Patientenverfügung: Warum persönliche Wertvorstellungen unverzichtbar sind
Zusammenfassung
Die Aufnahme persönlicher Wertvorstellungen in eine Patientenverfügung ergänzt konkrete medizinische Anweisungen und bietet Orientierung bei unvorhersehbaren Situationen. Sie hilft Ärzt:innen und Angehörigen, Entscheidungen im Sinne des mutmaßlichen Willens zu treffen, indem sie Ihre Lebenseinstellungen, Prioritäten und Wünsche klar darlegt. Regelmäßige Überprüfung und Gespräche mit Angehörigen sorgen dafür, dass Ihre Werte stets aktuell und nachvollziehbar bleiben.
Für schwierige medizinische Entscheidungen braucht es mehr als nur konkrete Anweisungen. Die Aufnahme persönlicher Wertvorstellungen in eine Patientenverfügung kann entscheidend sein, wenn es darum geht, Ihren Willen zu respektieren, selbst in Situationen, die nicht explizit in Ihrem Dokument behandelt werden. In diesem Artikel erfahren Sie, weshalb die Dokumentation Ihrer Wertvorstellungen so bedeutsam ist und wie Sie diese am besten formulieren können.

Die Grenzen konkreter Festlegungen in der Patientenverfügung
Selbst die detaillierteste Patientenverfügung kann nicht jede mögliche medizinische Situation voraussehen. Obwohl konkrete Anweisungen zu Maßnahmen wie künstlicher Beatmung, Ernährung oder Wiederbelebung notwendig sind, bleiben immer Grauzonen und unvorhersehbare Szenarien. Genau hier wird der Mehrwert persönlicher Wertvorstellungen deutlich[5].
In der Praxis müssen Ärzt:innen, Pflegefachpersonen und rechtliche Betreuer:innen oft medizinische Entscheidungen treffen, wenn die Patientenverfügung die aktuelle Situation nicht exakt abdeckt. In solchen Fällen orientieren sie sich am mutmaßlichen Willen der betroffenen Person - und Ihre dokumentierten Wertvorstellungen bieten hierfür eine fundierte Grundlage[3][10].
Rechtliche Verankerung von Wertvorstellungen
Die Bedeutung persönlicher Wertvorstellungen ist nicht nur eine ethische Frage, sondern auch rechtlich verankert. In § 1827 BGB heißt es eindeutig:
“Der mutmaßliche Wille ist aufgrund konkreter Anhaltspunkte zu ermitteln. Zu berücksichtigen sind insbesondere frühere Äußerungen, ethische oder religiöse Überzeugungen und sonstige persönliche Wertvorstellungen des Betreuten.”[3]
Diese gesetzliche Grundlage unterstreicht, wie wichtig die Dokumentation Ihrer Werte und Überzeugungen ist, damit im Zweifel Entscheidungen getroffen werden können, die Ihren persönlichen Vorstellungen entsprechen[3].
Wie Wertvorstellungen in der Praxis helfen
Denken Sie an folgende Situation: Eine 78-jährige Patientin erleidet einen schweren Schlaganfall mit unklarer Prognose. Ihre Patientenverfügung enthält Anweisungen für den Fall einer irreversiblen Hirnschädigung, aber nicht für die aktuelle Situation mit ungewissem Verlauf. Die Ärzt:innen müssen entscheiden, ob invasive Maßnahmen eingeleitet werden sollen.
Wenn die Patientin in ihrer Patientenverfügung neben konkreten Anweisungen auch ihre Wertvorstellungen festgehalten hat - etwa dass sie Lebensqualität über Lebenslänge stellt und keine langfristige Abhängigkeit von medizinischen Geräten wünscht - gibt dies dem Behandlungsteam eine klare Orientierung[10].
Die Dokumentation Ihrer Werte bietet:
- Eine Interpretationshilfe bei nicht eindeutigen Situationen
- Mehr Sicherheit für Ihre Angehörigen bei schwierigen Entscheidungen
- Einen persönlichen Kontext für medizinische Fachkräfte, die Sie nicht kennen
- Eine breitere Grundlage für Entscheidungen im Sinne Ihres mutmaßlichen Willens[10]
Ihre Wertvorstellungen formulieren: Praktische Anleitung
Das Festhalten Ihrer Wertvorstellungen erfordert keine juristischen Kenntnisse, sondern vor allem Selbstreflexion. Es geht darum, Ihre Lebenseinstellung, Prioritäten und Grenzen zu reflektieren und verständlich auszudrücken[10].
Lebenseinstellung und Alltag
Beginnen Sie mit Fragen zu Ihren grundlegenden Einstellungen zum Leben:
- Was macht Ihr Leben lebenswert? Welche Aktivitäten sind für Sie besonders erfüllend?
- Wie wichtig ist Ihnen Selbstständigkeit im Alltag?
- Welchen Stellenwert haben soziale Kontakte und Kommunikation für Sie?
- Gibt es unerfüllte Wünsche oder Ziele, die Sie noch erreichen möchten?[10]
Gesundheit und Krankheit
Reflektieren Sie Ihre Haltung zu gesundheitlichen Einschränkungen:
- Wie haben Sie bisher mit Krankheiten und Einschränkungen umgehen können?
