Patientenverfügung bei Krebs: Selbstbestimmung in schweren Zeiten

Zusammenfassung

Eine Patienten­verfügung ermöglicht es Ihnen, bei einer Krebs­erkrankung Ihren Willen für medizinische Maßnahmen festzulegen, falls Sie selbst nicht mehr entscheidungs­fähig sind. Sie schafft Klarheit für Ärzt:innen und Angehörige, entlastet in schwierigen Situationen und sichert Ihre Selbst­bestimmung. Besonders bei fortgeschrittenen Krankheits­stadien ist sie ein wichtiges Instrument, um persönliche Wünsche zu respektieren und die Lebens­qualität zu wahren.

Eine Krebsdiagnose verändert das Leben grundlegend. Neben der Auseinandersetzung mit Therapie­optionen und medizinischen Entscheidungen stellt sich für viele Betroffene auch die Frage: Was geschieht, wenn ich selbst nicht mehr entscheiden kann? Eine Patienten­verfügung bietet die Möglichkeit, den eigenen Willen für solche Situationen festzuhalten und damit Selbst­bestimmung zu wahren - auch dann, wenn Sie sich nicht mehr selbst äußern können.

Ein älterer Mann bespricht Dokumente mit einem Arzt in einem gemütlich eingerichteten Raum.

Was ist eine Patientenverfügung und warum ist sie bei Krebs besonders wichtig?

Eine Patientenverfügung ist ein rechtlich verbindliches Dokument, in dem Sie als Patient:in im Voraus festlegen können, welche medizinischen Maßnahmen in bestimmten Situationen durchgeführt oder unterlassen werden sollen[6]. Dies gilt für den Fall, dass Sie nicht mehr einwilligungs­fähig sind. Die Patientenverfügung basiert auf dem Grundrecht jedes Menschen auf Selbst­bestimmung, welches im deutschen Grundgesetz verankert ist.

Bei einer Krebs­erkrankung kann es verschiedene Situationen geben, in denen eine Patienten­verfügung wichtig wird. Dazu gehören Komplikationen während einer Behandlung oder fortgeschrittene Krankheits­stadien mit eingeschränkter Kommunikations­fähigkeit. Besonders im palliativen Stadium, wenn es um Entscheidungen zur Lebens­qualität geht, oder bei Bewusst­losigkeit kann das Dokument entscheidend sein[10]. Eine Patienten­verfügung gibt Ärzt:innen, Angehörigen und Betreuer:innen klare Handlungs­anweisungen und entlastet sie von schwierigen Entscheidungen. Gleichzeitig stellt sie sicher, dass Ihre persönlichen Wünsche respektiert werden[5].

Rechtliche Grundlagen der Patientenverfügung

Die Patientenverfügung ist in Deutschland seit 2009 gesetzlich verankert. Die rechtliche Grundlage findet sich in § 1827 BGB (früher § 1901a BGB)[7]. Das Gesetz definiert die Patienten­verfügung als schriftliche Festlegung einer volljährigen Person darüber, ob sie in bestimmte medizinische Maßnahmen einwilligt oder sie untersagt.

Wichtig zu wissen: Eine Patienten­verfügung muss schriftlich verfasst und mit Datum und Unterschrift versehen sein. Die Verfügung gilt unabhängig von Art und Stadium einer Erkrankung[7]. Eine notarielle Beglaubigung ist nicht zwingend erforderlich, kann aber sinnvoll sein[5]. Die Patienten­verfügung kann jederzeit formlos widerrufen werden. Der Bundes­gerichtshof hat 2016 entschieden, dass pauschale Formulierungen wie “keine lebens­erhaltenden Maßnahmen” nicht ausreichen[5]. Die Anweisungen sollten stattdessen möglichst konkret sein.

Inhalt einer Patientenverfügung bei Krebserkrankungen

Bei einer Krebs­erkrankung sind einige besondere Aspekte für eine Patienten­verfügung zu bedenken. Der Inhalt sollte verschiedene Punkte behandeln, die im Folgenden näher erläutert werden.

Medizinische Situationen

Sie sollten konkret beschreiben, für welche Situationen Ihre Verfügung gelten soll. Bei einer Krebs­erkrankung könnte dies eine unheilbare, tödlich verlaufende Krebs­erkrankung im Endstadium sein[7]. Auch andere Szenarien wie ein irreversibles Koma, schwere Hirn­schädigungen mit dauerhaftem Verlust der Entscheidungs­fähigkeit oder eine weit fortgeschrittene Demenz können relevant sein. Je genauer Sie die Situationen beschreiben, desto besser kann Ihr Wille später umgesetzt werden[7].

