Mit den Eltern über Vorsorge sprechen: Ein praktischer Ratgeber
Zusammenfassung
Ein Gespräch mit den Eltern über Vorsorge wie Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht ist wichtig, um ihre Wünsche für den Ernstfall festzuhalten und rechtliche Unsicherheiten zu vermeiden. Es sollte frühzeitig, einfühlsam und gut vorbereitet geführt werden, um Selbstbestimmung zu gewährleisten und allen Beteiligten Sicherheit zu geben. Eine klare Kommunikation und schriftliche Dokumente erleichtern Entscheidungen in Krisensituationen erheblich.
Ein Gespräch mit den Eltern über Vorsorgemaßnahmen für den Ernstfall zu führen, gehört zu den wichtigsten und zugleich herausforderndsten Aufgaben für erwachsene Kinder. Die meisten Menschen möchten sich über schwierige Szenarien wie Unfälle oder schwere Krankheiten keine Gedanken machen. Besonders dann nicht, wenn die eigene Sterblichkeit im Raum steht. Dennoch ist es für alle Beteiligten hilfreich, frühzeitig über Themen wie Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht zu sprechen. Dieser Ratgeber zeigt Ihnen, wie Sie solche Gespräche einfühlsam und erfolgreich führen können.

Warum ein Gespräch über Vorsorge notwendig ist
Ohne schriftliche Vorsorgedokumente stehen Familienmitglieder im Ernstfall oft ratlos und hilflos da. Wenn Ihre Eltern einen schweren Unfall erleiden oder plötzlich erkranken und keine Vorsorgevollmacht existiert, können Sie als Kind nicht automatisch für Ihre Eltern entscheiden - denn Angehörige sind nicht automatisch vertretungsbefugt. In solchen Fällen muss oft ein gerichtlicher Betreuer bestellt werden, was mit zusätzlichem Aufwand und emotionaler Belastung verbunden ist.[9]
Eine Patientenverfügung stellt sicher, dass der Wille Ihrer Eltern umgesetzt wird, auch wenn sie sich in der aktuellen Situation nicht mehr selbst äußern können. So können Patient:innen für den Fall ihrer Einwilligungsunfähigkeit vorsorglich festlegen, dass in einer bestimmten Situation bestimmte medizinische Maßnahmen durchzuführen oder zu unterlassen sind[4]. Dies gibt allen Beteiligten Sicherheit und verhindert Konflikte in einer ohnehin schon belastenden Zeit.
Ein frühzeitiges Gespräch über Vorsorge gibt Ihren Eltern die Möglichkeit, selbstbestimmt zu entscheiden und ihre Wünsche festzuhalten. Es ermöglicht klare Verhältnisse für alle Familienmitglieder und erleichtert Ihnen als Kind schwierige Entscheidungen, wenn Sie wissen, was Ihre Eltern sich wünschen würden.
Der passende Zeitpunkt für das Vorsorge-Gespräch
Expert:innen raten, sich spätestens ab dem 60. Lebensjahr mit dem Thema Vorsorge auseinanderzusetzen[10]. Dennoch ist eine frühe Auseinandersetzung sinnvoll, denn Unfälle oder schwere Erkrankungen können jederzeit eintreten. Warten Sie nicht, bis kognitive Fähigkeiten nachlassen oder Mobilitätsprobleme auftreten. Je früher Sie sich mit Ihren Eltern um die Vorsorge kümmern, desto besser.
Das Gespräch selbst sollte in einer unbelasteten Situation stattfinden, so dass keine negativen Gefühle mit einfließen[10]. Vermeiden Sie es, das Thema in einer Stresssituation oder unmittelbar nach einem medizinischen Zwischenfall anzusprechen. Suchen Sie einen ruhigen Moment, in dem alle Beteiligten entspannt und aufnahmefähig sind.
Besonders dringlich wird das Thema, wenn Sie bei Ihren Eltern Vergesslichkeit, Probleme bei alltäglichen Aufgaben oder gesundheitliche Einschränkungen bemerken. Auch vor geplanten Operationen oder längeren Krankenhausaufenthalten ist ein Gespräch über Vorsorgemaßnahmen sinnvoll.
Vorbereitung auf das Gespräch mit den Eltern
Eine gute Vorbereitung ist der Schlüssel zu einem konstruktiven Gespräch über Vorsorge. Informieren Sie sich vorab selbst über das Thema Vorsorge. Machen Sie sich mit den verschiedenen Vorsorgedokumenten vertraut, wie Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung. Verstehen Sie deren rechtliche Bedeutung und die häufigen Fallstricke bei der Erstellung.
