Patien­ten­ver­fü­gung im Not­fall: Die Rolle von Ret­tungs­diens­ten und medi­zi­ni­schem Per­so­nal

Zusammenfassung

Eine Patientenverfügung ist ein wichtiges Dokument, um den eigenen Behandlungswillen auch in Notsituationen zu wahren, wenn man selbst nicht mehr entscheiden kann. Damit sie im Notfall beachtet wird, sollte sie klar formuliert, leicht auffindbar und regelmäßig aktualisiert sein. Ergänzende Dokumente wie eine spezielle Notfall-Patientenverfügung oder hausärztliche Anordnungen können helfen, Unsicherheiten für Rettungsdienste und medizinisches Personal zu reduzieren.

Im Not­fall zählt jede Minute. Wer in einer solchen Situa­tion nicht mehr selbst ent­schei­den kann, ist darauf ange­wie­sen, dass seine vor­ab fest­ge­leg­ten Wünsche respek­tiert werden. Ob Wieder­be­le­bungs­maß­nah­men, künst­liche Ernäh­rung oder Beat­mung: Eine Patien­ten­ver­fü­gung gibt Ret­tungs­dienst­kräf­ten und medi­zi­ni­schem Per­so­nal wich­tige Infor­ma­tio­nen über Ihre per­sön­li­chen Behand­lungs­wün­sche. Nur so können nicht geschäfts­fä­hige Per­so­nen Selbst­be­stim­mung bewahren, wenn sie ihre Wünsche nicht mehr selbst äußern können.

Sanitäter versorgt verletzte Person bei Nacht, im Hintergrund Rettungswagen und verschwommene Lichter.

Recht­liche Grund­la­gen der Patien­ten­ver­fü­gung

Die gesetz­liche Grund­lage der Patien­ten­ver­fü­gung in Deutsch­land ist in § 1827 BGB ver­an­kert. Dieser Para­graph regelt die Vor­aus­set­zun­gen, unter denen eine Patien­ten­ver­fü­gung wirk­sam ist.

Für eine rechts­wirk­same Patien­ten­ver­fü­gung müssen einige grund­le­gende Bedin­gun­gen erfüllt sein:

Vor­aus­set­zun­gen für die Gül­tig­keit

Voll­jäh­rig­keit und Ein­wil­li­gungs­fä­hig­keit: Sie müssen min­des­tens 18 Jahre alt und ein­wil­li­gungs­fä­hig sein, wenn Sie die Patien­ten­ver­fü­gung erstellen[3].

Schrift­liche Form: Die Patien­ten­ver­fü­gung muss schrift­lich vor­lie­gen und Ihre Urhe­ber­schaft muss klar ersicht­lich sein[11].

Kon­krete Anwei­sun­gen: All­ge­meine For­mu­lie­run­gen wie “ich wünsche keine lebens­er­hal­ten­den Maß­nah­men” reichen nicht aus. Statt­des­sen sollten Sie kon­krete Hand­lungs­an­wei­sun­gen fest­le­gen[11].

Aktua­li­tät: Recht­spre­chun­gen emp­feh­len, die Patien­ten­ver­fü­gung min­des­tens ein­mal jähr­lich zu über­prü­fen und mit Datum und Unter­schrift zu bestä­ti­gen[11].

Der Ret­tungs­dienst und die Patien­ten­ver­fü­gung: Eine Heraus­for­de­rung

Ret­tungs­dienst­kräfte stehen im Not­fall vor der schwie­ri­gen Auf­gabe, schnell ent­schei­den zu müssen und gleich­zei­tig den Patien­ten­wil­len zu respek­tie­ren. Die Patien­ten­ver­fü­gung wurde ursprüng­lich nicht für den Not­fall­ein­satz kon­zi­piert, was beson­dere Heraus­for­de­run­gen mit sich bringt[11].

Grund­sätz­liche Pro­bleme im Ret­tungs­dienst-Ein­satz

Zeit­druck versus Sorg­falts­pflicht: Im Not­fall bleibt kaum Zeit, eine Patien­ten­ver­fü­gung gründ­lich zu prüfen[11].

Unvoll­stän­dige Infor­ma­tio­nen: Oft ist unklar, ob der aktu­elle Not­fall genau dem in der Patien­ten­ver­fü­gung beschrie­be­nen Fall ent­spricht[11].

Rechts­un­si­cher­heit: Ret­tungs­dienst­mit­ar­bei­tende müssen im Zwei­fel lebens­ret­tende Maß­nah­men ein­lei­ten, bis die Situa­tion ein­deu­tig geklärt ist[11].

Prak­ti­sches Vor­ge­hen der Ret­tungs­dienst­kräfte

Wenn Ret­tungs­dienst­kräfte zu einem Not­fall gerufen werden, gehen sie in der Regel wie folgt vor:

Suche nach der Patien­ten­ver­fü­gung: Sie prüfen, ob Hin­weise auf eine Patien­ten­ver­fü­gung vor­han­den sind - etwa durch Not­fall­arm­bän­der, Anhän­ger oder Auf­kle­ber auf der Gesund­heits­karte.

