Patientenverfügung im Notfall: Die Rolle von Rettungsdiensten und medizinischem Personal
Zusammenfassung
Eine Patientenverfügung ist ein wichtiges Dokument, um den eigenen Behandlungswillen auch in Notsituationen zu wahren, wenn man selbst nicht mehr entscheiden kann. Damit sie im Notfall beachtet wird, sollte sie klar formuliert, leicht auffindbar und regelmäßig aktualisiert sein. Ergänzende Dokumente wie eine spezielle Notfall-Patientenverfügung oder hausärztliche Anordnungen können helfen, Unsicherheiten für Rettungsdienste und medizinisches Personal zu reduzieren.
- Kernaussagen
- Rechtliche Grundlagen der Patientenverfügung
- Der Rettungsdienst und die Patientenverfügung: Eine Herausforderung
- Die Rolle des medizinischen Personals im Krankenhaus
- Praktische Tipps für Ihre Patientenverfügung im Notfall
- Medizinisch-rechtliche Abwägungen im Notfall
- Fazit und Handlungsempfehlungen
Im Notfall zählt jede Minute. Wer in einer solchen Situation nicht mehr selbst entscheiden kann, ist darauf angewiesen, dass seine vorab festgelegten Wünsche respektiert werden. Ob Wiederbelebungsmaßnahmen, künstliche Ernährung oder Beatmung: Eine Patientenverfügung gibt Rettungsdienstkräften und medizinischem Personal wichtige Informationen über Ihre persönlichen Behandlungswünsche. Nur so können nicht geschäftsfähige Personen Selbstbestimmung bewahren, wenn sie ihre Wünsche nicht mehr selbst äußern können.

- Nach § 1827 BGB wird Ihre Patientenverfügung nur wirksam, wenn Sie volljährig und einwilligungsfähig sind. Sie benötigen ein schriftliches Dokument mit klaren, konkreten und regelmäßig datierten Anweisungen.
- Rettungsdienstkräfte handeln unter hohem Zeitdruck und starten oft zunächst lebenserhaltende Maßnahmen, weil unklar ist, ob eine Patientenverfügung vorliegt oder passt. Erst nach Prüfung durch Notärzt:innen oder das Krankenhaus wird Ihr Wille berücksichtigt.
- Im Einsatz sucht das Team nach Hinweisen wie Notfallarmbändern, Karten oder Aufklebern auf der Gesundheitskarte, versorgt Sie zuerst und übergibt alle Informationen an den eintreffenden Notarzt.
- Spezielle Notfallformulare wie die Hausärztliche Anordnung für den Notfall (HAnNo) oder eine präklinische Notfall-Patientenverfügung sind kurz gehalten und für den Rettungsdienst schnell erfassbar.
- Im Krankenhaus prüfen Ärzt:innen, ob Ihre Patientenverfügung zur aktuellen Lage passt, sprechen mit bevollmächtigten Personen und dokumentieren jede Entscheidung in der Akte.
- Bei palliativmedizinischen Notfällen steht die Linderung von Schmerzen und Luftnot im Vordergrund, oft gestützt durch SAPV-Notfallpläne.
- Bewahren Sie das Dokument an einem leicht erreichbaren Ort auf, tragen Sie eine Notfallkarte im Portemonnaie, kennzeichnen Sie Ihre Gesundheitskarte oder nutzen Sie einen QR-Code, damit Helfer:innen es schnell finden.
- Eine kleine Notfalltasche mit Ausweis, Versicherungskarte, Medikamentenliste und Patientenverfügung spart im Krisenmoment Zeit; informieren Sie Angehörige über Ihre Wünsche und Aufbewahrungsorte.
- Zwischen Selbstbestimmungsrecht und Fürsorgepflicht gilt: Bestehen Zweifel, beginnen lebenserhaltende Maßnahmen, bis der dokumentierte Wille eindeutig feststeht.
- Advance Care Planning hilft Ihnen, medizinische Wünsche frühzeitig mit Fachpersonen zu planen und so Lücken der klassischen Patientenverfügung im Notfall zu schließen.
- Aktualisieren Sie Ihre Patientenverfügung jährlich, legen Sie bei Bedarf eine spezielle Notfall-Version an und stimmen Sie sich mit der Hausärztin oder dem Hausarzt ab, damit Rettungsdienst und Krankenhaus sofort Bescheid wissen.
Rechtliche Grundlagen der Patientenverfügung
Die gesetzliche Grundlage der Patientenverfügung in Deutschland ist in § 1827 BGB verankert. Dieser Paragraph regelt die Voraussetzungen, unter denen eine Patientenverfügung wirksam ist.
