Patientenverfügung für Zeugen Jehovas: Medizinische Behandlung im Einklang mit dem Glauben

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Zusammenfassung

Für Zeugen Jehovas ist die Patientenverfügung ein zentrales Mittel, um ihre religiösen Überzeugungen, insbesondere die Ablehnung von Bluttransfusionen, festzuhalten. Das deutsche Recht schützt diese Entscheidungen, doch sollten die Wünsche klar formuliert, regelmäßig aktualisiert und mit Angehörigen sowie Ärzt:innen besprochen werden. In komplexen Notfallsituationen oder bei Minderjährigen können jedoch rechtliche und ethische Grenzen greifen.

Für Mitglieder der Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas hat die Patientenverfügung eine besondere Bedeutung. Ihre religiösen Überzeugungen führen zu spezifischen medizinischen Entscheidungen, die in der Patientenverfügung festgehalten werden. Dies betrifft insbesondere die Ablehnung von Bluttransfusionen. Dieser Artikel erklärt die Hintergründe, rechtlichen Rahmenbedingungen und praktischen Aspekte einer Patientenverfügung für Zeugen Jehovas in Deutschland.

Person in Anzug unterzeichnet Dokument an einem Schreibtisch mit Pflanzen und einem gerahmten Foto im Hintergrund.

Religiöse Grundlagen der Behandlungs­entscheidungen

Zeugen Jehovas lehnen Bluttransfusionen aus religiösen Gründen ab. Diese Position basiert auf ihrer Interpretation biblischer Texte. Nach ihrer Glaubensansicht steht Blut bei Gott für Leben, woraus sich zwei wesentliche Gründe für die Ablehnung von Bluttransfusionen ergeben: der Gehorsam gegenüber Gott und der Respekt gegenüber ihm als Lebensgeber[4].

Getaufte Zeugen Jehovas sehen in der Bluttransfusion eine unzulässige Vermischung von Persönlichkeiten. Sie befürchten, dass Gott sie dadurch beim Tag des Jüngsten Gerichts nicht mehr richtig zuordnen kann. Ein Verstoß gegen diese Regel wird als Bruch des göttlichen Gebotes verstanden[4].

Diese religiöse Überzeugung ist tief verankert und für viele Zeugen Jehovas so bedeutsam, dass sie bereit sind, im Extremfall auch lebens­bedrohliche Situationen ohne Bluttransfusion zu durchleben. Es ist wichtig zu verstehen, dass diese Entscheidung auf einer tiefen Glaubens­überzeugung beruht und respektiert werden sollte.

Rechtliche Grundlagen der Patientenverfügung für Zeugen Jehovas

In Deutschland ist das Recht auf Selbstbestimmung in medizinischen Fragen grundgesetzlich geschützt. Die in Artikel 1 und 2 des Grundgesetzes verankerten Persönlichkeitsrechte verpflichten Ärzt:innen, die Entscheidungen der Patient:innen zu respektieren[11].

Die gesetzliche Grundlage der Patientenverfügung in Deutschland ist in § 1827 BGB verankert. Diese Regelung gilt auch für religiös motivierte Behandlungs­entscheidungen wie die Ablehnung von Bluttransfusionen durch Zeugen Jehovas.

Wenn ein:e erwachsene:r, einwilligungs­fähige:r Patient:in eine Bluttransfusion ablehnt, muss diese Entscheidung von den behandelnden Ärzt:innen akzeptiert werden, selbst wenn dies lebens­bedrohliche Konsequenzen haben könnte[11]. Dies gilt auch dann, wenn die Person bewusstlos wird und ihre Entscheidung zuvor in einer Patientenverfügung dokumentiert hat.

Besonderheiten der Patientenverfügung für Zeugen Jehovas

Mitglieder der Gemeinde der Zeugen Jehovas tragen in der Regel ständig eine Patientenverfügung und eine ergänzende Patientenverfügung mit Betreuungs­vollmacht bei sich[10]. Diese Dokumente sollen den behandelnden Arzt rechtlich absichern und der Patient:in die Respektierung ihres Willens gewährleisten.

