Organspende und Patientenverfügung: Wie Sie Ihren Willen widerspruchs­frei dokumentieren

Zusammenfassung

Eine Patientenverfügung und ein Organspendeausweis sollten widerspruchsfrei gestaltet werden, da intensivmedizinische Maßnahmen für eine Organspende notwendig sind, die in vielen Patientenverfügungen ausgeschlossen werden. Um Ihren Willen klar zu dokumentieren, empfiehlt es sich, in der Patientenverfügung ausdrücklich Ausnahmen für die Organspende zu formulieren. Eine notarielle Beratung kann dabei helfen, rechtssichere und eindeutige Festlegungen zu treffen.

Die Entscheidung zur Organspende ist ein wichtiger Ausdruck persönlicher Werte, die jedoch in Konflikt mit einer Patientenverfügung geraten kann. Aktuelle Studien zeigen, dass rund 28% der Deutschen eine Patientenverfügung besitzen, wobei knapp die Hälfte darin auch Regelungen zur Organspende trifft. Ein zentrales Problem: Häufig widersprechen sich die Festlegungen in beiden Dokumenten unbeabsichtigt, was dazu führen kann, dass eine gewünschte Organspende nicht umgesetzt werden kann. Eine widerspruchsfreie Dokumentation ist daher entscheidend - wer in seiner Patientenverfügung intensivmedizinische Maßnahmen generell ausschließt, verhindert damit ungewollt auch die für eine Organspende notwendigen medizinischen Schritte. Der folgende Artikel erläutert, wie Sie Ihren Willen zur Organspende klar und rechtssicher festhalten können.

Hände halten ein rotes Herz mit einer weißen EKG-Linie, symbolisch für Gesundheit und Herzpflege.

Unterschiede zwischen Organspende­ausweis und Patientenverfügung

Der Organspende­ausweis ist ein rechts­gültiges, jedoch kein amtliches Dokument. Er ermöglicht Ihnen, Ihre Entscheidung zur Organ- oder Gewebe­spende festzuhalten. Sie können darin der Spende generell zustimmen, sie ablehnen oder die Entnahme auf bestimmte Organe beschränken. Zudem besteht die Möglichkeit, diese Entscheidung an eine Vertrauens­person zu übertragen. Der Ausweis ist etwa so groß wie eine Kredit­karte und wird kostenlos ausgestellt.

Wichtig zu wissen: In Deutschland gibt es kein zentrales Register für Organspender:innen. Damit ärztliches Personal Ihren Willen im Notfall erkennen kann, sollten Sie den Ausweis stets bei sich tragen.

Die Patientenverfügung hingegen ist ein umfassenderes Dokument. Mit ihr legen Sie fest, welche medizinischen und pflegerischen Maßnahmen erfolgen sollen, wenn Sie selbst nicht mehr entscheiden können - einschließlich Ihrer Haltung zur Organspende. Die Patientenverfügung greift, sobald Sie aufgrund einer Erkrankung oder eines Unfalls entscheidungs­unfähig werden.

Rechtlich verbindlich: Seit dem 1. Januar 2009 muss eine Patientenverfügung in schriftlicher Form vorliegen. Eine mündliche Erklärung ist rechtlich nicht bindend - in diesem Fall hat letztlich die behandelnde ärztliche Fachkraft das letzte Wort.

Wann kollidieren Organspende­ausweis und Patientenverfügung?

Ein typischer Konflikt entsteht, wenn Sie im Organspende­ausweis der Organ­spende zustimmen, gleichzeitig aber in Ihrer Patientenverfügung intensiv­medizinische Maßnahmen ausschließen. Diese Konstellation führt zu einem kaum lösbaren Widerspruch.[2]

Der Grund liegt in den medizinischen Voraussetzungen für eine Organspende: Die Organe können grundsätzlich nur bei aufrecht­erhaltenem Kreislauf entnommen werden. Hierfür ist die Feststellung des Hirntods erforderlich, was eine künstliche Beatmung und die Aufrechterhaltung des Herz-Kreislauf-Systems voraussetzt - also genau jene intensiv­medizinischen Maßnahmen, die in vielen Patientenverfügungen explizit ausgeschlossen werden.[11][5]

Fachleute sind sich einig, dass dieser Widerspruch zur niedrigen Zahl an Organspenden in Deutschland beiträgt. Wenn sich Patientenverfügung und Spendeerklärung widersprechen, ist eine vollständige Beachtung des Patienten­willens oft nicht möglich, wie Dr. Doris Dorsel von der Ärztekammer Westfalen-Lippe betont.[2]

