Beatmung ist nicht gleich Beatmung: Wichtige Unterscheidung für Ihre Patientenverfügung
Zusammenfassung
In einer Patientenverfügung sollte zwischen invasiver und nicht-invasiver Beatmung differenziert werden, da beide Methoden unterschiedliche Auswirkungen auf Bewusstsein, Lebensqualität und Überlebenschancen haben. Eine pauschale Ablehnung kann lebensrettende Maßnahmen verhindern, während eine präzise Formulierung Ihre Selbstbestimmung wahrt und medizinische Fachkräfte klar anleitet. Ärztliche Beratung und Gespräche mit Angehörigen sind entscheidend, um informierte Entscheidungen zu treffen.
- Zwei grundlegend verschiedene Beatmungsmethoden
- Überlebenschancen und Lebensqualität: Deutliche Vorteile der nicht-invasiven Beatmung
- Risiken und Nebenwirkungen der invasiven Beatmung
- Bedeutung für Ihre Patientenverfügung
- Praxisnahe Tipps zur Formulierung in Ihrer Patientenverfügung
- Kostenunterschiede als weiterer Aspekt
- Handlungsempfehlungen für Patient:innen und Angehörige
- Fazit
In vielen Patientenverfügungen wird eine künstliche Beatmung im Notfall oder am Lebensende pauschal abgelehnt. Die Vorstellung, bewusstlos an Beatmungsgeräten angeschlossen zu sein, schreckt verständlicherweise viele Menschen ab. Doch nicht jede Form der Beatmung bedeutet Bewusstseinsverlust und Kontrolle. Die Unterscheidung zwischen invasiver und nicht-invasiver Beatmung kann lebensentscheidend sein und sollte in jeder Patientenverfügung berücksichtigt werden.

Zwei grundlegend verschiedene Beatmungsmethoden
Die meisten Menschen denken bei künstlicher Beatmung an Intensivstationen mit intubierten, bewusstlosen Patient:innen. Doch es gibt zwei grundlegend verschiedene Arten der Beatmung:
Invasive Beatmung
Bei der invasiven Beatmung wird ein Tubus (Beatmungsschlauch) über den Mund in die Luftröhre eingeführt oder eine Trachealkanüle direkt in die Luftröhre eingesetzt. Diese Methode erfordert[1]:
- Versetzung in ein künstliches Koma
- Vollständigen Bewusstseinsverlust
- Keine Möglichkeit zu kommunizieren oder zu interagieren
- Keine Kontrolle über das eigene Schicksal
- Hohe Beatmungsdrücke und Sauerstoffkonzentrationen
Nicht-invasive Beatmung (NIV)
Die nicht-invasive Beatmung erfolgt über eine Mund-Nasen-Maske oder einen Beatmungshelm, der abgenommen werden kann. Dabei bleiben Patient:innen[1][8]:
- Bei vollem Bewusstsein
- Kommunikationsfähig
- In der Lage zu essen und zu trinken
- Sozial interaktionsfähig
- Mitentscheidend über ihre weitere Behandlung
Wichtig zu wissen: Bei der nicht-invasiven Beatmung behalten Sie die Kontrolle über Ihr Leben und können weiterhin mit Ihren Angehörigen sprechen.
Überlebenschancen und Lebensqualität: Deutliche Vorteile der nicht-invasiven Beatmung
Die Erfahrungen während der Corona-Pandemie haben die Unterschiede zwischen beiden Beatmungsmethoden besonders deutlich gezeigt[1]:
- Bei invasiver Beatmung starb etwa die Hälfte der Covid-Patient:innen
- Bei nicht-invasiver Beatmung starb nur etwa jede:r Zehnte
Das bedeutet: Die nicht-invasive Beatmung ist mit einer fünffach geringeren Sterblichkeit verbunden als die invasive Methode[1].
Darüber hinaus bietet die nicht-invasive Beatmung weitere wichtige Vorteile[1][8]:
- Erhalt der Sprech-, Schluck- und Hustenfunktion
- Deutlich weniger Atemwegsinfekte
- Keine künstliche Ernährung notwendig
- Erhalt der Atemmuskulatur
- Keine langwierige Entwöhnung vom Beatmungsgerät notwendig
- Bessere Lebensqualität während und nach dem Klinikaufenthalt
Medizinische Fachkräfte wie Dr. Thomas Voshaar, Vorstandsvorsitzender des Verbands Pneumologischer Kliniken, betonen: “Deshalb sollte eine invasive Beatmung mit Intubation so lange wie und wo möglich vermieden werden”[1].