Die Patientenverfügungen der Zeugen Jehovas enthalten typischerweise:

  • Eine klare Ablehnung von Bluttransfusionen
  • Die Bestätigung durch zwei Zeug:innen
  • Je nach rechtlicher Situation auch Klauseln, die Ärzt:innen von der Haftung befreien[11]

Für Zeugen Jehovas existieren mittlerweile auch modernere Lösungen zur Sicherstellung ihrer Behandlungs­wünsche. So wurde beispiels­weise ein System namens rescue-iD entwickelt, bei dem die Patientenverfügung zusätzlich online hinterlegt wird und über QR-Codes auf tragbaren Accessoires wie Armbändern oder Halsketten schnell zugänglich gemacht wird[2]. Dies kann in Notfall­situationen besonders wichtig sein, wenn die schriftliche Patienten­verfügung nicht sofort gefunden wird. Auch Patientenverfügung.digital bitten einen QR-Code Aufkleber für die Gesundheitskarte.

Praktische Herausforderungen im medizinischen Alltag

Die Behandlung von Zeugen Jehovas, die Bluttransfusionen ablehnen, stellt medizinische Fachkräfte vor besondere Herausforderungen. Besonders in Notfall­situationen können ethische Dilemmata entstehen. Während Ärzt:innen grundsätzlich zur Hilfeleistung verpflichtet sind, müssen sie gleichzeitig den Patientenwillen respektieren[10].

Bei elektiven (geplanten) Eingriffen haben Patient:innen die Möglichkeit, im Vorfeld Ärzt:innen zu finden, die bereit sind, den Eingriff ohne Bluttransfusion durchzuführen und im schlimmsten Fall auch den Tod in Kauf zu nehmen[12]. In Notfall­situationen ist dies jedoch oft nicht möglich.

Medizinische Einrichtungen wie die DRK Kliniken Berlin haben spezielle Leitlinien für den Umgang mit Zeugen Jehovas entwickelt. Ihr Leitbild besagt, dass die Entscheidung eines Zeugen Jehovas, auf eine Bluttransfusion zu verzichten und dabei gegebenenfalls den eigenen Tod in Kauf zu nehmen, respektiert werden soll. Gleichzeitig sollen diese Patient:innen keine Einschränkungen hinsichtlich ihrer sonstigen Behandlung erfahren[10].

Aktuelle Rechtsprechung und Grenzen der Patientenverfügung

Ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts München aus dem Jahr 2025 beleuchtet die Grenzen der Patientenverfügung in komplexen Notfall­situationen. In diesem Fall hatte eine Zeugin Jehovas Bluttransfusionen kategorisch abgelehnt und dies in einer Patientenverfügung dokumentiert. Nach einem Darmdurchbruch entschlossen sich die Ärzt:innen jedoch, aufgrund der lebens­bedrohlichen Lage und nach Rücksprache mit dem Betreuungs­gericht, eine Bluttransfusion durchzuführen[9].

Die Patientin klagte später auf Schadensersatz wegen fehlerhafter Behandlung und Verletzung ihrer Persönlichkeits­rechte. Das Gericht wies die Klage jedoch ab und stellte klar, dass die Patientenverfügung aufgrund der Komplexität der Situation nicht bindend war und die Ärzt:innen korrekt gehandelt hatten[9].

Dieses Urteil betont, dass Patientenverfügungen klar formuliert und aktuell sein müssen, um in Notfall­situationen als bindend zu gelten. Gleichzeitig wird anerkannt, dass medizinische Fachkräfte ihrem Berufsethos folgen und nicht verpflichtet sind, religiöse Überzeugungen der Patient:innen uneingeschränkt umzusetzen, wenn dies zu Konflikten mit der medizinischen Ethik führt[9].

Besondere Situation bei Minderjährigen

Bei minderjährigen Zeugen Jehovas gelten besondere rechtliche Regelungen. Kinder bis zum 14. Lebensjahr gelten allgemein als noch nicht einwilligungsfähig. Bei Minderjährigen zwischen dem 14. und 18. Lebensjahr kommt es darauf an, ob sie nach ihrer geistigen und seelischen Entwicklung fähig sind, Schwere, Wesen, Tragweite und Bedeutung des Eingriffs zu erfassen und ihren Willen danach zu bestimmen[11].

