Patientenverfügung bei Krebs: Selbstbestimmung in schweren Zeiten
Zusammenfassung
Eine Patientenverfügung ermöglicht es Ihnen, bei einer Krebserkrankung Ihren Willen für medizinische Maßnahmen festzulegen, falls Sie selbst nicht mehr entscheidungsfähig sind. Sie schafft Klarheit für Ärzt:innen und Angehörige, entlastet in schwierigen Situationen und sichert Ihre Selbstbestimmung. Besonders bei fortgeschrittenen Krankheitsstadien ist sie ein wichtiges Instrument, um persönliche Wünsche zu respektieren und die Lebensqualität zu wahren.
- Was ist eine Patientenverfügung und warum ist sie bei Krebs besonders wichtig?
- Rechtliche Grundlagen der Patientenverfügung
- Inhalt einer Patientenverfügung bei Krebserkrankungen
- Unterschied zwischen Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht
- Praktische Schritte zur Erstellung einer wirksamen Patientenverfügung
- Besondere Überlegungen für Krebspatient:innen
- Aktualisierung und Anpassung im Krankheitsverlauf
- Schlussgedanken
Eine Krebsdiagnose verändert das Leben grundlegend. Neben der Auseinandersetzung mit Therapieoptionen und medizinischen Entscheidungen stellt sich für viele Betroffene auch die Frage: Was geschieht, wenn ich selbst nicht mehr entscheiden kann? Eine Patientenverfügung bietet die Möglichkeit, den eigenen Willen für solche Situationen festzuhalten und damit Selbstbestimmung zu wahren - auch dann, wenn Sie sich nicht mehr selbst äußern können.

Was ist eine Patientenverfügung und warum ist sie bei Krebs besonders wichtig?
Eine Patientenverfügung ist ein rechtlich verbindliches Dokument, in dem Sie als Patient:in im Voraus festlegen können, welche medizinischen Maßnahmen in bestimmten Situationen durchgeführt oder unterlassen werden sollen[6]. Dies gilt für den Fall, dass Sie nicht mehr einwilligungsfähig sind. Die Patientenverfügung basiert auf dem Grundrecht jedes Menschen auf Selbstbestimmung, welches im deutschen Grundgesetz verankert ist.
Bei einer Krebserkrankung kann es verschiedene Situationen geben, in denen eine Patientenverfügung wichtig wird. Dazu gehören Komplikationen während einer Behandlung oder fortgeschrittene Krankheitsstadien mit eingeschränkter Kommunikationsfähigkeit. Besonders im palliativen Stadium, wenn es um Entscheidungen zur Lebensqualität geht, oder bei Bewusstlosigkeit kann das Dokument entscheidend sein[10]. Eine Patientenverfügung gibt Ärzt:innen, Angehörigen und Betreuer:innen klare Handlungsanweisungen und entlastet sie von schwierigen Entscheidungen. Gleichzeitig stellt sie sicher, dass Ihre persönlichen Wünsche respektiert werden[5].
Rechtliche Grundlagen der Patientenverfügung
Die Patientenverfügung ist in Deutschland seit 2009 gesetzlich verankert. Die rechtliche Grundlage findet sich in § 1827 BGB (früher § 1901a BGB)[7]. Das Gesetz definiert die Patientenverfügung als schriftliche Festlegung einer volljährigen Person darüber, ob sie in bestimmte medizinische Maßnahmen einwilligt oder sie untersagt.
Wichtig zu wissen: Eine Patientenverfügung muss schriftlich verfasst und mit Datum und Unterschrift versehen sein. Die Verfügung gilt unabhängig von Art und Stadium einer Erkrankung[7]. Eine notarielle Beglaubigung ist nicht zwingend erforderlich, kann aber sinnvoll sein[5]. Die Patientenverfügung kann jederzeit formlos widerrufen werden. Der Bundesgerichtshof hat 2016 entschieden, dass pauschale Formulierungen wie “keine lebenserhaltenden Maßnahmen” nicht ausreichen[5]. Die Anweisungen sollten stattdessen möglichst konkret sein.
Inhalt einer Patientenverfügung bei Krebserkrankungen
Bei einer Krebserkrankung sind einige besondere Aspekte für eine Patientenverfügung zu bedenken. Der Inhalt sollte verschiedene Punkte behandeln, die im Folgenden näher erläutert werden.
Medizinische Situationen
Sie sollten konkret beschreiben, für welche Situationen Ihre Verfügung gelten soll. Bei einer Krebserkrankung könnte dies eine unheilbare, tödlich verlaufende Krebserkrankung im Endstadium sein[7]. Auch andere Szenarien wie ein irreversibles Koma, schwere Hirnschädigungen mit dauerhaftem Verlust der Entscheidungsfähigkeit oder eine weit fortgeschrittene Demenz können relevant sein. Je genauer Sie die Situationen beschreiben, desto besser kann Ihr Wille später umgesetzt werden[7].
