unter bestimmten Voraus­setzungen[2][8].

Wichtig zu wissen: Nach dem Haager Testaments­abkommen kann ein digitales Testament, das nach dem Recht des Errichtungs­ortes formwirksam ist, auch in Deutschland anerkannt werden[2].

Für den digitalen Nachlass empfiehlt es sich, eine separate Vorsorge zu treffen:

  • Liste aller Online-Konten mit Zugangs­daten hinterlegen
  • Vertrauens­person für die digitale Nachlass­verwaltung benennen
  • Wünsche zur Handhabung digitaler Inhalte (Löschung, Archivierung) festhalten[8]

Fazit: Vorausschauende Planung schafft Rechtssicherheit

Bei internationalen Erbfällen können komplexe rechtliche Situationen entstehen. Mit einer voraus­schauenden Planung lassen sich jedoch viele Probleme vermeiden. Die wichtigsten Schritte sind:

  • Testament errichten und Rechtswahl treffen
  • Bei Vermögen in Nicht-EU-Ländern gegebenenfalls separate Regelungen schaffen
  • Steuerliche Aspekte bedenken und fachkundige Beratung einholen

Je früher Sie sich mit diesen Fragen befassen, desto mehr Rechtssicherheit schaffen Sie für sich und Ihre Erb:innen. Gerade bei grenz­über­schreitenden Erbfällen gilt: Gute Planung erspart späteren Ärger und unerwünschte Überraschungen.