Wenn Eltern die Einwilligung in eine medizinisch notwendige Bluttransfusion für ihr minderjähriges Kind verweigern, kann das Familiengericht angerufen werden, um die elterliche Sorge in diesem Punkt vorübergehend einzuschränken. Das Kindeswohl hat in solchen Fällen Vorrang vor den religiösen Überzeugungen der Eltern.

Alternativen zu Bluttransfusionen

Für Zeugen Jehovas ist es wichtig zu wissen, dass es medizinische Alternativen zu Bluttransfusionen gibt. Diese Alternativen werden von vielen Ärzt:innen und Krankenhäusern angeboten und können in der Patientenverfügung ausdrücklich gewünscht werden:

  • Blutsparende Operationstechniken
  • Einsatz von Zellseparatoren und Blutrückgewinnungssystemen
  • Verwendung von Volumenersatzmitteln
  • Einsatz von erythropoetischen Mitteln zur Stimulation der körpereigenen Blutbildung
  • Behandlung mit Eisen, Folsäure und Vitamin B12 zur Unterstützung der Blutbildung

Diese Alternativen sollten in der Patientenverfügung erwähnt werden, um den behandelnden Ärzt:innen zu signalisieren, dass die Ablehnung von Bluttransfusionen nicht gleichbedeutend mit einer Ablehnung jeglicher Behandlung ist.

Praktische Tipps für die Erstellung einer Patientenverfügung für Zeugen Jehovas

Wenn Sie als Zeuge Jehovas eine Patientenverfügung erstellen möchten, sollten Sie folgende Punkte beachten:

  1. Formulieren Sie Ihre Wünsche klar und präzise: Erklären Sie genau, welche Behandlungen Sie ablehnen (z.B. Vollblut, Blutkomponenten) und welche Sie akzeptieren.

  2. Aktualisieren Sie Ihre Patientenverfügung regelmäßig: Eine regelmäßige Aktualisierung (idealerweise alle zwei Jahre) erhöht die Rechtssicherheit.

  3. Besprechen Sie Ihre Wünsche mit Ihren Angehörigen: Informieren Sie Ihre Familie und enge Freund:innen über Ihre Entscheidungen, damit diese in Notfällen Ihren Willen vertreten können.

  4. Tragen Sie Ihre Patientenverfügung immer bei sich: Eine amtlich beglaubigte Patientenverfügung in der Brieftasche kann in Notfällen hilfreich sein[4]. Alternativ können moderne Lösungen wie QR-Code-Produkte sinnvoll sein[2].

  5. Benennen Sie eine:n Bevollmächtigte:n: Bestimmen Sie eine Person Ihres Vertrauens, die Ihre Wünsche vertritt, wenn Sie nicht mehr in der Lage sind, selbst zu entscheiden.

  6. Suchen Sie sich Ärzt:innen, die Ihre Überzeugungen respektieren: Bei geplanten Behandlungen können Sie im Vorfeld mit den behandelnden Ärzt:innen über Ihre Wünsche sprechen und alternative Behandlungsmethoden besprechen.

Fazit

Die Patientenverfügung ist für Zeugen Jehovas ein wichtiges Instrument, um ihre religiösen Überzeugungen in Bezug auf medizinische Behandlungen, insbesondere Bluttransfusionen, zu dokumentieren. Das deutsche Recht respektiert grundsätzlich diese Entscheidungen, auch wenn es in komplexen Notfallsituationen zu rechtlichen Grauzonen kommen kann.

Für Mitglieder der Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas ist es ratsam, eine klare und aktuelle Patientenverfügung zu erstellen, diese immer bei sich zu tragen und regelmäßig mit Ärzt:innen und Angehörigen über ihre Wünsche zu sprechen. So können sie ihre Chance erhöhen, dass ihre religiösen Überzeugungen auch in medizinischen Notfallsituationen respektiert werden.

Gleichzeitig sollten sich Zeugen Jehovas der rechtlichen Grenzen bewusst sein und verstehen, dass in bestimmten komplexen Situationen, insbesondere bei Minderjährigen, andere rechtliche und ethische Prinzipien Vorrang haben können. Ein offener Dialog mit medizinischen Fachkräften über mögliche Alternativen zu Bluttransfusionen kann helfen, Lösungen zu finden, die sowohl den religiösen Überzeugungen als auch dem medizinischen Wohl der Patient:innen gerecht werden.