Für eine rechtswirksame Patientenverfügung müssen einige grundlegende Bedingungen erfüllt sein:
Voraussetzungen für die Gültigkeit
Volljährigkeit und Einwilligungsfähigkeit: Sie müssen mindestens 18 Jahre alt und einwilligungsfähig sein, wenn Sie die Patientenverfügung erstellen[3].
Schriftliche Form: Die Patientenverfügung muss schriftlich vorliegen und Ihre Urheberschaft muss klar ersichtlich sein[11].
Konkrete Anweisungen: Allgemeine Formulierungen wie “ich wünsche keine lebenserhaltenden Maßnahmen” reichen nicht aus. Stattdessen sollten Sie konkrete Handlungsanweisungen festlegen[11].
Aktualität: Rechtsprechungen empfehlen, die Patientenverfügung mindestens einmal jährlich zu überprüfen und mit Datum und Unterschrift zu bestätigen[11].
Der Rettungsdienst und die Patientenverfügung: Eine Herausforderung
Rettungsdienstkräfte stehen im Notfall vor der schwierigen Aufgabe, schnell entscheiden zu müssen und gleichzeitig den Patientenwillen zu respektieren. Die Patientenverfügung wurde ursprünglich nicht für den Notfalleinsatz konzipiert, was besondere Herausforderungen mit sich bringt[11].
Grundsätzliche Probleme im Rettungsdienst-Einsatz
Zeitdruck versus Sorgfaltspflicht: Im Notfall bleibt kaum Zeit, eine Patientenverfügung gründlich zu prüfen[11].
Unvollständige Informationen: Oft ist unklar, ob der aktuelle Notfall genau dem in der Patientenverfügung beschriebenen Fall entspricht[11].
Rechtsunsicherheit: Rettungsdienstmitarbeitende müssen im Zweifel lebensrettende Maßnahmen einleiten, bis die Situation eindeutig geklärt ist[11].
Praktisches Vorgehen der Rettungsdienstkräfte
Wenn Rettungsdienstkräfte zu einem Notfall gerufen werden, gehen sie in der Regel wie folgt vor:
Suche nach der Patientenverfügung: Sie prüfen, ob Hinweise auf eine Patientenverfügung vorhanden sind - etwa durch Notfallarmbänder, Anhänger oder Aufkleber auf der Gesundheitskarte.
Erstversorgung: Bis zur Klärung des Patientenwillens werden lebensrettende Maßnahmen eingeleitet[11].
Übergabe an den Notarzt: Sobald der Notarzt eintrifft, übergibt der Rettungsdienst die Informationen zur Patientenverfügung. Der Notarzt entscheidet dann über das weitere Vorgehen[11].
Weitergabe der Informationen: Bei einem Transport ins Krankenhaus informieren die Rettungsdienstkräfte das Krankenhaus über das Vorhandensein einer Patientenverfügung.
Spezielle Vorsorgedokumente für den Notfall
Da die klassische Patientenverfügung im Notfall oft an ihre Grenzen stößt, wurden spezielle Formulare für den Notfall entwickelt:
Hausärztliche Anordnung für den Notfall (HAnNo): Dieses Dokument ist speziell für Notfallsituationen konzipiert und wird in Zusammenarbeit mit dem Hausarzt oder der Hausärztin erstellt[5].
Präklinische Notfall-Patientenverfügung: Diese vereinfachte und speziell auf Notfälle zugeschnittene Version einer Patientenverfügung ist für Rettungsdienstkräfte leichter und schneller zu erfassen[9].
Die Rolle des medizinischen Personals im Krankenhaus
Nach der Erstversorgung durch den Rettungsdienst übernimmt das medizinische Personal im Krankenhaus die weitere Behandlung und muss ebenfalls den Patientenwillen berücksichtigen.
Verantwortlichkeiten im Krankenhaus
Prüfung der Patientenverfügung: Ärzt:innen müssen die Wirksamkeit der Patientenverfügung prüfen und feststellen, ob die beschriebene Situation mit der aktuellen Lage übereinstimmt[3].
Kommunikation mit Bevollmächtigten: Falls vorhanden, werden bevollmächtigte Personen oder Betreuer:innen in die Entscheidungsfindung einbezogen.
Dokumentation: Alle Entscheidungen im Zusammenhang mit der Patientenverfügung werden sorgfältig in der Patientenakte dokumentiert[11].
Palliativmedizinische Notfälle
In palliativmedizinischen Notfällen, etwa bei Patient:innen mit schweren Grunderkrankungen, gelten besondere Regeln:
Symptomkontrolle statt Lebensverlängerung: Bei palliativmedizinischen Notfällen steht die Linderung von Beschwerden wie Luftnot und Schmerzen im Vordergrund[10].
