Pflichtteil bei Immobilien: Wertermittlung, Auszahlung und Lösungen für Erben
Zusammenfassung
Der Pflichtteil bei Immobilien berechnet sich aus dem halben gesetzlichen Erbteil und wird als Geldanspruch geltend gemacht, basierend auf dem Immobilienwert zum Todeszeitpunkt. Erben können den Pflichtteil durch Stundung, Kredite, Vermietung oder Einigungen erfüllen, ohne die Immobilie verkaufen zu müssen. Eine rechtzeitige Bewertung, offene Kommunikation und fachliche Beratung helfen, Konflikte zu vermeiden.
- Der Pflichtteil und seine gesetzlichen Grundlagen
- Bewertung von Immobilien für den Pflichtteil
- Der Wertermittlungsanspruch des Pflichtteilsberechtigten
- Herausforderungen für Erben: Liquiditätsengpässe durch Pflichtteilsansprüche
- Lösungsmöglichkeiten: Pflichtteil auszahlen ohne Immobilienverkauf
- Immobilienschenkungen zu Lebzeiten und ihre Folgen
- Praktische Hinweise für Erben und Pflichtteilsberechtigte
- Fazit: Pflichtteil bei Immobilien mit Bedacht regeln
Der erbrechtliche Pflichtteil sorgt bei Immobilien oft für Konflikte. Gerade wenn ein Haus oder eine Wohnung den Hauptteil eines Nachlasses bildet, stehen Erben vor der Herausforderung, Pflichtteilsansprüche zu erfüllen, ohne die Immobilie verkaufen zu müssen. Dieser Artikel erklärt, wie der Pflichtteil bei Immobilien berechnet wird, welche Rechte Pflichtteilsberechtigte haben und welche Möglichkeiten Erben haben, wenn sie das geerbte Haus behalten möchten.

Der Pflichtteil und seine gesetzlichen Grundlagen
Wenn Personen durch Testament oder Erbvertrag enterbt wurden, haben sie unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf den Pflichtteil. Dieser steht nahen Angehörigen wie Kindern, Enkelkindern (falls ihre Eltern bereits verstorben sind), Ehegatten und in manchen Fällen auch den Eltern des Erblassers zu. Der Pflichtteil entspricht der Hälfte des gesetzlichen Erbteils und wird als Geldanspruch gegen die Erben geltend gemacht.
Wichtig zu wissen: Pflichtteilsberechtigte haben keinen Anspruch auf die Immobilie selbst, sondern nur auf einen entsprechenden Geldbetrag. Dieser Anspruch richtet sich ausschließlich gegen die Erben, nicht gegen das Nachlassvermögen direkt.
Bewertung von Immobilien für den Pflichtteil
Für die Berechnung des Pflichtteils muss zunächst der Wert des gesamten Nachlasses ermittelt werden. Bei Immobilien gilt das Stichtagsprinzip: Der Verkehrswert am Todestag ist maßgeblich[2][9]. Der Pflichtteilsberechtigte ist wirtschaftlich so zu stellen, als hätte der Erbe den Nachlass sofort, also am Tag des Todes des Erblassers, in Geld umgesetzt[9].
Die Bewertung einer Immobilie erfolgt auf Basis ihres Verkehrswerts, also des Preises, der bei einem Verkauf zum Todeszeitpunkt hätte erzielt werden können[5]. Faktoren wie Lage, Zustand, Größe und aktuelle Marktsituation fließen in diese Bewertung ein.
Der Wertermittlungsanspruch des Pflichtteilsberechtigten
Können sich Erben und Pflichtteilsberechtigte nicht auf einen Wert einigen, hat der Pflichtteilsberechtigte nach § 2314 BGB einen Wertermittlungsanspruch[5][6]. Dies bedeutet:
- Der Erbe muss auf Kosten des Nachlasses ein Sachverständigengutachten in Auftrag geben[5]
- Die Wahl des Sachverständigen liegt beim Erben, der Gutachter muss jedoch unparteiisch sein[6]
- Die Kosten für das Gutachten werden vom Nachlassvermögen getragen[6]
Für die Wertermittlung müssen Erben auch relevante Unterlagen wie Grundbuchauszüge, Grundrisse, Wohnflächenberechnungen oder Mietverträge zur Verfügung stellen[5]. Dies soll dem Pflichtteilsberechtigten ermöglichen, seinen Anspruch korrekt zu berechnen.
Herausforderungen für Erben: Liquiditätsengpässe durch Pflichtteilsansprüche
Erben stehen bei Immobilien vor einem Dilemma: Sie haben das Haus oder die Wohnung geerbt, verfügen aber oft nicht über ausreichend flüssige Mittel, um den Pflichtteil auszuzahlen[7][8]. Dies kann zu einer schwierigen Situation führen, in der Erben gegen ihren Willen zum Verkauf der Immobilie gezwungen sein könnten.
