Patientenverfügung: Warum medizinische Beratung wichtiger ist als notarielle Beglaubigung

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Zusammenfassung

Eine Patienten­verfügung ist vor allem ein medizinisches Dokument, das klare und präzise Behandlungs­wünsche festlegen sollte. Medizinische Beratung ist daher wichtiger als notarielle Beglaubigung, um sicherzustellen, dass Ärzt:innen die Verfügung im Ernstfall korrekt umsetzen können. Eine Kombination aus ärztlicher und rechtlicher Expertise bietet die beste Grundlage für eine wirksame Patienten­verfügung.

Eine Patienten­verfügung ermöglicht Ihnen, medizinische Behandlungs­wünsche für Situationen festzulegen, in denen Sie sich nicht mehr selbst äußern können. Viele Menschen stellen sich die Frage: Soll ich meine Patienten­verfügung von einem Anwalt oder Notar erstellen lassen? Diese Überlegung ist verständlich - Sie möchten sichergehen, dass Ihre Verfügung im Ernstfall wirksam ist. Allerdings zeigt die Praxis: Medizinisches Fachwissen ist für eine funktio­nierende Patienten­verfügung oft wichtiger als juristische Expertise.

Drei Personen, darunter zwei Ärzte und eine Frau im Business-Outfit, besprechen Dokumente in einem Büro.

Warum eine Patienten­verfügung vor allem ein medizinisches Dokument ist

Obwohl eine Patienten­verfügung rechtliche Wirkung entfaltet, handelt es sich in erster Linie um ein medizinisches Dokument. Der Kern einer Patienten­verfügung sind Ihre konkreten Wünsche zu medizinischen Behandlungen in bestimmten Situationen[2].

Bei Verfügungen, die von Anwält:innen oder Notar:innen erstellt werden, tritt häufig ein grundlegendes Problem auf: Jurist:innen fehlt in der Regel das medizinische Fachwissen, um die Verfügung so zu formulieren, dass medizinisches Personal Ihre Wünsche zweifelsfrei verstehen und umsetzen kann.

Ein Beispiel aus der Praxis

Frau Schmidt ließ sich von ihrem Anwalt eine Patienten­verfügung erstellen. Nach einem schweren Unfall lag sie bewusstlos im Krankenhaus. Die behandelnden Ärzt:innen stellten fest, dass die Formulierung “keine lebens­verlängernden Maßnahmen” zu ungenau war. War damit auch eine Antibiotika­gabe bei einer Lungen­entzündung ausgeschlossen? Was genau bedeutete “aussichtslose Situation”? Die Verfügung war rechtlich einwandfrei, aber medizinisch nicht präzise genug für eine klare Handlungs­anweisung.

Wirksamkeit: Die rechtlichen Anforderungen sind überraschend einfach

Laut § 1827 BGB gelten für eine wirksame Patienten­verfügung nur wenige formale Anforderungen[2][4]:

  1. Sie muss schriftlich verfasst sein
  2. Die Person muss bei der Erstellung volljährig und einwilligungs­fähig sein
  3. Sie muss vom Verfasser unterschrieben sein

Wichtig zu wissen: Eine notarielle Beglaubigung ist nicht erforderlich, um die Patienten­verfügung rechtswirksam zu machen. Dieses Miss­verständnis hält sich hartnäckig, wird aber durch das Gesetz nicht gestützt.

Medizinische Expertise macht den Unterschied

Für eine wirksame Patienten­verfügung ist es wesentlich, dass die medizinischen Situationen und Behandlungs­optionen genau beschrieben werden[4]. Ärzt:innen müssen eindeutig erkennen können:

  • Welche medizinische Situation ist genau gemeint?
  • Welche Behandlungen sollen durchgeführt oder unterlassen werden?
  • Unter welchen Umständen gelten diese Entscheidungen?

Ein:e Rechts­expert:in kann zwar eine formal korrekte Verfügung erstellen, aber ohne medizinisches Fachwissen fehlt oft die notwendige Präzision bei der Beschreibung von Krankheits­bildern und Behandlungs­möglichkeiten.

Die bessere Alternative: Ärztliche Beratung für Ihre Patienten­verfügung

Statt zu einem Rechts­experten zu gehen, kann es sinnvoller sein, Ihre Patienten­verfügung mit ärztlicher Unterstützung zu erstellen. Ein Arzt oder eine Ärztin Ihres Vertrauens kann Ihnen helfen:

  • Medizinische Situationen präzise zu beschreiben
  • Behandlungs­optionen und deren Konsequenzen zu verstehen
  • Ihre Wünsche medizinisch korrekt zu formulieren

Dies erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Ihre Verfügung im Ernstfall tatsächlich funktioniert und vom medizinischen Personal verstanden und umgesetzt werden kann.

Hinweis: Auch eine ärztliche Beratung ist in der Regel kosten­pflichtig. Fragen Sie vorher nach den Kosten.