Rechtliche Grundlagen der Organspende in Deutschland

In Deutschland gilt die sogenannte “Entscheidungs­lösung”. Das bedeutet: Organe und Gewebe dürfen nach dem Tod nur dann entnommen werden, wenn die verstorbene Person zu Lebzeiten zugestimmt hat oder die Angehörigen stellvertretend ihre Zustimmung geben.[3]

Die Entscheidungs­lösung soll die Menschen bei ihrer Entscheidungs­findung unterstützen und begleiten. Die Aufklärung über die Möglichkeiten der Organ- und Gewebespende soll die gesamte Tragweite der Entscheidung darstellen und ergebnis­offen sein. Mit dieser Aufklärung ist insbesondere die Bundes­zentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) betraut.[3]

Zur Förderung der Entscheidungs­bereitschaft erhalten alle Versicherten ab dem vollendeten 16. Lebensjahr mit ihrer elektronischen Gesundheits­karte kostenlose Informations­materialien sowie einen Organspende­ausweis.[3]

Die Patientenverfügung als umfassendes Vorsorgedokument

Eine Patientenverfügung bietet gegenüber dem Organspende­ausweis wesentliche Vorteile, wenn es um die Dokumentation Ihres Willens zur Organspende geht.

In einer Patientenverfügung können Sie Ihre Haltung zur Organspende differenzierter festlegen. Sie haben die Möglichkeit, genau zu bestimmen, unter welchen Umständen Sie einer Organspende zustimmen und wann Sie diese ablehnen möchten. Diese Flexibilität ist mit einem reinen Organspende­ausweis nicht zu erreichen.

Ein weiterer Vorteil: In der Patientenverfügung können Sie alle medizinischen Wünsche im Zusammenhang darstellen. So vermeiden Sie unbeabsichtigte Widersprüche, die bei separaten Dokumenten leicht entstehen können. Die Patientenverfügung erlaubt Ihnen, Ihre Entscheidung zur Organspende in den größeren Kontext Ihrer gesundheitlichen Vorsorge zu stellen.[5]

Die hohe rechtliche Verbindlichkeit einer ordnungsgemäß erstellten Patientenverfügung ist ein weiteres gewichtiges Argument. Medizinisches Personal muss Ihre darin getroffenen Festlegungen beachten und umsetzen.[9]

Wie Sie Widersprüche zwischen Organspende und Patientenverfügung vermeiden

Um sicherzustellen, dass Ihr Wunsch zur Organspende tatsächlich umgesetzt werden kann, sollten Sie in Ihrer Patientenverfügung eine klare Ausnahme­regelung für den Fall der Organspende formulieren.[10]

Die Bundes­zentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) hat in Zusammenarbeit mit der Bundes­notarkammer eine spezielle Broschüre zum Thema “Organspende in der Patientenverfügung” herausgegeben. Diese Broschüre bietet Hilfestellung, wie Sie eine widerspruchs­freie Dokumentation Ihrer Wünsche erreichen können.[5][10]

Prof. Dr. Martin Dietrich, Kommissarischer Direktor der BZgA, betont: “Die Formulierung der Bereitschaft zur Organspende in einer Patientenverfügung sollte mit Bedacht getroffen werden, damit diese nicht im Widerspruch zu einem geäußerten Wunsch nach einer Organspende steht. Werden bestimmte intensiv­medizinische Maßnahmen wie eine künstliche Beatmung in der Patientenverfügung ausgeschlossen, kann keine Diagnose des Hirntods erfolgen.”[5]

Eine mögliche Formulierung für Ihre Patientenverfügung könnte lauten: “Für den Fall, dass nach meinem Tod eine Organspende medizinisch infrage kommt, erkläre ich mich damit einverstanden, dass in diesem Fall die für die Organspende notwendigen intensiv­medizinischen Maßnahmen (insbesondere die künstliche Beatmung) durchgeführt werden. Diese Einwilligung gilt jedoch nur für den Zeitraum, der für die Durchführung der Organspende erforderlich ist.”

Verbreitung und Akzeptanz von Patientenverfügungen in Deutschland

Die Bedeutung von Patientenverfügungen in Deutschland nimmt kontinuierlich zu. Nach einer aktuellen repräsentativen Studie kennen 92% der Bevölkerung dieses Vorsorge­instrument. Über 37% haben tatsächlich ein solches Dokument erstellt, wobei die Wahrscheinlichkeit mit zunehmendem Alter steigt.[9]

Spezifisch zum Thema Organspende zeigt eine Befragung der BZgA, dass 28% der Befragten eine Patientenverfügung besitzen. Von diesen geben 46% an, sich darin auch zur Organ- und Gewebespende zu äußern. Fünf Prozent derjenigen, die sich für eine Organ- und Gewebespende entschieden haben, dokumentierten dies ausschließlich in der Patientenverfügung, während acht Prozent sowohl den Organspende­ausweis als auch die Patientenverfügung dafür nutzen.[5][10]

