Organspende und Patientenverfügung: Ein weg­wei­sen­der Leitfaden

Zusammenfassung

Die Patienten­verfügung und die Organ­spende­erklärung sollten sorgfältig aufeinander abgestimmt werden, um Widersprüche zu vermeiden. In der Patienten­verfügung kann festgelegt werden, dass intensiv­medizinische Maßnahmen vorübergehend erlaubt sind, wenn sie der Organ­spende dienen. Eine klare Dokumentation und regelmäßige Überprüfung Ihrer Entscheidungen entlasten Angehörige und stellen sicher, dass Ihr Wille respektiert wird.

Die Entscheidung über eine Organ­spende und die Erstellung einer Patienten­verfügung gehören zu den wichtigsten persönlichen Vorsorge­maßnahmen. Beide Dokumente können Leben retten und sicherstellen, dass Ihr Wille in medizinischen Notfall­situationen respektiert wird. Allerdings können zwischen diesen beiden Vorsorge­instrumenten Widersprüche entstehen, die im Ernstfall zu Unsicherheiten führen. Dieser Artikel erklärt, wie Sie Ihre Wünsche zur Organ­spende und Patienten­verfügung harmonisch aufeinander abstimmen können und welche Möglich­keiten Ihnen zur Verfügung stehen.

Zwei ältere Männer in Anzügen arbeiten gemeinsam an einem Laptop in einem gemütlichen Raum mit Bücherregalen.

Die Grundlagen: Organ­spende und Patienten­verfügung verstehen

Was bedeutet Organ­spende?

Eine Organ­spende ermöglicht es, nach dem Tod Organe für Menschen zu spenden, die dringend auf ein Spender­organ angewiesen sind. In Deutschland gilt das Zustimmungs­prinzip: Organe dürfen nur entnommen werden, wenn eine ausdrückliche Zustimmung vorliegt[6]. Dies kann durch einen Organ­spende­ausweis, eine Eintragung im Organ­spende­register oder eine entsprechende Erklärung in der Patienten­verfügung erfolgen.

Was ist eine Patienten­verfügung?

In einer Patienten­verfügung legen Sie fest, welche medizinischen Maßnahmen in bestimmten Situationen durchgeführt oder unterlassen werden sollen, wenn Sie selbst nicht mehr entscheidungs­fähig sind. Die rechtliche Grundlage dafür bildet § 1827 BGB. Häufig enthalten Patienten­verfügungen Anweisungen zur Begrenzung lebens­erhaltender Maßnahmen in aussichts­losen Situationen.

Der potenzielle Widerspruch

Zwischen einer Patienten­verfügung und einer Organ­spende­erklärung können Konflikte entstehen. Der häufigste Widerspruch tritt auf, wenn Sie in Ihrer Patienten­verfügung intensiv­medizinische Maßnahmen wie künstliche Beatmung ablehnen, gleichzeitig aber einer Organ­spende zustimmen[5].

Warum besteht dieser Widerspruch? Für eine Organ­spende müssen bestimmte medizinische Voraussetzungen erfüllt sein:

  1. Der irreversible Ausfall der gesamten Hirn­funktionen (Hirntod) muss festgestellt werden.
  2. Zur Feststellung des Hirntods und zum Erhalt der Organ­funktionen bis zur Entnahme ist die Aufrecht­erhaltung des Herz-Kreislauf-Systems durch intensiv­medizinische Maßnahmen notwendig[4][5].

Wenn Ihre Patienten­verfügung intensiv­medizinische Maßnahmen kategorisch ausschließt, kann dies eine Organ­spende unmöglich machen, selbst wenn Sie grundsätzlich zur Spende bereit wären.

Lösungen für eine widerspruchs­freie Dokumentation

Um diesen Widerspruch zu vermeiden, gibt es mehrere Möglich­keiten:

Klare Formulierung in der Patienten­verfügung

Die sicherste Methode ist eine präzise Formulierung in Ihrer Patienten­verfügung. Sie können festlegen, dass lebens­erhaltende Maßnahmen zwar grundsätzlich nicht gewünscht sind, aber für den Fall einer möglichen Organ­spende vorübergehend fortgeführt werden dürfen[4]. Die Bundes­zentrale für gesundheit­liche Aufklärung (BZgA) empfiehlt spezielle Text­bausteine, die diesen Sachverhalt klar regeln.

Beispiel­formulierung:

“Ich lehne lebens­erhaltende Maßnahmen ab, wenn nach ärztlicher Überzeugung keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins besteht. Falls eine Organ­spende in Frage kommt, stimme ich jedoch ausdrücklich zu, dass notwendige intensiv­medizinische Maßnahmen zur Feststellung des Hirntods und zur Erhaltung der Organ­funktionen bis zur Entnahme durchgeführt werden.”

Dokumentations­möglichkeiten: Wo kann ich meine Entscheidung festhalten?

Patienten­verfügung als optimaler Ort

Die Patienten­verfügung bietet den Vorteil, dass Sie Ihre Wünsche bezüglich einer Organ­spende und lebens­erhaltenden Maßnahmen widerspruchs­frei und detailliert beschreiben können. Sie können genau festlegen, welche Organe Sie spenden möchten und unter welchen Bedingungen intensiv­medizinische Maßnahmen fortgeführt werden dürfen.

Organ­spende­ausweis

Der Organ­spende­ausweis ist eine einfache Möglichkeit, Ihre grundsätzliche Entscheidung für oder gegen eine Organ­spende zu dokumentieren. Allerdings bietet er weniger Raum für detaillierte Festlegungen[6]. Wenn Sie bereits eine Patienten­verfügung haben, sollten Sie auf einen separaten Organ­spende­ausweis verzichten, um mögliche Widersprüche zu vermeiden.