Spezielle ambulante Palliativversorgung (SAPV): Patient:innen, die an eine SAPV angebunden sind, verfügen oft über spezielle Notfallpläne, die auch für den Rettungsdienst maßgeblich sind[10].
Praktische Tipps für Ihre Patientenverfügung im Notfall
Damit Ihre Patientenverfügung im Notfall auch wirklich beachtet werden kann, sollten Sie einige wichtige Punkte berücksichtigen:
Aufbewahrung und Kennzeichnung
Notfallordner: Bewahren Sie Ihre Patientenverfügung an einem gut zugänglichen Ort auf, idealerweise in einem speziellen Notfallordner.
Notfallkarte: Tragen Sie eine Notfallkarte im Portemonnaie, die auf Ihre Patientenverfügung hinweist und Kontaktdaten Ihrer bevollmächtigten Person enthält[2].
Kennzeichnung der Gesundheitskarte: Ein Aufkleber auf der Gesundheitskarte kann auf die Patientenverfügung hinweisen.
Digitale Lösungen: Bei Patientenverfügung.digital gibt es die Möglichkeiten, Ihre Patientenverfügung digital zu hinterlegen, sodass sie per QR-Code schnell abrufbar ist.
Vorbereitung auf den Notfall
Checkliste für den Notfall: Halten Sie wichtige Dokumente bereit: Personalausweis, Krankenversicherungskarte, Medikamentenliste und Patientenverfügung[2].
Notfalltasche: Packen Sie für einen möglichen Krankenhausaufenthalt eine Notfalltasche mit dem Nötigsten[2].
Kommunikation mit Angehörigen: Sprechen Sie mit Ihren Angehörigen über Ihre Wünsche und den Aufbewahrungsort Ihrer Patientenverfügung[4].
Medizinisch-rechtliche Abwägungen im Notfall
Die Entscheidung, ob und inwieweit eine Patientenverfügung im Notfall beachtet wird, basiert auf einer komplexen Abwägung medizinischer und rechtlicher Aspekte:
Selbstbestimmungsrecht versus Fürsorgepflicht
Das Selbstbestimmungsrecht des Menschen, das sich aus Art. 2 Grundgesetz ableitet, umfasst auch die Selbstbestimmung zum Tode. Die Patientenverfügung dient als Gestaltungsmittel dieser Autonomie[3].
Gleichzeitig besteht für medizinisches Personal eine Fürsorgepflicht. Im Zweifel werden daher lebenserhaltende Maßnahmen eingeleitet, bis die Situation eindeutig geklärt ist[11].
Advance Care Planning als Lösung
Ein vielversprechender Ansatz ist das “Advance Care Planning” (Behandlung im Voraus Planen), bei dem Patient:innen ihre Wünsche für medizinische Notfälle mit professioneller Unterstützung vorausschauend planen[8]. Dieses Konzept schließt die Lücke zwischen der klassischen Patientenverfügung und den Erfordernissen des Rettungsdienstes.
Fazit und Handlungsempfehlungen
Eine Patientenverfügung ist ein wichtiges Instrument, um die Selbstbestimmung auch in Situationen zu wahren, in denen man nicht mehr selbst entscheiden kann. Im Notfall kann sie jedoch an Grenzen stoßen. Folgende Empfehlungen können helfen, diese Grenzen zu überwinden:
Erstellen Sie eine spezielle Notfall-Patientenverfügung zusätzlich zur normalen Patientenverfügung, die sich konkret auf Notfallsituationen bezieht[5][9].
Sprechen Sie mit Ihrem Hausarzt oder Ihrer Hausärztin über Ihre Wünsche und lassen Sie sich bei der Erstellung einer hausärztlichen Anordnung für den Notfall unterstützen[5].
Sorgen Sie für gute Auffindbarkeit Ihrer Patientenverfügung durch Notfallhinweise, -karten oder elektronische Hilfen.
Aktualisieren Sie Ihre Patientenverfügung regelmäßig - mindestens einmal jährlich - und versehen Sie sie mit Datum und Unterschrift[11].
Informieren Sie Ihre Angehörigen und Bevollmächtigten über Ihre Wünsche und den Aufbewahrungsort Ihrer Dokumente[4].
Der Rettungsdienst und das medizinische Personal im Krankenhaus sind bemüht, Ihren Willen zu respektieren und umzusetzen. Mit einer gut vorbereiteten, klar formulierten und leicht auffindbaren Patientenverfügung können Sie wesentlich dazu beitragen, dass dies auch in Notfallsituationen gelingt.