Risiken und Nebenwirkungen der invasiven Beatmung
Die invasive Beatmung ist mit erheblichen Risiken verbunden[4][9]:
- Über die Beatmungsschläuche können bakterielle Infektionen in die Lunge gelangen[9]
- Zu hohe Beatmungsdrücke können die Lungenstruktur schädigen[4]
- Hohe Sauerstoffkonzentrationen wirken toxisch auf Zellgewebe und Organe[1]
- Die Zwerchfellmuskulatur (Hauptatemmuskel) kann sich abbauen[9]
- Die Narkose führt oft zu Blutdruckabfall, der medikamentös gegengesteuert werden muss[1]
- Bei längerem Einsatz droht ein akutes Lungenversagen (ARDS)[1]
Alle Komplikationen der maschinellen Beatmung sind mit einer erhöhten Sterblichkeit verbunden, betonen Expert:innen[9].
Bedeutung für Ihre Patientenverfügung
Viele Menschen lehnen in ihrer Patientenverfügung jede Form der künstlichen Beatmung pauschal ab, ohne die Unterschiede zu kennen[1][2][6]. Dies kann dazu führen, dass ihnen im Notfall auch eine schonende, lebensrettende nicht-invasive Beatmung verwehrt bleibt[1].
Dr. Voshaar rät daher: “Anstatt eine Beatmung pauschal abzulehnen, ist es dringend zu empfehlen, dieses Thema in der Patientenverfügung zu berücksichtigen und die diesbezüglichen Wünsche des Patienten entsprechend differenziert zu formulieren”[1].
Die rechtliche Grundlage für Patientenverfügungen ist in § 1827 BGB verankert. Dort ist festgelegt, dass Ihre schriftlich niedergelegten Behandlungswünsche für ärztliches Personal verbindlich sind.
Praxisnahe Tipps zur Formulierung in Ihrer Patientenverfügung
Achten Sie bei der Erstellung oder Überarbeitung Ihrer Patientenverfügung auf folgende Punkte[1][6]:
- Vermeiden Sie pauschale Ablehnungen wie “Ich lehne jede Form der künstlichen Beatmung ab”
- Unterscheiden Sie klar zwischen invasiver und nicht-invasiver Beatmung
- Formulieren Sie Ihre Wünsche differenziert, zum Beispiel:
- “Ich stimme einer nicht-invasiven Beatmung über eine Maske zu, wenn dadurch meine Lebensqualität erhalten werden kann.”
- “Eine invasive Beatmung mit Intubation und künstlichem Koma lehne ich ab, wenn keine Aussicht auf Besserung besteht.”
- Holen Sie ärztlichen Rat ein, um wohlinformierte Entscheidungen zu treffen
- Besprechen Sie Ihre Wünsche mit Ihren Angehörigen und Ihrer Vertrauensperson
Sabine Wolter von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen empfiehlt: “Wer eine Patientenverfügung verfasst hat, sollte das Dokument hinsichtlich der Beatmung nochmal aufmerksam durchlesen”[6].
Kostenunterschiede als weiterer Aspekt
Auch aus gesundheitsökonomischer Sicht gibt es erhebliche Unterschiede[1][5]:
- Nicht-invasive Beatmung: durchschnittlich 5.000 Euro[1]
- Invasive Beatmung: zwischen 34.000 und 70.000 Euro[1][5]
- ECMO-Beatmung (eine besonders intensive Form): durchschnittlich 92.000 Euro[5]
Leider setzt das Gesundheitssystem hier falsche finanzielle Anreize, da für die intensivere, aber oft weniger erfolgreiche invasive Beatmung deutlich mehr abgerechnet werden kann[1].
Handlungsempfehlungen für Patient:innen und Angehörige
- Überprüfen Sie Ihre bestehende Patientenverfügung auf pauschale Formulierungen zur Beatmung[6]
- Informieren Sie sich über die Unterschiede zwischen invasiver und nicht-invasiver Beatmung[1][2]
- Suchen Sie das Gespräch mit einer ärztlichen Fachkraft[1]
- Aktualisieren Sie Ihre Patientenverfügung mit präzisen Angaben zu Ihren Wünschen
- Informieren Sie Ihre Angehörigen über Ihre Entscheidungen
Eine fundierte Entscheidung zur Beatmung in Ihrer Patientenverfügung kann im Notfall lebensentscheidend sein[1][2]. Nehmen Sie sich die Zeit, sich zu informieren und Ihre Wünsche klar zu formulieren. Ihr Selbstbestimmungsrecht gilt auch in medizinischen Krisensituationen - nutzen Sie es.
Fazit
Der Unterschied zwischen invasiver und nicht-invasiver Beatmung ist für viele Menschen nicht bekannt, aber für eine Patientenverfügung von großer Bedeutung[1][2]. Eine pauschale Ablehnung jeder Beatmungsform kann dazu führen, dass Ihnen im Notfall eine schonende und lebensrettende Behandlung vorenthalten wird[1]. Eine fachkundige Beratung und eine differenzierte Formulierung in Ihrer Patientenverfügung können Ihnen helfen, selbstbestimmt Entscheidungen zu treffen, die Ihren persönlichen Wünschen und Werten entsprechen[1][6].