Praktische Schritte zur Erstellung einer wirksamen Patienten­verfügung

  1. Informieren Sie sich über medizinische Situationen und Behandlungs­optionen
  2. Sprechen Sie mit Ihrem Hausarzt über Ihre Wünsche und Vorstellungen
  3. Formulieren Sie Ihre Wünsche so konkret und verständlich wie möglich
  4. Lassen Sie den Entwurf von einer medizinischen Fachperson prüfen
  5. Unterschreiben und datieren Sie das Dokument eigenhändig
  6. Informieren Sie Angehörige über den Inhalt und Aufbewahrungs­ort
  7. Überprüfen Sie regelmäßig, ob die Verfügung noch Ihren Wünschen entspricht

Die richtige Aufbewahrung Ihrer Patienten­verfügung

Die beste Patienten­verfügung nützt nichts, wenn sie im Notfall nicht auffindbar ist. Hier einige Tipps zur Aufbewahrung:

  • Bewahren Sie das Original an einem zugänglichen Ort auf (nicht im Banksafe)
  • Geben Sie eine Kopie Ihrem Hausarzt für die Patientenakte
  • Händigen Sie Kopien an Vertrauens­personen aus
  • Tragen Sie einen Hinweis bei sich (z.B. in der Geldbörse), dass und wo eine Patienten­verfügung existiert
  • Erwägen Sie die Registrierung im Zentralen Vorsorge­register der Bundes­notarkammer[9]

Das soziale Netz: Unterstützung für die Umsetzung Ihrer Wünsche

Eine Patienten­verfügung allein reicht oft nicht aus. Damit Ihre Wünsche im Ernstfall tatsächlich umgesetzt werden, brauchen Sie Menschen an Ihrer Seite, die Ihre Wünsche kennen und sich für Sie einsetzen können.

Überlegen Sie, wer Sie im Notfall vertreten soll und sprechen Sie mit diesen Personen über Ihre Wünsche. Eine Vorsorge­vollmacht ist eine sinnvolle Ergänzung zu Ihrer Patienten­verfügung.

Tipps zur Auswahl einer Vertrauens­person

  • Wählen Sie jemanden, der Ihre Werte und Wünsche gut kennt
  • Die Person sollte bereit sein, Ihren Willen durchzusetzen, auch wenn es schwierig wird
  • Idealerweise ist die Person gut erreichbar und lebt nicht zu weit entfernt
  • Besprechen Sie konkrete medizinische Szenarien mit dieser Person

Regelmäßige Überprüfung und Aktualisierung

Eine Patienten­verfügung sollte regelmäßig - idealerweise jährlich - überprüft und bei Bedarf aktualisiert werden. Gründe dafür können sein:

  • Veränderungen in Ihrem Gesundheits­zustand
  • Neue medizinische Behandlungs­möglichkeiten
  • Änderungen in Ihren persönlichen Wünschen und Vorstellungen

Eine regelmäßig aktualisierte Unterschrift und ein aktuelles Datum stärken zudem die Verbindlichkeit Ihrer Patienten­verfügung.

Der beste Weg: Kombination von medizinischer und rechtlicher Expertise

Der optimale Ansatz könnte eine Kombination sein:

  1. Lassen Sie sich zunächst ärztlich beraten, um die medizinischen Aspekte präzise zu formulieren
  2. Bei komplexen Situationen oder besonderen Anliegen kann eine rechtliche Prüfung zusätzliche Sicherheit bieten

Diese Kombination vereint medizinische Präzision mit rechtlicher Sicherheit.

Checkliste: Ist Ihre Patienten­verfügung wirksam?

  • [ ] Ist das Dokument schriftlich verfasst?
  • [ ] Haben Sie es persönlich unterschrieben?
  • [ ] Enthält es ein aktuelles Datum?
  • [ ] Sind die medizinischen Situationen konkret beschrieben?
  • [ ] Sind Ihre Behandlungs­wünsche eindeutig formuliert?
  • [ ] Sind mögliche Ausnahmen und Bedingungen genannt?
  • [ ] Wissen vertraute Personen, wo die Verfügung aufbewahrt wird?
  • [ ] Haben Sie eine Kopie beim Hausarzt hinterlegt?
  • [ ] Haben Sie die Verfügung in den letzten 1-2 Jahren überprüft?

Fazit: Medizinische Expertise hat Vorrang

Eine Patienten­verfügung ist in erster Linie ein medizinisches Dokument. Die rechtliche Form ist zwar wichtig, aber ohne präzise medizinische Formulierungen kann selbst die rechtlich perfekte Verfügung im Ernstfall wirkungslos sein.

Wenn Sie sich für eine Patienten­verfügung entscheiden, suchen Sie zunächst das Gespräch mit einer medizinischen Fachperson Ihres Vertrauens. Die rechtliche Form ist einfach zu erfüllen - entscheidend ist der medizinisch präzise Inhalt, der im Notfall Ihr Selbstbestimmungs­recht wahrt[2].