Pflegebedürftigkeit in Deutschland: Fakten, Zahlen und Entwicklungen
Zusammenfassung
- Anzahl der Pflegebedürftigen (2023): 5,7 Millionen Menschen.
- Anstieg seit 2021: +700.000 Pflegebedürftige.
- Pflegequote (2023): 6,7% der Gesamtbevölkerung.
- Jährlicher Zuwachs seit 2017: +326.000 Personen pro Jahr (2023: +361.000).
- Häusliche Pflege (2023): 86% der Pflegebedürftigen (4,9 Millionen Menschen).
- Pflege durch Angehörige: 3,1 Millionen Menschen.
- Ambulante Pflegedienste: 1,1 Millionen Menschen.
- Pflegeheime (vollstationär): 14% der Pflegebedürftigen (800.000 Personen).
- Pflegebedürftigkeit nach Alter:
- 70-74 Jahre: ca. 11% pflegebedürftig.
- Über 90 Jahre: ca. 87% pflegebedürftig.
- Pflegebedürftigkeit nach Geschlecht:
- Frauen häufiger betroffen als Männer.
- Über 90 Jahre: Frauen (80,9%), Männer (63,9%).
- Prognosen zur Pflegebedürftigkeit:
- 2025: bis zu 5,48 Millionen.
- 2030: bis zu 5,75 Millionen.
- 2050: bis zu 7,25 Millionen.
- Fachkräftemangel in der Pflege:
- Bis zu 690.000 fehlende Pflegekräfte bis zum Jahr 2049.
Die Pflegebedürftigkeit stellt eine der größten sozialen Herausforderungen unserer Zeit dar. Ende 2023 waren knapp 5,7 Millionen Menschen in Deutschland auf Pflege angewiesen. Diese Zahl verdeutlicht, wie viele Familien direkt oder indirekt mit dem Thema konfrontiert sind. Der folgende Artikel gibt Ihnen einen fundierten Überblick über die aktuelle Situation, demografische Faktoren und zukünftige Entwicklungen im Bereich der Pflegebedürftigkeit.

Aktuelle Zahlen zur Pflegebedürftigkeit
Ende 2023 waren knapp 5,7 Millionen Menschen in Deutschland pflegebedürftig. Seit Dezember 2021 ist die Anzahl der Pflegebedürftigen um mehr als 700.000 Personen gestiegen[1]. Diese Zunahme fällt deutlich stärker aus als ursprünglich erwartet. Das Statistische Bundesamt ging zunächst davon aus, dass im Zeitraum von 2021 bis 2023 die Zahl der Pflegebedürftigen nur um rund 100.000 zunehmen würde[1].
Bemerkenswert ist die historische Entwicklung: Die Anzahl der Pflegebedürftigen hat sich seit der Jahrtausendwende nahezu verdreifacht. Im Dezember 1999 gab es 2,02 Millionen Pflegebedürftige, im Dezember 2009 waren es 2,34 Millionen, und Ende 2019 stieg die Zahl bereits auf 4,13 Millionen[13]. Die Pflegequote, also der Anteil der Pflegebedürftigen an der Gesamtbevölkerung, ist von 2,5% im Jahr 2001 auf 6,7% im Jahr 2023 angestiegen[10].
Jährliche Zunahme der Pflegebedürftigkeit: Seit Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs im Jahr 2017 steigt die Anzahl der Pflegebedürftigen durchschnittlich um rund 326.000 Personen pro Jahr. Allein im Jahr 2023 gab es einen überdurchschnittlichen Zuwachs um 361.000 Pflegebedürftige[11].
Pflege nach Art der Versorgung
Die überwiegende Mehrheit der Pflegebedürftigen wird zu Hause betreut. Knapp neun von zehn Pflegebedürftigen (86% oder 4,9 Millionen Menschen) wurden im Dezember 2023 in der häuslichen Umgebung versorgt[1][5][13].
Die häusliche Pflege gliedert sich dabei in zwei Hauptgruppen:
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Pflege durch Angehörige: 3,1 Millionen Pflegebedürftige beziehen ausschließlich Pflegegeld und werden überwiegend durch Angehörige gepflegt[1][5].
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Ambulante Pflege: 1,1 Millionen Pflegebedürftige leben ebenfalls in Privathaushalten und werden teilweise oder vollständig durch ambulante Pflege- und Betreuungsdienste versorgt[1].