Die gute Nachricht: Erben haben keine automatische Pflicht, den Pflichtteil sofort auszuzahlen. Der Pflichtteilsberechtigte muss seinen Anspruch aktiv geltend machen[7]. Zudem gibt es verschiedene Möglichkeiten, wie Sie als Erbe:in die Auszahlung gestalten können, ohne die Immobilie verkaufen zu müssen.
Lösungsmöglichkeiten: Pflichtteil auszahlen ohne Immobilienverkauf
Wenn Sie als Erbe:in eine Immobilie behalten möchten, aber Pflichtteilsansprüche bedienen müssen, können folgende Optionen hilfreich sein:
Stundung des Pflichtteils
Sie können mit den Pflichtteilsberechtigten über eine Stundung des Anspruchs verhandeln. Dies bedeutet, dass der Anspruch zwar anerkannt, die Auszahlung aber zeitlich aufgeschoben wird[7]. Oft lassen sich Vereinbarungen über Ratenzahlungen oder spätere Einmalzahlungen treffen.
Finanzierung über Kredite oder Hypotheken
Eine weitere Möglichkeit besteht darin, einen Kredit aufzunehmen oder eine Hypothek auf die geerbte Immobilie einzutragen[7]. Die Zinsbelastung sollten Sie dabei sorgfältig kalkulieren, um nicht in finanzielle Schwierigkeiten zu geraten.
Vermietung der Immobilie
Wenn Sie die Immobilie nicht selbst bewohnen möchten, kann die Vermietung eine Lösung sein. Mit den regelmäßigen Mieteinnahmen können Sie den Pflichtteil nach und nach auszahlen oder einen Kredit bedienen[7].
Einigung über Auszahlung in Sachwerten
In manchen Fällen kann auch eine Einigung erreicht werden, wonach anstelle einer Geldzahlung andere Vermögenswerte aus dem Nachlass an die Pflichtteilsberechtigten übertragen werden.
Immobilienschenkungen zu Lebzeiten und ihre Folgen
Viele Menschen verschenken Immobilien bereits zu Lebzeiten, um Nachlassplanungen zu treffen. Hierbei ist Vorsicht geboten, denn solche Schenkungen können zu Pflichtteilsergänzungsansprüchen führen[10].
Verschenkt der Erblasser eine Immobilie innerhalb der letzten zehn Jahre vor seinem Tod, wird der Wert der Immobilie anteilig zum Nachlass hinzugerechnet[5][10]. Je länger die Schenkung zurückliegt, desto geringer ist der anzurechnende Anteil (pro vollendetem Jahr um 10% abnehmend).
Praktische Hinweise für Erben und Pflichtteilsberechtigte
Für Erben:
- Nachlassverzeichnis erstellen: Verschaffen Sie sich frühzeitig einen Überblick über den gesamten Nachlass[8]
- Professionelle Bewertung: Lassen Sie eine Immobilie möglichst früh von neutraler Stelle bewerten
- Kommunikation mit Berechtigten: Offene Gespräche können teure Rechtsstreitigkeiten vermeiden
- Rechtzeitige Beratung: Ziehen Sie bei komplexen Fällen eine:n Fachanwält:in für Erbrecht hinzu
Für Pflichtteilsberechtigte:
- Ansprüche geltend machen: Der Pflichtteil muss aktiv eingefordert werden - dies sollte schriftlich geschehen
- Wertermittlung prüfen: Bei Zweifel am angegebenen Immobilienwert können Sie ein Gutachten verlangen
- Schenkungen recherchieren: Prüfen Sie, ob der Erblasser zu Lebzeiten relevante Schenkungen getätigt hat
Fazit: Pflichtteil bei Immobilien mit Bedacht regeln
Die Auseinandersetzung mit Pflichtteilsansprüchen bei Immobilien erfordert von allen Beteiligten Fingerspitzengefühl. Für Erben steht oft der Erhalt eines Familienhauses im Vordergrund, während Pflichtteilsberechtigte auf ihren gesetzlichen Anspruch pochen. Mit guter Planung, offener Kommunikation und rechtzeitiger fachlicher Beratung lassen sich jedoch meist Lösungen finden, die alle Interessen berücksichtigen.
Denken Sie daran, dass der Wert einer Immobilie zum Todeszeitpunkt maßgeblich ist und Pflichtteilsberechtigte einen Anspruch auf ein Sachverständigengutachten haben. Erben sollten sich frühzeitig mit Möglichkeiten zur Finanzierung des Pflichtteils befassen, wenn sie die geerbte Immobilie behalten möchten.