- Welche körperlichen oder geistigen Einschränkungen wären für Sie besonders schwer zu akzeptieren?
- Wie stehen Sie zu einer dauerhaften Abhängigkeit von medizinischen Geräten oder Pflege?[10]
Lebensende und Sterben
Auch wenn diese Fragen schwierig sind, helfen Ihre Antworten dem Behandlungsteam und Ihren Angehörigen enorm:
- Welche Vorstellungen haben Sie vom Sterben? Was wäre für Sie ein “gutes Sterben”?
- Wie wichtig sind Ihnen Schmerzfreiheit, Bewusstsein oder die Anwesenheit vertrauter Personen?
- Welche Rolle spielen spirituelle oder religiöse Überzeugungen für Sie am Lebensende?[10]
Persönliche Formulierungshilfen
Ihre Wertvorstellungen sollten in Ihrer eigenen Sprache verfasst sein. Hier sind einige Formulierungsbeispiele zur Anregung:
“Für mich ist ein selbstbestimmtes Leben von großer Bedeutung. Sollte ich dauerhaft nicht mehr in der Lage sein, eigenständig zu essen, mich zu waschen oder meine Gedanken mitzuteilen, entspricht eine Lebensverlängerung nicht meinem Willen.”
“Mein Glaube gibt mir Kraft und Zuversicht. Im Sterbeprozess ist mir spiritueller Beistand genauso wichtig wie eine gute medizinische Versorgung. Ich wünsche mir, dass religiöse Rituale respektiert werden.”
“Ich habe mein Leben lang aktiv Sport getrieben und Natur erlebt. Ein Leben mit schwerwiegenden körperlichen Einschränkungen, die mir diese Aktivitäten unmöglich machen, erscheint mir nicht lebenswert. Lebensqualität bedeutet für mich mehr als bloße Lebensverlängerung.”[10]
Mit Angehörigen über Wertvorstellungen sprechen
Die Aufnahme von Wertvorstellungen in Ihre Patientenverfügung sollte idealerweise mit Gesprächen mit Ihren nächsten Angehörigen und insbesondere mit Ihrer bevollmächtigten Person einhergehen. Diese Gespräche können zunächst herausfordernd sein, sorgen jedoch für Klarheit und Sicherheit.
Tipps für das Gespräch:
- Wählen Sie einen ruhigen Moment ohne Zeitdruck
- Erklären Sie, dass diese Gespräche für Sie eine Entlastung bedeuten
- Nehmen Sie konkrete Beispiele aus dem Bekanntenkreis oder aktuelle Ereignisse als Gesprächseinstieg
- Fragen Sie auch nach den Vorstellungen Ihrer Angehörigen
- Dokumentieren Sie wichtige Erkenntnisse aus diesen Gesprächen
Zusammenwirkung mit anderen Vorsorgedokumenten
Ihre dokumentierten Wertvorstellungen verstärken nicht nur Ihre Patientenverfügung, sondern bieten auch wertvolle Orientierung für Ihre Vorsorgebevollmächtigten. Für eine umfassende Vorsorge ist die Kombination aus Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht und dokumentierten Wertvorstellungen der beste Weg[2][5].
Während die Patientenverfügung konkrete medizinische Anweisungen enthält, bilden Ihre Wertvorstellungen den ethischen Kompass für alle Entscheidungen in nicht eindeutig geregelten Situationen[10].
Regelmäßige Überprüfung Ihrer Werte
Unsere Überzeugungen und Prioritäten können sich im Laufe des Lebens verändern. Prüfen Sie Ihre dokumentierten Wertvorstellungen regelmäßig - besonders nach einschneidenden Lebensereignissen wie schweren Erkrankungen, dem Verlust nahestehender Personen oder bei wesentlichen Veränderungen Ihrer Lebensumstände[2][3].
Eine Patientenverfügung mit aktuellen Wertvorstellungen ist ein lebendiges Dokument, das Ihre gegenwärtigen Überzeugungen widerspiegeln sollte. Nehmen Sie sich jährlich Zeit, um zu überprüfen, ob Ihre festgehaltenen Werte noch Ihren aktuellen Überzeugungen entsprechen.
Ihre Wertvorstellungen: Der Schlüssel zu einer wirksamen Patientenverfügung
Die Aufnahme Ihrer persönlichen Wertvorstellungen in Ihre Patientenverfügung ist kein optionaler Zusatz, sondern ein wesentlicher Bestandteil einer durchdachten Vorsorge. Sie geben Ihren Angehörigen und dem medizinischen Personal einen tieferen Einblick in Ihre Persönlichkeit und Ihre Wünsche - gerade dann, wenn Sie sich selbst nicht mehr äußern können[10].
In einer Zeit, in der medizinische Möglichkeiten immer vielfältiger werden, sichern Ihre dokumentierten Wertvorstellungen ab, dass Entscheidungen nicht nur medizinisch korrekt, sondern auch in Ihrem Sinne getroffen werden. Nehmen Sie sich die Zeit für diesen wichtigen Schritt - für Ihre Selbstbestimmung und zur Entlastung Ihrer Angehörigen.