Lediglich 14% der Pflegebedürftigen (rund 800.000 Personen) werden in Pflegeheimen vollstationär betreut[13]. Diese Verteilung zeigt einen deutlichen Trend zur häuslichen Pflege.
Veränderung der Versorgungsstruktur: Die Verhältnisse in der Versorgung haben sich in den letzten Jahren stark verändert. Der Anteil der durch ambulante Pflegedienste und vollstationär in Heimen versorgten Pflegebedürftigen ist von 37% im Jahr 2021 auf 33% im Jahr 2023 gesunken[5]. Die Heimquote hat sich gegenüber 2021 von 16% auf 14% reduziert, während sie in den Jahren 2007 und 2009 noch bei über 30% lag[5].
Pflegebedürftigkeit nach demografischen Faktoren
Alter
Das Risiko, pflegebedürftig zu werden, steigt mit zunehmendem Alter deutlich an. Bei den 70- bis 74-Jährigen waren rund 11% pflegebedürftig, während bei den über 90-Jährigen die höchste Pflegequote mit 87% ermittelt wurde[13]. Diese Zahlen verdeutlichen den starken Zusammenhang zwischen Alter und Pflegebedürftigkeit.
Geschlecht
Frauen sind häufiger pflegebedürftig als Männer. Dies liegt nicht nur an der höheren Lebenserwartung von Frauen, sondern auch an der höheren Pflegequote in den jeweiligen Altersgruppen[4].
In der Altersgruppe der 85- bis 90-Jährigen waren 55,1% der Frauen pflegebedürftig, hingegen “nur” 39,6% der Männer. Bei den Personen im Alter von 90 Jahren und mehr überstieg die Pflegebedürftigkeit unter den Frauen mit 80,9% die der Männer mit 63,9% deutlich[4].
Gender Care Gap in der Pflege: In Deutschland liegt der Gender Care Gap bei 133 Prozent - Frauen pflegen also etwas mehr als doppelt so häufig ihre Angehörigen wie Männer[6]. Zwei Drittel der pflegenden Personen sind Frauen[8]. 67% der pflegenden Frauen fühlen sich stark oder sehr stark psychisch belastet und 46% stark oder sehr stark körperlich belastet[8].
Sozioökonomische Faktoren
Pflegebedürftigkeit steht in engem Zusammenhang mit der sozialen Lage. Bei Personen mit niedrigem sozioökonomischem Status sind die Belastungen häufig besonders hoch und die Ressourcen zum gesundheitsgerechten Umgang mit diesen Belastungen oft geringer[4].
Langfristige Trends und Prognosen
Die Zahl der Pflegebedürftigen wird in den kommenden Jahren und Jahrzehnten weiter ansteigen. Prognosen des Wissenschaftlichen Instituts der PKV (WIP) gehen von folgenden Entwicklungen aus:
- 2025: bis zu 5,48 Millionen Pflegebedürftige
- 2030: bis zu 5,75 Millionen Pflegebedürftige
- 2050: bis zu 7,25 Millionen Pflegebedürftige
- 2070: bis zu 7,48 Millionen Pflegebedürftige[2]
Diese Prognosen liegen deutlich höher als frühere Vorausberechnungen. So erwartete das Gesundheitsministerium (2014) für das Jahr 2030 rund 3,3 Millionen Pflegebedürftige, und die „Pflege 2030"-Studie der Bertelsmann Stiftung hatte 3,4 Millionen Pflegebedürftige für 2030 geschätzt[2].
Aktuelle und zukünftige Herausforderungen
Fachkräftemangel in der Pflege
Trotz eines Anstiegs der Pflegekräfte um 365.000 Mitarbeiter:innen im Zeitraum 2009-2023 bleibt der Fachkräftemangel eine ernste Herausforderung. Je nach Szenario wird eine Fachkraftlücke zwischen 280.000 und 690.000 Pflegekräften bis zum Jahr 2049 befürchtet[5][6]. Besonders in ländlichen Regionen ist der Personalmangel gravierend.
Demografischer Wandel
Mit dem Ausscheiden der 13 Millionen “Babyboomer” aus dem aktiven Arbeitsleben bis 2030/2035 steht Deutschland vor einem massiven Problem bei der Versorgung dieser bevölkerungsstarken und älter werdenden Generation[15]. Gleichzeitig breitet sich der Fachkräftemangel aus, der auch die professionelle Pflege betrifft.
