Patientenverfügung: Gültigkeit und Wirksamkeit verstehen - Ein wichtiger Unterschied

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Zusammenfassung

Eine Patienten­verfügung muss nicht nur rechtlich gültig, sondern auch inhaltlich präzise formuliert sein, um im Ernstfall wirksam zu sein. Konkrete medizinische Anweisungen und klar beschriebene Anwendungs­situationen sind entscheidend, damit Ihr Wille eindeutig erkennbar und umsetzbar ist. Regel­mäßige Überprüfungen sowie die Kombination mit einer Vorsorge­vollmacht und Betreuungs­verfügung erhöhen die Handlungssicherheit.

Eine gültige Patientenverfügung kann dennoch unwirksam sein - ein Umstand, der vielen Menschen nicht bewusst ist. Wenn Sie eine Patientenverfügung erstellen möchten, ist es entscheidend, den Unterschied zwischen rechtlicher Gültigkeit und praktischer Wirksamkeit zu kennen. Diese Information kann im Ernstfall darüber entscheiden, ob Ihr persönlicher Wille tatsächlich umgesetzt wird oder nicht.

Ältere Frau sitzt an einem Schreibtisch, schreibt Dokumente, umgeben von Büchern und Pflanzen in einem hellen Raum.

Rechtliche Gültigkeit: Die Grundvoraussetzungen

Die rechtliche Grundlage der Patientenverfügung in Deutschland ist in § 1827 BGB verankert. Für eine rechts­gültige Patienten­verfügung müssen nur vier Grund­voraussetzungen erfüllt sein:

  1. Sie müssen voll­jährig sein
  2. Sie müssen einwilligungs­fähig sein
  3. Die Verfügung muss schriftlich abgefasst sein
  4. Sie muss Ihre persönliche Unterschrift tragen

Eine notarielle Beglaubigung oder ärztliche Bestätigung ist für die reine Rechts­gültigkeit nicht erforderlich. Eine Patienten­verfügung ist grund­sätzlich ohne zeitliche Beschränkung gültig und kann jederzeit formlos widerrufen werden[2].

Viele Menschen glauben, dass eine rechtlich gültige Patienten­verfügung automatisch dazu führt, dass ihr Wille im Ernstfall genau so umgesetzt wird, wie sie es sich vorgestellt haben. Dies ist jedoch ein gefährlicher Irrtum. Eine Patienten­verfügung kann trotz recht­licher Gültigkeit in der Praxis unwirksam sein.

Wirksamkeit: Der entscheidende Faktor im Ernstfall

Während die Gültigkeit einer Patienten­verfügung durch die Erfüllung formaler Kriterien erreicht wird, bezieht sich die Wirksamkeit auf den tatsäch­lichen Inhalt und seine Anwend­barkeit im konkreten Fall.

Eine wirksame Patienten­verfügung zeichnet sich durch präzise, unmiss­verständliche Formu­lierungen aus, die keinen oder nur sehr geringen Inter­pretations­spielraum lassen. Der Bundes­gerichtshof hat in einem Urteil von 2016 die Anforde­rungen definiert, die für eine bindende Wirkung einer Patienten­verfügung notwendig sind[4].

Im Anwendungs­fall wird der Inhalt Ihrer Patienten­verfügung immer auf die Passgenauig­keit zur aktuell ein­getretenen Situation geprüft. Sind Ihre Wünsche nicht klar und konkret genug formuliert, könnten Ärzt:innen und Betreuer:innen Schwierig­keiten haben, Ihren tatsäch­lichen Willen zu erkennen und umzusetzen[11].

Beispiele für problematische Formulierungen

Folgende Aussagen sind zu vage und können im Ernstfall dazu führen, dass Ihre Patienten­verfügung unwirksam bleibt:

“Ich möchte würdevoll sterben.”

  • Diese Formu­lierung lässt völlig offen, was für Sie persönlich ein würde­volles Sterben bedeutet. Jeder Mensch hat hierzu unter­schiedliche Vor­stellungen.

“Ich lehne lebens­verlängernde Maßnahmen ab.”

  • Diese allgemeine Aussage reicht nach der Recht­sprechung des Bundes­gerichts­hofs nicht aus, da nicht spezi­fiziert wird, welche konkreten Maß­nahmen in welchen Situationen gemeint sind[4].

Inhaltliche Anforderungen für eine wirksame Patientenverfügung

Für eine wirksame Patienten­verfügung sollten folgende Punkte ausführlich und konkret behandelt werden:

1. Persönliche Angaben

Eine Patienten­verfügung muss eindeutig Ihnen zugeordnet werden können. Hierzu gehören:

  • Vollständiger Name
  • Geburts­datum
  • Anschrift
  • Datum der Erstellung
  • Ihre Unterschrift[4]

2. Konkrete Anwendungs­situationen

Beschreiben Sie möglichst genau, in welchen medizi­nischen Situationen Ihre Verfügung gelten soll, zum Beispiel:

  • Im unmittel­baren Sterbe­prozess
  • Bei unheil­baren, tödlich verlaufenden Krankheiten im End­stadium
  • Bei schweren Gehirn­schädigungen mit dauerhaftem Verlust der Kommunikations­fähigkeit
  • Bei fortgeschrittener Demenz­erkrankung[6]

3. Präzise medizinische Anweisungen

Geben Sie konkret an, welche medizinischen Maßnahmen Sie in den beschriebenen Situationen wünschen oder ablehnen:

4. Benennung von Vertrauens­personen

Die Kombination Ihrer Patienten­verfügung mit einer Vorsorge­vollmacht und Betreuungs­verfügung ist sehr sinnvoll. So stellen Sie sicher, dass eine Person Ihres Vertrauens Ihren Willen durchsetzen kann[3].