Medizinische Maßnahmen
In Ihrer Patientenverfügung sollten Sie festlegen, welche konkreten medizinischen Maßnahmen Sie in den beschriebenen Situationen wünschen oder ablehnen. Bei Krebserkrankungen können dies Entscheidungen über künstliche Ernährung und Flüssigkeitszufuhr, künstliche Beatmung oder Wiederbelebungsmaßnahmen sein[7]. Auch Fragen zur Schmerztherapie und Symptomkontrolle, zur Antibiotikagabe bei Infektionen, zu Bluttransfusionen, zur Dialyse oder zu weiteren Operationsinterventionen sollten bedacht werden. Ihre Entscheidungen sollten möglichst differenziert und situationsbezogen sein.
Palliative Betreuung
Besonders bei Krebserkrankungen sind Angaben zur palliativen Versorgung wichtig. Hierzu gehören Ihre Wünsche zur Schmerzbehandlung und Ihre Präferenzen zum Sterbeort, sei es zu Hause, im Hospiz oder im Krankenhaus. Manche Menschen haben auch Wünsche bezüglich geistlichen Beistands oder persönliche Vorstellungen zur Begleitung am Lebensende. Diese sollten Sie in Ihrer Verfügung ebenfalls festhalten.
Unterschied zwischen Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht
Eine Patientenverfügung allein reicht oft nicht aus. Sie legt zwar fest, welche medizinischen Maßnahmen Sie wünschen oder ablehnen, aber es braucht eine Person, die für die Umsetzung Ihres Willens sorgt[6][10].
Die Vorsorgevollmacht ergänzt die Patientenverfügung, indem Sie eine Person Ihres Vertrauens bevollmächtigen, in Ihrem Sinne zu entscheiden und zu handeln, wenn Sie dies selbst nicht mehr können[5]. Diese Person ist dann berechtigt, mit Ärzt:innen zu sprechen und in Ihrem Namen Entscheidungen zu treffen.
Die Betreuungsverfügung ist eine Alternative zur Vorsorgevollmacht. Hier schlagen Sie eine Person vor, die vom Gericht als Betreuer:in bestellt werden soll, falls dies notwendig wird[10].
Es ist sinnvoll, sowohl eine Patientenverfügung als auch eine Vorsorgevollmacht zu erstellen, um eine gute Vorsorge zu treffen[5][10].
Praktische Schritte zur Erstellung einer wirksamen Patientenverfügung
Informieren und Reflektieren
Informieren Sie sich gründlich über medizinische Möglichkeiten und Grenzen. Machen Sie sich Gedanken über Ihre eigenen Werte, Wünsche und Ängste. Was bedeutet für Sie persönlich Lebensqualität? Welche Einschränkungen wären für Sie akzeptabel, welche nicht?[7] Diese Reflexion bildet die Grundlage für Ihre späteren Entscheidungen und hilft Ihnen, eine Patientenverfügung zu verfassen, die wirklich Ihren Wünschen entspricht.
Gespräche führen
Sprechen Sie mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt über Ihre Krebserkrankung und mögliche Verläufe[6]. Fragen Sie nach, welche Situationen eintreten könnten und welche Behandlungsoptionen es dann gibt. Diese Informationen helfen Ihnen, Ihre Patientenverfügung konkret zu formulieren. Besprechen Sie Ihre Gedanken auch mit Angehörigen oder Freund:innen, besonders mit der Person, die Sie bevollmächtigen möchten. Diese Gespräche können schwierig sein, sind aber wichtig, damit Ihre Vertrauensperson Ihren Willen kennt und später in Ihrem Sinne handeln kann[9].
Formulieren
Nutzen Sie bewährte Formulierungshilfen, etwa die Textbausteine des Bundesministeriums der Justiz[7]. Pauschale Formulare zum Ankreuzen sind oft zu ungenau[9]. Besser ist eine individuell verfasste Verfügung. Achten Sie auf klare, eindeutige Formulierungen und vermeiden Sie Missverständnisse. Je konkreter Sie Ihre Wünsche beschreiben, desto besser können sie später umgesetzt werden.
Überprüfen lassen
Lassen Sie Ihren Entwurf von einer Fachperson (Ärzt:in, Rechtsanwält:in) überprüfen[6]. So stellen Sie sicher, dass Ihre Verfügung rechtlich einwandfrei und medizinisch sinnvoll ist. Diese Fachpersonen können auch auf Punkte hinweisen, die Sie vielleicht vergessen haben, oder Formulierungen vorschlagen, die noch präziser sind.