Überlegen Sie sich im Vorfeld, welche Aspekte für Ihre Familie besonders wichtig sind. Es kann hilfreich sein, sich konkrete Szenarien zu überlegen, anhand derer Sie das Gespräch mit Ihren Eltern führen können. Machen Sie sich bewusst, dass es nicht darum geht, Ihren Eltern etwas aufzuzwingen, sondern sie bei wichtigen Entscheidungen zu unterstützen und ihnen zu helfen, ihre Wünsche umzusetzen.
Als Grundlage für die Entscheidungen sollten immer die individuellen Lebensumstände und die persönlichen Wünsche und Vorstellungen der Eltern stehen[2]. Bereiten Sie sich also darauf vor, gut zuzuhören und die Bedürfnisse Ihrer Eltern in den Mittelpunkt zu stellen.
Einfühlsame Gesprächsführung für erfolgreiche Vorsorge-Gespräche
Der richtige Blickwinkel kann entscheidend sein: Betrachten Sie die Patientenverfügung vor allem als Respekt vor dem Leben und nicht als Planung des Todes. Es ist leicht, Patientenverfügungen als Zeichen für den bevorstehenden Tod zu betrachten. Tatsächlich geht es jedoch vor allem darum, sich für bestimmte Szenarien abzusichern und selbst im Notfall Selbstbestimmung behalten zu können.
Stellen Sie konkrete Fragen, die ein tieferes Gespräch eröffnen können: “Was wünscht du dir für das Ende deines Lebens?” Sobald Ihre Eltern die eigenen Wünsche und Überzeugungen erläutern, können Sie weitere Fragen stellen und das Gespräch in die gewünschte Richtung lenken. Sie können auch Ihre eigenen Wünsche mitteilen, damit das Gespräch tatsächlich ein Austausch ist und kein Verhör.
Die Verwendung konkreter Szenarien kann hilfreich sein: “Stell dir vor, du hast einen schweren Unfall und landest im künstlichen Koma. Möchtest du unter jeden Umständen und möglichst lange am Leben gehalten werden? Oder gibt es Szenarien, wo du Palliativmedizin oder den Tod vorziehen würdest?” Solche Beispiele bringen Ihre Eltern schnell dazu, sich Gedanken zu machen und eigene Wünsche zu formulieren.
Wichtig: Denken Sie daran, dass Sie mit den Entscheidungen Ihrer Eltern nicht übereinstimmen müssen. Die Entscheidungen in einer Patientenverfügung sind sehr persönlich. Es geht um die Wünsche Ihrer Eltern, nicht um Ihre eigenen Vorstellungen.
Wenn Sie Eltern mit volljährigen Kindern sind und eine Patientenverfügung verfassen, sollten Sie den Inhalt mit Ihren Kindern besprechen: “Wir würden gerne mit euch über unsere Patientenverfügung sprechen, damit ihr unsere Entscheidungen besser verstehen könnt. Es ist uns wichtig, dass ihr über alle unsere Wünsche informiert seid.” Das macht es den Kindern einfacher, die Entscheidungen nachzuvollziehen und gemäß dem mutmaßlichen Willen zu entscheiden, falls ein Szenario eintrifft, das in der Patientenverfügung nicht beschrieben wurde.
Wesentliche Vorsorge-Themen für das Elterngespräch
Ein umfassendes Vorsorgegespräch mit den Eltern sollte mehrere wichtige Bereiche abdecken. Die Patientenverfügung ermöglicht es Ihren Eltern, für den Fall ihrer Einwilligungsunfähigkeit medizinische Entscheidungen vorwegzunehmen. So können etwa Wünsche zu noch nicht unmittelbar bevorstehenden Untersuchungen des Gesundheitszustands, Heilbehandlungen oder ärztlichen Eingriffen festgelegt werden[4]. Die rechtliche Grundlage dafür findet sich in § 1827 BGB.
Die Vorsorgevollmacht ist ein weiteres zentrales Dokument. Mit dieser Vollmacht bevollmächtigen Ihre Eltern eine oder mehrere Personen, in ihrem Namen zu handeln, falls sie selbst dazu nicht mehr in der Lage sind. Dies kann verschiedene Bereiche umfassen wie Gesundheitsfürsorge, Vermögenssorge oder Wohnungsangelegenheiten[2].