Erst­ver­sor­gung: Bis zur Klä­rung des Patien­ten­wil­lens werden lebens­ret­tende Maß­nah­men ein­ge­lei­tet[11].

Über­gabe an den Not­arzt: Sobald der Not­arzt ein­trifft, über­gibt der Ret­tungs­dienst die Infor­ma­tio­nen zur Patien­ten­ver­fü­gung. Der Not­arzt ent­schei­det dann über das wei­tere Vor­ge­hen[11].

Wei­ter­gabe der Infor­ma­tio­nen: Bei einem Trans­port ins Kran­ken­haus infor­mie­ren die Ret­tungs­dienst­kräfte das Kran­ken­haus über das Vor­han­den­sein einer Patien­ten­ver­fü­gung.

Spe­zi­elle Vor­sorge­do­ku­mente für den Not­fall

Da die klas­si­sche Patien­ten­ver­fü­gung im Not­fall oft an ihre Gren­zen stößt, wurden spe­zi­elle For­mu­lare für den Not­fall ent­wi­ckelt:

Haus­ärzt­liche Anord­nung für den Not­fall (HAnNo): Dieses Doku­ment ist spe­zi­ell für Not­fall­si­tua­tio­nen kon­zi­piert und wird in Zusam­men­ar­beit mit dem Haus­arzt oder der Haus­ärz­tin erstellt[5].

Prä­kli­ni­sche Not­fall-Patien­ten­ver­fü­gung: Diese ver­ein­fachte und spe­zi­ell auf Not­fälle zuge­schnit­tene Ver­sion einer Patien­ten­ver­fü­gung ist für Ret­tungs­dienst­kräfte leich­ter und schnel­ler zu erfas­sen[9].

Die Rolle des medi­zi­ni­schen Per­so­nals im Kran­ken­haus

Nach der Erst­ver­sor­gung durch den Ret­tungs­dienst über­nimmt das medi­zi­ni­sche Per­so­nal im Kran­ken­haus die wei­tere Behand­lung und muss eben­falls den Patien­ten­wil­len berück­sich­ti­gen.

Ver­ant­wort­lich­kei­ten im Kran­ken­haus

Prü­fung der Patien­ten­ver­fü­gung: Ärzt:innen müssen die Wirk­sam­keit der Patien­ten­ver­fü­gung prüfen und fest­stel­len, ob die beschrie­bene Situa­tion mit der aktu­el­len Lage über­ein­stimmt[3].

Kom­mu­ni­ka­tion mit Bevoll­mäch­tig­ten: Falls vor­han­den, werden bevoll­mäch­tigte Per­so­nen oder Betreuer:innen in die Ent­schei­dungs­fin­dung ein­be­zo­gen.

Doku­men­ta­tion: Alle Ent­schei­dun­gen im Zusam­men­hang mit der Patien­ten­ver­fü­gung werden sorg­fäl­tig in der Patien­ten­akte doku­men­tiert[11].

Pallia­tiv­me­di­zi­ni­sche Not­fälle

In pallia­tiv­me­di­zi­ni­schen Not­fäl­len, etwa bei Patient:innen mit schweren Grund­er­kran­kun­gen, gelten beson­dere Regeln:

Sym­ptom­kon­trolle statt Lebens­ver­län­ge­rung: Bei pallia­tiv­me­di­zi­ni­schen Not­fäl­len steht die Lin­de­rung von Beschwer­den wie Luft­not und Schmer­zen im Vor­der­grund[10].

Spe­zi­elle ambu­lante Pallia­tiv­ver­sor­gung (SAPV): Patient:innen, die an eine SAPV ange­bun­den sind, ver­fü­gen oft über spe­zi­elle Not­fall­pläne, die auch für den Ret­tungs­dienst maß­geb­lich sind[10].

Prak­ti­sche Tipps für Ihre Patien­ten­ver­fü­gung im Not­fall

Damit Ihre Patien­ten­ver­fü­gung im Not­fall auch wirk­lich beach­tet werden kann, sollten Sie einige wich­tige Punkte berück­sich­ti­gen:

Auf­be­wah­rung und Kenn­zeich­nung

Not­fall­ord­ner: Bewah­ren Sie Ihre Patien­ten­ver­fü­gung an einem gut zugäng­li­chen Ort auf, ide­a­ler­weise in einem spe­zi­el­len Not­fall­ord­ner.

Not­fall­karte: Tragen Sie eine Not­fall­karte im Porte­mon­naie, die auf Ihre Patien­ten­ver­fü­gung hin­weist und Kon­takt­da­ten Ihrer bevoll­mäch­tig­ten Person enthält[2].