Medizinische Maßnahmen

In Ihrer Patienten­verfügung sollten Sie festlegen, welche konkreten medizinischen Maßnahmen Sie in den beschriebenen Situationen wünschen oder ablehnen. Bei Krebs­erkrankungen können dies Entscheidungen über künstliche Ernährung und Flüssigkeits­zufuhr, künstliche Beatmung oder Wieder­belebungs­maßnahmen sein[7]. Auch Fragen zur Schmerz­therapie und Symptom­kontrolle, zur Antibiotika­gabe bei Infektionen, zu Blut­transfusionen, zur Dialyse oder zu weiteren Operations­interventionen sollten bedacht werden. Ihre Entscheidungen sollten möglichst differenziert und situationsbezogen sein.

Palliative Betreuung

Besonders bei Krebs­erkrankungen sind Angaben zur palliativen Versorgung wichtig. Hierzu gehören Ihre Wünsche zur Schmerz­behandlung und Ihre Präferenzen zum Sterbeort, sei es zu Hause, im Hospiz oder im Krankenhaus. Manche Menschen haben auch Wünsche bezüglich geistlichen Beistands oder persönliche Vorstellungen zur Begleitung am Lebensende. Diese sollten Sie in Ihrer Verfügung ebenfalls festhalten.

Unterschied zwischen Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht

Eine Patientenverfügung allein reicht oft nicht aus. Sie legt zwar fest, welche medizinischen Maßnahmen Sie wünschen oder ablehnen, aber es braucht eine Person, die für die Umsetzung Ihres Willens sorgt[6][10].

Die Vorsorge­vollmacht ergänzt die Patienten­verfügung, indem Sie eine Person Ihres Vertrauens bevollmächtigen, in Ihrem Sinne zu entscheiden und zu handeln, wenn Sie dies selbst nicht mehr können[5]. Diese Person ist dann berechtigt, mit Ärzt:innen zu sprechen und in Ihrem Namen Entscheidungen zu treffen.

Die Betreuungs­verfügung ist eine Alternative zur Vorsorge­vollmacht. Hier schlagen Sie eine Person vor, die vom Gericht als Betreuer:in bestellt werden soll, falls dies notwendig wird[10].

Es ist sinnvoll, sowohl eine Patienten­verfügung als auch eine Vorsorge­vollmacht zu erstellen, um eine gute Vorsorge zu treffen[5][10].

Praktische Schritte zur Erstellung einer wirksamen Patientenverfügung

Informieren und Reflektieren

Informieren Sie sich gründlich über medizinische Möglichkeiten und Grenzen. Machen Sie sich Gedanken über Ihre eigenen Werte, Wünsche und Ängste. Was bedeutet für Sie persönlich Lebens­qualität? Welche Einschränkungen wären für Sie akzeptabel, welche nicht?[7] Diese Reflexion bildet die Grundlage für Ihre späteren Entscheidungen und hilft Ihnen, eine Patienten­verfügung zu verfassen, die wirklich Ihren Wünschen entspricht.

Gespräche führen

Sprechen Sie mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt über Ihre Krebs­erkrankung und mögliche Verläufe[6]. Fragen Sie nach, welche Situationen eintreten könnten und welche Behandlungs­optionen es dann gibt. Diese Informationen helfen Ihnen, Ihre Patienten­verfügung konkret zu formulieren. Besprechen Sie Ihre Gedanken auch mit Angehörigen oder Freund:innen, besonders mit der Person, die Sie bevollmächtigen möchten. Diese Gespräche können schwierig sein, sind aber wichtig, damit Ihre Vertrauens­person Ihren Willen kennt und später in Ihrem Sinne handeln kann[9].

Formulieren

Nutzen Sie bewährte Formulierungs­hilfen, etwa die Textbausteine des Bundes­ministeriums der Justiz[7]. Pauschale Formulare zum Ankreuzen sind oft zu ungenau[9]. Besser ist eine individuell verfasste Verfügung. Achten Sie auf klare, eindeutige Formulierungen und vermeiden Sie Missverständnisse. Je konkreter Sie Ihre Wünsche beschreiben, desto besser können sie später umgesetzt werden.

Überprüfen lassen

Lassen Sie Ihren Entwurf von einer Fachperson (Ärzt:in, Rechtsanwält:in) überprüfen[6]. So stellen Sie sicher, dass Ihre Verfügung rechtlich einwandfrei und medizinisch sinnvoll ist. Diese Fachpersonen können auch auf Punkte hinweisen, die Sie vielleicht vergessen haben, oder Formulierungen vorschlagen, die noch präziser sind.