Falls keine Patientenverfügung vorliegt oder die Festlegungen nicht auf die aktuelle Lebens- oder Behandlungssituation zutreffen, entscheidet die Vertreterin oder der Vertreter nach Erörterung der in Frage kommenden ärztlichen Maßnahmen mit der Ärztin oder dem Arzt auf der Grundlage des mutmaßlichen Patientenwillens über die anstehende Behandlung[4].
Neben diesen formalen Dokumenten ist es auch wichtig zu besprechen, wo diese Dokumente im Notfall zu finden sind. Informieren Sie Ihre Kinder auch darüber, wo die Patientenverfügung im Ernstfall zu finden ist. Ihre Patientenverfügung nützt wenig, wenn sie nicht gefunden oder den Ärzt:innen zu spät übergeben wird. Ein Notfallordner bietet sich an.
Auch Wünsche für Pflege und Betreuung sollten Themen sein. Wie stellen sich Ihre Eltern ihre Versorgung im Alter vor? Möchten sie so lange wie möglich zu Hause bleiben? Können oder wollen Sie als Kind Pflegeaufgaben übernehmen? Sprechen Sie auch über die finanzielle Situation Ihrer Eltern und wie mögliche Pflegekosten gedeckt werden können.
Jede einwilligungsfähige volljährige Person kann eine Patientenverfügung verfassen, die sie jederzeit formlos widerrufen kann. Es ist sinnvoll, sich von einer Ärztin, einem Arzt oder einer anderen fachkundigen Person beraten zu lassen[4].
Strategien bei Widerstand gegen das Vorsorge-Gespräch
Nicht selten stoßen Kinder bei ihren Eltern auf Ablehnung, wenn sie das Thema Vorsorge ansprechen. Viele Eltern ängstigen sich vor dem Gedanken, dass etwas passieren könnte und vermeiden lieber jegliche Auseinandersetzung damit[10]. Das ist verständlich, denn niemand setzt sich gerne mit dem eigenen Altern oder der eigenen Sterblichkeit auseinander.
Wenn Sie auf Widerstand stoßen, akzeptieren Sie zunächst die Ablehnung und drängen Sie nicht. Versuchen Sie, die Gründe für den Widerstand zu verstehen. Oft liegt es an Ängsten oder Missverständnissen. Sie können vorschlagen, das Thema zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufzugreifen. Manchmal ist es hilfreich, gemeinsam zu einem Beratungsgespräch zu gehen, beispielsweise zu einer Ärztin, einem Arzt oder einer Rechtsanwält:in.
Teilen Sie Ihre eigenen Sorgen mit: “Ich mache mir Gedanken, was passieren würde, wenn du plötzlich nicht mehr selbst entscheiden könntest. Ich möchte in einer solchen Situation gerne nach deinem Willen handeln können.” So zeigen Sie, dass es Ihnen nicht darum geht, Kontrolle zu übernehmen, sondern den Willen Ihrer Eltern zu respektieren.
Erklären Sie Ihren Eltern, warum Vorsorge so wichtig ist. Vor allem zwei Punkte sind hier wichtig: Zum einen sollten Ihre Eltern verstehen, dass Vorsorge nicht nur mit dem Alter zu tun hat, sondern für jeden Menschen wichtig ist, weil Schicksalsschläge jeden treffen können. Zum anderen sollten Sie erklären, wie hilflos Sie ohne die richtige Vorsorge im Ernstfall sein würden.
Besonders überzeugend kann es sein, wenn Sie selbst mit gutem Beispiel vorangehen. Erstellen Sie Vorsorgedokumente nicht nur für Ihre Eltern, sondern auch für sich selbst. Das zeigt, dass Sie das Thema ernst nehmen und dass es nicht nur um Ihre Eltern geht.
Konkrete Schritte nach einem erfolgreichen Gespräch
Nach einem konstruktiven Gespräch über Vorsorge ist es wichtig, dass konkrete Schritte folgen. Vergessen Sie nicht, die Patientenverfügung schriftlich zu erstellen. Ohne schriftliche Patientenverfügung können Sie im Ernstfall nicht immer für Ihre Eltern entscheiden. Außerdem kann es zu Missverständnissen kommen, wenn Sie sich nur mündlich an das Gespräch erinnern. Eine Patientenverfügung bietet Sicherheit und Präzision.
