Pflichtteil & Immobilien: So wird die Immobilie bewertet

Patientenverfügung.digital

erstellt am:

2022-08-06

letzte Änderung:

2023-01-09

Wenn ein naher Angehöriger enterbt wird, stehen ihm Pflichtteilsansprüche zu. Doch wie wird der Pflichtteilsanspruch berechnet, wenn Immobilien zum Nachlass gehören? Das und mehr erfahren Sie in diesem Artikel.

Pflichtteilsanspruch kurz erklärt

Ohne Testament greift in Deutschland die gesetzliche Erbfolge. Wer zur gesetzlichen Erbfolge gehört und enterbt wird, hat demnach Anspruch auf einen Pflichtteil – dieser beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Wichtig dabei: Der Berechtigte ist kein Teil der Erbengemeinschaft, sondern hat Anspruch auf Geldzahlung der Erben. Demnach muss der Pflichtteilsberechtigte vor der Antragstellung auch wissen, wie hoch der Wert des Nachlasses ist.

Was ist das „Problem“ bei Immobilien im Nachlass?

Ob Haus, Eigentumswohnung oder Grundstück: Bei vererbten Immobilien kommt es unter Erben und Pflichtteilsberechtigten häufig zu Streitigkeiten. Denn: Der Wert einer Immobilie muss erst einmal klar definiert werden. Die meisten Menschen können den Wert einer Immobilie kaum bewerten und höchstens ungefähr schätzen – zum Beispiel durch einen Vergleich mit ähnlichen Objekten im Internet oder gemäß den Bodenrichtwerten. Eine Immobilie selbst zu bewerten ist allerdings nur sinnvoll, wenn sich alle Erben und Pflichtteilsberechtigte über den Wert der Immobilie einig sind. In der Praxis ist das selten der Fall, weil Erben und Pflichtteilsberechtigte häufig verschiedene Vorstellungen vom Immobilienwert haben.

Wie vermeide ich einen Pflichtteilsstreit trotz Immobilien im Nachlass?

Es gibt nur eine zuverlässige Lösung: Ein Gutachten von einem Sachverständigen. Gemäß § 2314 Abs. 2 BGB sind die Kosten für ein Gutachten aus dem Erbe zu entrichten. Der Pflichtteilsberechtigte kann das Gutachten von den Erben verlangen.

Wichtig: Laut § 2311 Absatz 1 Satz 1 BGB ist der Stichtag für die Wertermittlung der Tag des Erbfalls. Eine Wertsteigerung oder ein Wertverlust nach dem Erbfall spielt für den Pflichtteilsberechtigten demnach keine Rolle.

Wie bewertet ein Gutachter Immobilien?

Es gibt 3 grundlegende Bewertungsmethoden für Immobilien – je nachdem, ob es sich um ein selbstgenutztes Haus, ein vermietetes Objekt, eine Eigentumswohnung oder ein Mehrparteienhaus handelt. Alle Bewertungsmethoden ermitteln den Verkehrswert der Immobilie.

01. Vergleichswertverfahren

Das Vergleichswertverfahren ist gemäß § 15 ImmoWertV eine Methode, um den Wert von Grundstücken und selbstgenutzten Immobilien zu ermitteln. Beim Verfahren wird die Immobilie mit anderen Objekten verglichen, die ähnliche Merkmale haben – vor allem bezüglich Lage, Größe und Zustand. Das Vergleichswertverfahren basiert dabei immer auf den Werten realer Verkäufe und bietet deshalb einen präzisen Anhaltspunkt für die Wertermittlung einer Immobilie.

02. Ertragswertverfahren

Mit dem Ertragswertverfahren berechnet man die Erträge aus Pacht- und Mieteinnahmen einer Immobilie – und leitet daraus anschließend den Verkehrswert oder den erzielbaren Beleihungswert der Immobilie ab. Das Ertragswertverfahren kommt vor allem bei Miet- und Geschäftsgrundstücken und gemischt genutzten Grundstück zum Einsatz.

  • Mietwohngrundstücke dienen den Wohnzwecken zu mehr als 80 Prozent.
  • Geschäftsgrundstücke dienen gewerblichen, freiberuflichen oder öffentlichen Zwecken zu mehr als 80 Prozent.
  • Gemischt genutzte Grundstücke sind laut § 181 des Bewertungsgesetzes „Grundstücke, die teils Wohnzwecken, teils eigenen oder fremden betrieblichen oder öffentlichen Zwecken dienen und nicht Ein- und Zweifamilienhäuser, Mietwohngrundstücke, Wohnungseigentum, Teileigentum oder Geschäftsgrundstücke sind.“

Wichtig: Bei selbstgenutzten Immobilien kommt das Ertragswertverfahren nicht zum Einsatz. Hier sind Sachwert- oder Vergleichswertverfahren die richtige Wahl.

03. Sachwertverfahren

Das Sachwertverfahren eignet sich für alleinstehende Häuser und Immobilien ohne passende Vergleichsobjekte (zum Beispiel in ländlicheren Gegenden), Industrie-/Gewerbeimmobilien, denkmalgeschützte Immobilien und Infrastruktur-Objekte wie Bahnhöfe. Wie der Name vermuten lässt, wird hier der Sachwert ermittelt – dieser setzt sich aus Bodenwert (häufig per Vergleichswertverfahren ermittelt) und Wert der baulichen Anlagen auf dem Grundstück zusammen. Zu den baulichen Anlagen gehören zum Beispiel die Gebäude, bauliche Außenanlagen, Betriebseinrichtungen, Gartenanlagen, Parks und sonstige Anpflanzungen auf dem Grundstück.

Was, wenn der Nachlass vor allem aus Immobilien besteht?

Wenn der Erbnachlass vor allem oder ausschließlich aus Immobilien besteht und es einen Pflichtteilsanspruch gibt, könnten Erben vor einer kniffligen Situation stehen. Denn ein Pflichtteil wird immer durch Geldzahlung beglichen – häufig haben Erben dafür aber nicht genügend Geldmittel.

Beachten Sie dann folgende Punkte:

  • Wenn eine Immobilie vermietet wird und Erträge erwirtschaftet, könnte man diese Erträge unter Umständen zur Begleichung des Pflichtteils nutzen. Bei selbst genutzten Immobilien ist das natürlich nicht möglich.

  • Pflichtteilsansprüche sind sofort fällig. Bei Immobilien im Nachlass können Sie aber versuchen, die Geldzahlung mit einer Stundung hinauszuschieben. Laut § 2331a BGB ist eine Stundung möglich, „wenn die sofortige Erfüllung des gesamten Anspruchs wegen der Art der Nachlassgegenstände eine unbillige Härte wäre“.

  • Eine Stundung ist vor allem möglich, wenn Erben zur Erfüllung des Pflichtteilsanspruches das Familienheim aufgeben müssten.

  • Wer einen Stundungsantrag stellen möchte, tut das beim Nachlassgericht. Das Gericht wägt dann die Interessen von Erbe und Pflichtteilsberechtigten ab und entscheidet, was man beiden Parteien zumuten kann. Bevor Sie diesen Weg gehen, sollten Sie aber versuchen, eine außergerichtliche Vereinbarung zu treffen. Ein Rechtsanwalt kann dabei helfen.

Schlusswort

Das war unser Artikel zur Immobilienbewertung bei Pflichtteilsansprüchen. Wer ein Testament verfasst, um der gesetzlichen Erbfolge zu widersprechen und Immobilien vererbt, kommt um ein professionelles Gutachten selten herum. Lassen Sie sich dazu am besten fachkundig beraten.

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