Unterzeichnen und verteilen
Versehen Sie die Patientenverfügung mit Datum und Unterschrift[5]. Händigen Sie Kopien an vertraute Personen, Ihre bevollmächtigte Person und Ihre behandelnden Ärzt:innen aus. Das Original sollten Sie gut auffindbar aufbewahren. Es kann auch sinnvoll sein, einen Hinweis auf die Existenz der Patientenverfügung in Ihrem Portemonnaie zu tragen.
Besondere Überlegungen für Krebspatient:innen
Bei einer Krebserkrankung ergeben sich besondere Fragen, die Sie in Ihrer Patientenverfügung berücksichtigen sollten.
Therapiebegrenzung vs. Symptomkontrolle
Es ist wichtig zu unterscheiden zwischen der Begrenzung lebensverlängernder Therapien und der Linderung von Symptomen. Auch wenn Sie keine weitere Tumortherapie wünschen, können Sie dennoch eine gute Schmerztherapie erhalten[10]. Diese Unterscheidung sollten Sie in Ihrer Patientenverfügung klar treffen. Sie können beispielsweise festlegen, dass auf weitere Chemotherapien verzichtet werden soll, wenn diese nur noch lebensverlängernd wirken, gleichzeitig aber eine optimale Schmerzlinderung gewünscht wird.
Studienteilnahme
Überlegen Sie, ob Sie an klinischen Studien teilnehmen möchten, falls Standardtherapien nicht mehr wirken[8]. Legen Sie fest, unter welchen Bedingungen Sie einer Studienteilnahme zustimmen würden. Dies kann besonders dann relevant sein, wenn neuartige Therapien nur im Rahmen von Studien zugänglich sind. Ihre Entscheidung hierzu kann für Ihre behandelnden Ärzt:innen eine wichtige Orientierung sein.
Organspende
Klären Sie, ob Sie Organspender:in sein möchten[7]. Dies kann mit den Festlegungen in der Patientenverfügung in Konflikt geraten, da für eine Organentnahme meist intensivmedizinische Maßnahmen nötig sind, die in der Patientenverfügung möglicherweise ausgeschlossen wurden. Wenn Sie Organspender:in sein möchten, sollten Sie diesen scheinbaren Widerspruch in Ihrer Patientenverfügung auflösen, indem Sie beispielsweise intensivmedizinische Maßnahmen zum Zweck der Organspende ausdrücklich erlauben.
Aktualisierung und Anpassung im Krankheitsverlauf
Eine Patientenverfügung ist kein starres Dokument. Besonders bei einer Krebserkrankung kann sich die Situation ändern, und damit auch Ihre Einstellung zu bestimmten Maßnahmen[9].
Regelmäßige Überprüfung: Sehen Sie Ihre Verfügung regelmäßig durch, besonders nach wichtigen Diagnosen, Therapieentscheidungen oder Änderungen Ihres Gesundheitszustands[9]. Manchmal verändert sich die Sicht auf bestimmte Maßnahmen im Verlauf einer Erkrankung. Was zu Beginn vielleicht undenkbar erschien, kann später akzeptabel werden - oder umgekehrt.
Aktualisierung: Versehen Sie die Patientenverfügung bei jeder Bestätigung oder Änderung mit einem neuen Datum und Ihrer Unterschrift. Dies zeigt, dass Sie sich kürzlich mit dem Inhalt auseinandergesetzt haben und er nach wie vor Ihrem Willen entspricht[9].
Änderungen mitteilen: Informieren Sie alle, die eine Kopie Ihrer Verfügung haben, über Aktualisierungen. So stellen Sie sicher, dass im Ernstfall die aktuellste Version Ihrer Patientenverfügung zur Verfügung steht und nach Ihrem aktuellen Willen gehandelt wird.
Schlussgedanken
Eine Patientenverfügung ist ein wichtiges Instrument, um Ihre Selbstbestimmung auch in Zeiten zu wahren, in denen Sie sich selbst nicht mehr äußern können. Gerade bei einer schweren Erkrankung wie Krebs kann sie für Klarheit sorgen und Angehörige entlasten[10].
Die Auseinandersetzung mit diesem Thema ist nicht leicht, aber sie schafft Sicherheit - für Sie und Ihre Angehörigen. Nehmen Sie sich Zeit für diesen Prozess und suchen Sie bei Bedarf fachkundige Unterstützung[6].
Mit einer durchdachten Patientenverfügung können Sie auch in schwierigen Zeiten Ihrer Krebserkrankung selbstbestimmt bleiben und sicherstellen, dass Ihre Wünsche respektiert werden. Die Würde des Menschen bleibt so auch in den letzten Lebensphasen gewahrt, was eines der zentralen Anliegen unseres Rechtssystems ist.