Bieten Sie an, Ihre Eltern bei der Erstellung der Dokumente zu unterstützen. Sie können gemeinsam die nötigen Formulare besorgen oder bei der Formulierung der Patientenverfügung helfen. Zur Erstellung einer individuellen Patientenverfügung können Textbausteine des Bundesministeriums der Justiz als Anregung und Formulierungshilfe dienen[4].
Es kann auch sinnvoll sein, Ihre Eltern zu einem Beratungsgespräch bei einer Ärztin oder einem Arzt zu begleiten. Treffen die konkreten Festlegungen in einer Patientenverfügung auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation der Patientin oder des Patienten zu, sind die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt wie auch die Pflegefachpersonen daran gebunden[4].
Vorsorgedokumente sollten regelmäßig überprüft und bei Bedarf aktualisiert werden. Planen Sie ein, etwa alle zwei Jahre oder bei wesentlichen Änderungen der Lebensumstände erneut über das Thema zu sprechen.
Sorgen Sie dafür, dass alle relevanten Familienmitglieder über die getroffenen Entscheidungen informiert sind. Das hilft, spätere Konflikte zu vermeiden und stellt sicher, dass im Ernstfall alle wissen, was zu tun ist.
Vorsorge-Gespräche bei beginnenden kognitiven Einschränkungen
Wenn die kognitiven Fähigkeiten Ihrer Eltern bereits nachlassen, erfordert das Gespräch besondere Sensibilität. Wichtig ist zu wissen, dass Vorsorgedokumente nur erstellt werden können, solange die betreffende Person einwilligungsfähig ist.
Wählen Sie für das Gespräch einen Zeitpunkt, an dem Ihre Eltern aufnahmefähig und ausgeruht sind. Sprechen Sie langsam und in einfachen Sätzen. Vermeiden Sie es, zu viele Themen auf einmal anzusprechen, und geben Sie Ihren Eltern Zeit zum Nachdenken. Wiederholen Sie wichtige Punkte und vergewissern Sie sich, dass Ihre Eltern alles verstanden haben.
Bei Unsicherheit bezüglich der Einwilligungsfähigkeit sollten Sie ärztlichen Rat einholen. Ein:e Ärzt:in kann beurteilen, ob Ihre Eltern noch in der Lage sind, die Tragweite ihrer Entscheidungen zu verstehen und entsprechend zu handeln.
Bei der Gestaltung der Pubertät als Entwicklungsaufgabe für den Jugendlichen und seine Eltern sowie seine Familie gibt es Parallelen zum Thema Vorsorge. Beide Themen betreffen Übergangsphasen im Leben und erfordern eine Anpassung aller Beteiligten[5]. So wie Eltern und Kinder in der Pubertät neue Wege der Kommunikation finden müssen, so müssen auch erwachsene Kinder und ihre älter werdenden Eltern einen neuen Umgang miteinander finden.
Vorsorge schafft Sicherheit für alle Beteiligten
Mit Ihren Eltern über Vorsorge zu sprechen, ist kein Zeichen von Pessimismus, sondern von Verantwortungsbewusstsein und Fürsorge. Es geht darum, Wünsche und Vorstellungen zu respektieren und für den Fall der Fälle vorbereitet zu sein.
Ein offenes Gespräch kann nicht nur praktische Fragen klären, sondern auch die Beziehung zu Ihren Eltern vertiefen. Es zeigt, dass Sie sich Gedanken machen und für sie da sein möchten - auch in schwierigen Zeiten. Nehmen Sie sich die Zeit für dieses wichtige Gespräch. Es kann anfangs unbequem sein, wird langfristig aber allen Beteiligten mehr Sicherheit geben.
Bedenken Sie: Grundlage für die Vorsorgeplanung sollten immer die individuellen Lebensumstände und die persönlichen Wünsche Ihrer Eltern sein[2]. Es gibt keine Vorsorgeplanung “von der Stange”. Jeder Fall ist anders, und jede Familie hat ihre eigenen Bedürfnisse und Prioritäten.
Mit einer frühzeitigen und umfassenden Vorsorgeplanung können Sie gemeinsam mit Ihren Eltern dafür sorgen, dass in Krisenzeiten alle Entscheidungen im Sinne Ihrer Eltern getroffen werden. Das gibt Allen Sicherheit und Frieden - jetzt und in der Zukunft.