Wichtig: Eine Vorsorge­vollmacht ist ausschließlich im Original gültig und legitim­iert Ihre Vertrauens­person, in Ihrem Sinne zu handeln.

Praktische Empfehlungen für eine wirksame Patientenverfügung

Ärztliche Beratung in Anspruch nehmen

Obwohl nicht gesetzlich vorgeschrieben, ist eine medizinische Beratung vor der Erstellung Ihrer Patienten­verfügung sehr empfehlens­wert. Medizinische Fach­personen können Ihnen helfen, die verschiedenen medizi­nischen Situationen und Behandlungs­optionen zu verstehen und Ihre Wünsche präzise zu formu­lieren[1].

Eine solche Beratung kann auch später als Nachweis dienen, dass Sie zum Zeitpunkt der Erstellung einwilligungs­fähig waren und die Tragweite Ihrer Entscheidungen verstanden haben.

Persönliche Wertvor­stellungen dokumentieren

Um Ihren Willen noch deutlicher zu machen, ist es hilfreich, Ihre persön­lichen Wert­vorstellungen und Lebens­einstellungen in Ihrer Patienten­verfügung zu beschreiben. Dies kann bei der Auslegung Ihrer konkreten Wünsche unterstützend wirken[6].

Beispielsweise könnten Sie erläutern, was für Sie persönlich Lebens­qualität bedeutet und welche Umstände Sie als nicht mehr lebenswert erachten würden.

Regelmäßige Überprüfung und Aktualisierung

Obwohl eine Patienten­verfügung keine gesetzliche Erneuerungs­pflicht hat, ist eine regel­mäßige Überprüfung und Bestätigung empfehlens­wert. Dies gibt allen Beteiligten die Sicherheit, dass Ihre niederge­legten Wünsche noch aktuell sind[11].

Empfehlung: Überprüfen Sie Ihre Patienten­verfügung alle ein bis zwei Jahre und versehen Sie sie mit einem aktuellen Datum und Ihrer Unterschrift.

Aufbewahrung und Information

Sorgen Sie dafür, dass Ihre Patienten­verfügung im Ernstfall gefunden wird:

  • Informieren Sie Ihre Angehörigen und Vertrauens­personen über die Existenz und den Aufbewahrungs­ort Ihrer Patienten­verfügung
  • Tragen Sie einen Hinweis­karte in Ihrem Porte­monnaie
  • Bewahren Sie eine Kopie bei Ihrer Hausärztin oder Ihrem Hausarzt auf
  • Geben Sie ein Exemplar an Ihre bevoll­mächtigte Person

Die Bedeutung einer rechtssicheren Patientenverfügung

Eine wirksame Patienten­verfügung gibt Ihnen die Sicherheit, dass Ihre persönlichen Wünsche auch dann respektiert werden, wenn Sie sich selbst nicht mehr äußern können. Sie entlastet zudem Ihre Angehörigen und das medizinische Personal von schwierigen Entscheidungen.

Der Bundes­gerichtshof hat in seiner Rechtsprechung immer wieder betont, wie wichtig konkrete Formulierungen sind. Alltags­formu­lierungen wie “keine lebens­erhaltenden Maßnahmen” oder “würdevolles Sterben” reichen nicht aus, da sie zu viel Inter­pretations­spielraum lassen[4].

Ein weiterer wichtiger Punkt: Nach § 1827 BGB kann niemand zur Errichtung einer Patienten­verfügung verpflichtet werden, und die Erstellung oder Vorlage einer Patienten­verfügung darf nicht zur Bedingung eines Vertrags­schlusses gemacht werden[2].

Fazit: Der feine Unterschied macht den Unterschied

Eine Patienten­verfügung, die zwar rechtlich gültig, aber inhaltlich zu vage formuliert ist, bietet Ihnen keine Gewähr, dass Ihr Wille im Ernstfall auch tatsächlich umgesetzt wird. Der Unter­schied zwischen Gültigkeit und Wirksamkeit kann entscheidend sein.

Nehmen Sie sich daher ausreichend Zeit für die Erstellung Ihrer Patienten­verfügung. Lassen Sie sich fachkundig beraten, formu­lieren Sie Ihre Wünsche präzise und konkret und überprüfen Sie Ihr Dokument regel­mäßig. So stellen Sie sicher, dass Ihre Patienten­verfügung im Ernstfall nicht nur gültig, sondern auch wirksam ist.

Die Kombination aus Patienten­verfügung, Vorsorge­vollmacht und Betreuungs­verfügung bietet den besten Schutz für Ihre Selbst­bestimmung in gesundheit­lichen Krisen­situationen. Gemeinsam bilden diese Dokumente ein solides Fundament für Ihre medizinische Vorsorge.