Veränderung der familiären Strukturen
Die steigende berufliche und private Mobilität, veränderte Familien- und Haushaltsstrukturen sowie die zunehmende Frauenerwerbsquote führen perspektivisch zur Erosion des Pflegepotenzials durch Angehörige[15]. Der Anteil an Singlehaushalten steigt seit den 1990er-Jahren in Deutschland kontinuierlich (1991: 11,9 Mio., 2000: 13,8 Mio. und 2016: 16,8 Mio.)[15].
Finanzielle Belastungen
Die wachsende Zahl der Pflegebedürftigen erhöht den finanziellen Druck auf die Pflegeversicherung[2]. Die Private Pflegeversicherung hat für die Folgen der Alterung bereits 47 Milliarden Euro kapitalgedeckte Demografie-Reserve angespart[2].
Seit dem 1. Januar 2020 sind Kinder ihren Eltern erst ab einem Jahresbruttoeinkommen von mehr als 100.000 Euro zum Unterhalt verpflichtet[14]. Wenn bei den Eltern das Geld für die Pflege im Alter nicht reicht und die Kinder nicht unterhaltspflichtig sind, übernimmt der Staat die Kosten in Form von Sozialhilfe.
Unterstützungsmöglichkeiten für Betroffene und Angehörige
Vereinbarkeit von Pflege und Beruf
Für viele pflegende Angehörige stellt die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf eine große Herausforderung dar. Eine typische pflegende Person ist 61 Jahre alt, hat zwei erwachsene Kinder und ist nicht berufstätig[8]. Die Hälfte der pflegenden Frauen pflegt bereits länger als drei Jahre, und 9% tun dies sogar länger als zehn Jahre[8].
Beratungs- und Unterstützungsangebote: Pflegende Angehörige haben Anspruch auf verschiedene Unterstützungsleistungen wie Pflegeberatung, Pflegekurse und Entlastungsangebote. Diese helfen, die Belastungen zu reduzieren und die Qualität der häuslichen Pflege zu verbessern.
Vereinbarkeit von Ausbildung, Studium und Pflegebedürftigkeit
Über 20% der Menschen, die Unterstützung durch die Pflegeversicherung erhalten, sind noch nicht im Rentenalter[7]. Pflegebedürftigkeit steht einer Ausbildung oder Berufstätigkeit nicht zwangsläufig im Wege. Es stehen verschiedene Leistungen der Pflegeversicherung und Teilhabe-Leistungen zur Verfügung, um die Teilhabe an Bildung und Beruf zu ermöglichen[7].
Ausblick und Handlungsfelder
Die steigende Zahl der Pflegebedürftigen und die sich verändernden gesellschaftlichen Strukturen erfordern tiefgreifende Anpassungen im Pflegesystem. Folgende Handlungsfelder sind besonders wichtig:
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Ausbau der professionellen Pflegeinfrastruktur: Um den wachsenden Bedarf zu decken, müssen mehr Pflegefachkräfte ausgebildet und die Arbeitsbedingungen in der Pflege verbessert werden.
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Stärkere Unterstützung pflegender Angehöriger: Da der Großteil der Pflege durch Angehörige erfolgt, sind bessere Unterstützungsangebote und eine verbesserte Vereinbarkeit von Pflege und Beruf notwendig.
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Prävention von Pflegebedürftigkeit: Eine verbesserte Prävention, die sich vor allem auf die Verminderung sozial bedingter Ungleichheit von Gesundheitschancen richtet, könnte den Pflegebedarf mittel- und langfristig erheblich senken[4].
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Weiterentwicklung der Pflegeversicherung: Um die langfristige Finanzierbarkeit zu sichern, sind Reformen in der Pflegeversicherung notwendig. Der wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz spricht sich in seinem Gutachten zur „nachhaltigen Finanzierung von Pflegeleistungen" sogar für eine verpflichtende Pflege-Zusatzversicherung aus[2].
Die Pflegebedürftigkeit bleibt eine der größten sozialen Herausforderungen unserer Zeit. Mit dem weiteren Anstieg der Pflegebedürftigen in den kommenden Jahren und Jahrzehnten sind alle gesellschaftlichen Akteure gefordert, gemeinsam Lösungen zu entwickeln und umzusetzen.