Seit der Änderung des Betreuungs­rechts im Jahr 2009 hat die Zahl der Patientenverfügungen ständig zugenommen. 2017 hatten nach einer Erhebung des Deutschen Hospiz- und Palliativ­verbands 43 Prozent der Deutschen ein solches Dokument. Dr. Dorsel von der Ärztekammer Westfalen-Lippe stellt fest: “Patientenverfügung und Organspende­ausweis treffen immer häufiger aufeinander.”[2]

Die Rolle von Notar:innen bei der Erstellung einer Patientenverfügung

Bei der Formulierung und Erstellung von Patientenverfügungen kommt Notar:innen eine wichtige Beratungs­funktion zu. Sie sorgen für eine rechts­sichere Gestaltung und gewährleisten, dass der Inhalt der Patientenverfügung dem tatsächlichen Willen entspricht.[5]

Prof. Dr. Jens Bormann, Präsident der Bundes­notarkammer, erklärt: “Die Patientenverfügung ist ein wichtiges Instrument zur Wahrung des Selbst­bestimmungs­rechts. Unklare oder widersprüchliche Formulierungen führen aber immer wieder zu Streitigkeiten. Eine Patientenverfügung gehört daher in Fachhände.”[5]

Die notarielle Beratung kann besonders wertvoll sein, wenn es darum geht, die Bestimmungen zur Organspende widerspruchs­frei zu formulieren. Notar:innen können dabei helfen, eine Balance zwischen dem Wunsch nach Therapie­begrenzung am Lebensende und dem Wunsch zur Organspende zu finden.[5]

Praktische Empfehlungen für Ihre Vorsorge­dokumente

Wenn Sie sich mit dem Thema Organspende und Patientenverfügung auseinandersetzen, gibt es einige praktische Schritte, die Sie beachten sollten. Zunächst ist es ratsam, sich gründlich zu informieren, bevor Sie eine Entscheidung treffen. Die Bundes­zentrale für gesundheitliche Aufklärung bietet hierzu umfassende und neutrale Informations­materialien an.[3]

Sprechen Sie mit Ihren Angehörigen über Ihre Entscheidung. Dies erleichtert ihnen im Ernstfall, in Ihrem Sinne zu handeln. Besonders wichtig ist auch, dass Sie Ihre Patientenverfügung regelmäßig überprüfen und gegebenenfalls aktualisieren, da sich sowohl die medizinischen Möglichkeiten als auch Ihre persönlichen Vorstellungen im Laufe der Zeit ändern können.[9]

Bewahren Sie Ihre Vorsorge­dokumente an einem gut zugänglichen Ort auf und informieren Sie Vertrauens­personen darüber, wo diese zu finden sind. Für den Organspende­ausweis gilt: Tragen Sie ihn stets bei sich, beispielsweise im Portemonnaie.

Beachten Sie: Ein Testament ist kein geeigneter Ort, um Ihre Wünsche zur Organspende festzuhalten. Es wird in der Regel erst Tage nach Ihrem Tod eröffnet - zu spät für eine Organentnahme.

Fazit: Ihre Entscheidung rechts­sicher dokumentieren

Die Entscheidung für oder gegen eine Organspende ist eine zutiefst persönliche Angelegenheit. Unabhängig davon, wie Sie sich entscheiden, ist es wichtig, dass Ihr Wille klar dokumentiert und im Ernstfall umsetzbar ist.[11]

Die Kombination aus Organspende­ausweis und einer darauf abgestimmten Patientenverfügung bietet die größte Gewähr, dass Ihre Wünsche respektiert werden. Dabei ist es essentiell, dass beide Dokumente inhaltlich übereinstimmen und sich nicht widersprechen.[10]

Die Patientenverfügung ermöglicht Ihnen, detaillierte und differenzierte Festlegungen zu treffen, die über die einfachen Ja/Nein-Optionen eines Organspende­ausweises hinausgehen. Sie können genau bestimmen, unter welchen Umständen Sie einer Organspende zustimmen und welche medizinischen Maßnahmen Sie dafür in Kauf nehmen möchten.[5]

Prof. Dr. Bormann von der Bundes­notarkammer fasst es treffend zusammen: “Die Patientenverfügung ist ein wichtiges Instrument zur Wahrung des Selbst­bestimmungs­rechts.” Nutzen Sie dieses Instrument, um Ihren Willen zur Organspende klar und widerspruchs­frei festzuhalten.[5]