Unterzeichnen und verteilen

Versehen Sie die Patienten­verfügung mit Datum und Unterschrift[5]. Händigen Sie Kopien an vertraute Personen, Ihre bevollmächtigte Person und Ihre behandelnden Ärzt:innen aus. Das Original sollten Sie gut auffindbar aufbewahren. Es kann auch sinnvoll sein, einen Hinweis auf die Existenz der Patienten­verfügung in Ihrem Portemonnaie zu tragen.

Besondere Überlegungen für Krebspatient:innen

Bei einer Krebs­erkrankung ergeben sich besondere Fragen, die Sie in Ihrer Patienten­verfügung berücksichtigen sollten.

Therapiebegrenzung vs. Symptomkontrolle

Es ist wichtig zu unterscheiden zwischen der Begrenzung lebens­verlängernder Therapien und der Linderung von Symptomen. Auch wenn Sie keine weitere Tumor­therapie wünschen, können Sie dennoch eine gute Schmerz­therapie erhalten[10]. Diese Unterscheidung sollten Sie in Ihrer Patienten­verfügung klar treffen. Sie können beispielsweise festlegen, dass auf weitere Chemo­therapien verzichtet werden soll, wenn diese nur noch lebens­verlängernd wirken, gleichzeitig aber eine optimale Schmerz­linderung gewünscht wird.

Studienteilnahme

Überlegen Sie, ob Sie an klinischen Studien teilnehmen möchten, falls Standard­therapien nicht mehr wirken[8]. Legen Sie fest, unter welchen Bedingungen Sie einer Studien­teilnahme zustimmen würden. Dies kann besonders dann relevant sein, wenn neuartige Therapien nur im Rahmen von Studien zugänglich sind. Ihre Entscheidung hierzu kann für Ihre behandelnden Ärzt:innen eine wichtige Orientierung sein.

Organspende

Klären Sie, ob Sie Organ­spender:in sein möchten[7]. Dies kann mit den Festlegungen in der Patienten­verfügung in Konflikt geraten, da für eine Organ­entnahme meist intensiv­medizinische Maßnahmen nötig sind, die in der Patienten­verfügung möglicherweise ausgeschlossen wurden. Wenn Sie Organ­spender:in sein möchten, sollten Sie diesen scheinbaren Widerspruch in Ihrer Patienten­verfügung auflösen, indem Sie beispielsweise intensiv­medizinische Maßnahmen zum Zweck der Organ­spende ausdrücklich erlauben.

Aktualisierung und Anpassung im Krankheitsverlauf

Eine Patienten­verfügung ist kein starres Dokument. Besonders bei einer Krebs­erkrankung kann sich die Situation ändern, und damit auch Ihre Einstellung zu bestimmten Maßnahmen[9].

Regelmäßige Überprüfung: Sehen Sie Ihre Verfügung regelmäßig durch, besonders nach wichtigen Diagnosen, Therapie­entscheidungen oder Änderungen Ihres Gesundheits­zustands[9]. Manchmal verändert sich die Sicht auf bestimmte Maßnahmen im Verlauf einer Erkrankung. Was zu Beginn vielleicht undenkbar erschien, kann später akzeptabel werden - oder umgekehrt.

Aktualisierung: Versehen Sie die Patienten­verfügung bei jeder Bestätigung oder Änderung mit einem neuen Datum und Ihrer Unterschrift. Dies zeigt, dass Sie sich kürzlich mit dem Inhalt auseinandergesetzt haben und er nach wie vor Ihrem Willen entspricht[9].

Änderungen mitteilen: Informieren Sie alle, die eine Kopie Ihrer Verfügung haben, über Aktualisierungen. So stellen Sie sicher, dass im Ernstfall die aktuellste Version Ihrer Patienten­verfügung zur Verfügung steht und nach Ihrem aktuellen Willen gehandelt wird.

Schlussgedanken

Eine Patienten­verfügung ist ein wichtiges Instrument, um Ihre Selbst­bestimmung auch in Zeiten zu wahren, in denen Sie sich selbst nicht mehr äußern können. Gerade bei einer schweren Erkrankung wie Krebs kann sie für Klarheit sorgen und Angehörige entlasten[10].

Die Auseinandersetzung mit diesem Thema ist nicht leicht, aber sie schafft Sicherheit - für Sie und Ihre Angehörigen. Nehmen Sie sich Zeit für diesen Prozess und suchen Sie bei Bedarf fachkundige Unterstützung[6].

Mit einer durchdachten Patienten­verfügung können Sie auch in schwierigen Zeiten Ihrer Krebs­erkrankung selbst­bestimmt bleiben und sicherstellen, dass Ihre Wünsche respektiert werden. Die Würde des Menschen bleibt so auch in den letzten Lebens­phasen gewahrt, was eines der zentralen Anliegen unseres Rechts­systems ist.