Kenn­zeich­nung der Gesund­heits­karte: Ein Auf­kle­ber auf der Gesund­heits­karte kann auf die Patien­ten­ver­fü­gung hin­wei­sen.

Digi­tale Lösun­gen: Bei Patientenverfügung.digital gibt es die Mög­lich­kei­ten, Ihre Patien­ten­ver­fü­gung digi­tal zu hin­ter­le­gen, sodass sie per QR-Code schnell abruf­bar ist.

Vor­be­rei­tung auf den Not­fall

Check­liste für den Not­fall: Halten Sie wich­tige Doku­mente bereit: Per­so­nal­aus­weis, Kran­ken­ver­si­che­rungs­karte, Medi­ka­men­ten­liste und Patien­ten­ver­fü­gung[2].

Not­fall­ta­sche: Packen Sie für einen mög­li­chen Kran­ken­haus­auf­ent­halt eine Not­fall­ta­sche mit dem Nötigsten[2].

Kom­mu­ni­ka­tion mit Ange­hö­ri­gen: Spre­chen Sie mit Ihren Ange­hö­ri­gen über Ihre Wünsche und den Auf­be­wah­rungs­ort Ihrer Patien­ten­ver­fü­gung[4].

Medi­zi­nisch-recht­li­che Abwä­gun­gen im Not­fall

Die Ent­schei­dung, ob und inwie­weit eine Patien­ten­ver­fü­gung im Not­fall beach­tet wird, basiert auf einer kom­ple­xen Abwä­gung medi­zi­ni­scher und recht­li­cher Aspekte:

Selbst­be­stim­mungs­recht versus Für­sor­ge­pflicht

Das Selbst­be­stim­mungs­recht des Men­schen, das sich aus Art. 2 Grund­ge­setz ablei­tet, umfasst auch die Selbst­be­stim­mung zum Tode. Die Patien­ten­ver­fü­gung dient als Gestal­tungs­mit­tel dieser Auto­no­mie[3].

Gleich­zei­tig besteht für medi­zi­ni­sches Per­so­nal eine Für­sor­ge­pflicht. Im Zwei­fel werden daher lebens­er­hal­tende Maß­nah­men ein­ge­lei­tet, bis die Situa­tion ein­deu­tig geklärt ist[11].

Advance Care Plan­ning als Lösung

Ein viel­ver­spre­chen­der Ansatz ist das “Advance Care Plan­ning” (Behand­lung im Voraus Planen), bei dem Patient:innen ihre Wünsche für medi­zi­ni­sche Not­fälle mit pro­fes­sio­nel­ler Unter­stüt­zung vor­aus­schau­end planen[8]. Dieses Kon­zept schließt die Lücke zwi­schen der klas­si­schen Patien­ten­ver­fü­gung und den Erfor­der­nis­sen des Ret­tungs­diens­tes.

Fazit und Hand­lungs­emp­feh­lun­gen

Eine Patien­ten­ver­fü­gung ist ein wich­ti­ges Instru­ment, um die Selbst­be­stim­mung auch in Situa­tio­nen zu wahren, in denen man nicht mehr selbst ent­schei­den kann. Im Not­fall kann sie jedoch an Gren­zen stoßen. Fol­gende Emp­feh­lun­gen können helfen, diese Gren­zen zu über­win­den:

Erstel­len Sie eine spe­zi­elle Not­fall-Patien­ten­ver­fü­gung zusätz­lich zur nor­ma­len Patien­ten­ver­fü­gung, die sich kon­kret auf Not­fall­si­tua­tio­nen bezieht[5][9].

Spre­chen Sie mit Ihrem Haus­arzt oder Ihrer Haus­ärz­tin über Ihre Wünsche und lassen Sie sich bei der Erstel­lung einer haus­ärzt­li­chen Anord­nung für den Not­fall unter­stüt­zen[5].

Sorgen Sie für gute Auf­find­bar­keit Ihrer Patien­ten­ver­fü­gung durch Not­fall­hin­weise, -karten oder elek­tro­ni­sche Hil­fen.

Aktua­li­sie­ren Sie Ihre Patien­ten­ver­fü­gung regel­mä­ßig - min­des­tens ein­mal jähr­lich - und ver­se­hen Sie sie mit Datum und Unter­schrift[11].

Infor­mie­ren Sie Ihre Ange­hö­ri­gen und Bevoll­mäch­tig­ten über Ihre Wünsche und den Auf­be­wah­rungs­ort Ihrer Doku­mente[4].

Der Ret­tungs­dienst und das medi­zi­ni­sche Per­so­nal im Kran­ken­haus sind bemüht, Ihren Willen zu respek­tie­ren und umzu­set­zen. Mit einer gut vor­be­rei­te­ten, klar for­mu­lier­ten und leicht auf­find­ba­ren Patien­ten­ver­fü­gung können Sie wesent­lich dazu bei­tra­gen, dass dies auch in Not­fall­si­tua­tio­nen gelingt.