Das neue Organ­spende-Register

Seit 2022 gibt es ein Online-Register, in dem Sie Ihre Entscheidung zur Organ­spende digital hinterlegen können[7]. Dieses Register dient als zusätzliche Option neben dem Organ­spende­ausweis und der Patienten­verfügung. Die gesetzliche Grundlage bildet das Gesetz zur Stärkung der Entscheidungs­bereitschaft bei der Organ­spende, das am 1. März 2022 in Kraft getreten ist[7].

Persönliche Entscheidungs­findung

Die Entscheidung für oder gegen eine Organ­spende ist höchst persönlich und von verschiedenen Faktoren abhängig. Hier einige Perspektiven, die bei der Entscheidungs­findung helfen können:

Für eine Organ­spende:

Viele Menschen sehen in der Organ­spende eine Möglichkeit, anderen auch nach dem eigenen Tod zu helfen. So beschreibt Ante (24): “Ich finde den Gedanken einfach aufregend, dass mein Körper nicht sinnlos verrottet, sondern jemanden retten kann.”[8]

Gegen eine Organ­spende:

Andere Menschen haben Bedenken gegenüber einer Organ­spende. Elke (58) erklärt: “Ich möchte mein Leben möglichst ruhig in den Tod ausklingen lassen. Dies würde durch die für die Spende erforderlichen medizinischen Maßnahmen für mich nicht möglich sein.”[8]

Praktische Hinweise für Ihre Entscheidung

Detaillierungs­grad Ihrer Festlegung

Sie können Ihre Organ­spende­bereitschaft sehr differenziert erklären. Es ist möglich, die Spende auf bestimmte Organe zu beschränken oder einzelne Organe von der Spende auszuschließen[6]. In der Patienten­verfügung haben Sie zudem die Möglichkeit, weitere Bedingungen zu formulieren.

Regelmäßige Überprüfung

Es ist ratsam, Ihre Entscheidung zur Organ­spende und Ihre Patienten­verfügung in regelmäßigen Abständen zu überprüfen. Wie Elke aus den Meinungs­beispielen betont: “Absolut entspannt ist, dass ich die jeweilige Entscheidung jederzeit überdenken und auch ganz leicht ändern kann.”[8]

Kommunikation mit Angehörigen

Informieren Sie Ihre nächsten Angehörigen über Ihre Entscheidung und den Aufbewahrungs­ort Ihrer Dokumente. Im Ernstfall können Ihre Angehörigen so Ihren Willen vertreten, wenn die medizinischen Fach­kräfte keine Kenntnis von Ihrer Verfügung haben.

Aktuelle rechtliche Situation in Deutschland

In Deutschland gilt weiterhin die Zustimmungs­lösung bei der Organ­spende. Das bedeutet: Organe und Gewebe dürfen nur entnommen werden, wenn eine Zustimmung zur Spende vorliegt[6]. Anders als in einigen europäischen Nachbar­ländern, wo die Widerspruchs­lösung gilt, muss in Deutschland der Organ­spende aktiv zugestimmt werden.

Das Gesetz zur Stärkung der Entscheidungs­bereitschaft, das 2020 verabschiedet wurde, bestätigt die Patienten­verfügung als geeigneten Ort für die Dokumentation der Organ­spende­bereitschaft. Es sieht zudem die Einrichtung eines Online-Registers vor, in dem Bürger:innen ihre Entscheidung digital hinterlegen können[4][7].

Medizinische Voraussetzungen für eine Organ­spende

Damit eine Organ­spende überhaupt in Betracht gezogen werden kann, muss zunächst der unumkehrbare Ausfall der gesamten Hirn­funktionen (Hirntod) festgestellt werden. Diese Diagnostik erfordert zwingend die künstliche Beatmung und die Aufrecht­erhaltung des Herz-Kreislauf-Systems[5]. Nur so können die Organ­funktionen bis zur Entnahme erhalten bleiben.

Wichtig zu wissen: Die intensiv­medizinischen Maßnahmen nach Feststellung des Hirntods dienen ausschließlich dem Erhalt der Organ­funktionen und nicht mehr der Behandlung der verstorbenen Person.

Zusammenfassung: Die wichtigsten Punkte im Überblick

  1. Treffen Sie eine bewusste Entscheidung für oder gegen eine Organ­spende und dokumentieren Sie diese schriftlich.

  2. Bei gleichzeitiger Zustimmung zur Organ­spende und Ablehnung lebens­erhaltender Maßnahmen in der Patienten­verfügung können Widersprüche entstehen.

  3. Die Patienten­verfügung ist der beste Ort, um beide Aspekte widerspruchs­frei zu regeln. Nehmen Sie konkrete Formulierungen auf, die eine zeitlich begrenzte Fortsetzung intensiv­medizinischer Maßnahmen zum Zweck der Organ­spende erlauben.

  4. Alternativen zur Dokumentation sind der Organ­spende­ausweis und das neue Organ­spende-Register.

  5. Informieren Sie Ihre Angehörigen über Ihre Entscheidung und den Aufbewahrungs­ort Ihrer Dokumente.

Eine gut durchdachte und klar dokumentierte Entscheidung zur Organ­spende in Verbindung mit einer präzisen Patienten­verfügung gibt Ihnen die Sicherheit, dass Ihr Wille auch in schwierigen Situationen respektiert wird. Gleichzeitig entlasten Sie Ihre Angehörigen und das behandelnde medizinische Personal, da keine Interpretations­spielräume oder Widersprüche bestehen.