Beat­mung ist nicht gleich Beat­mung: Wichtige Unter­scheidung für Ihre Patien­ten­verfügung

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Zusammenfassung

In einer Patientenverfügung sollte zwischen invasiver und nicht-invasiver Beatmung differenziert werden, da beide Methoden unterschiedliche Auswirkungen auf Bewusstsein, Lebensqualität und Überlebenschancen haben. Eine pauschale Ablehnung kann lebensrettende Maßnahmen verhindern, während eine präzise Formulierung Ihre Selbstbestimmung wahrt und medizinische Fachkräfte klar anleitet. Ärztliche Beratung und Gespräche mit Angehörigen sind entscheidend, um informierte Entscheidungen zu treffen.

In vielen Patien­ten­verfügungen wird eine künst­liche Beat­mung im Notfall oder am Lebens­ende pauschal abge­lehnt. Die Vor­stellung, bewusst­los an Beat­mungs­geräten ange­schlossen zu sein, schreckt ver­ständ­licher­weise viele Menschen ab. Doch nicht jede Form der Beat­mung bedeutet Bewusst­seins­verlust und Kon­trolle. Die Unter­scheidung zwischen invasiver und nicht-invasiver Beat­mung kann lebens­ent­scheidend sein und sollte in jeder Patien­ten­verfügung berück­sichtigt werden.

Zwei Ärzte in einem Krankenhaus diskutieren Dokumente vor medizinischen Geräten im Hintergrund

Zwei grund­legend ver­schiedene Beat­mungs­methoden

Die meisten Menschen denken bei künst­licher Beat­mung an Intensiv­stationen mit intu­bierten, bewusst­losen Patient:innen. Doch es gibt zwei grund­legend ver­schiedene Arten der Beat­mung:

Invasive Beat­mung

Bei der invasiven Beat­mung wird ein Tubus (Beat­mungs­schlauch) über den Mund in die Luft­röhre ein­geführt oder eine Tracheal­kanüle direkt in die Luft­röhre ein­gesetzt. Diese Methode erfordert[1]:

  • Versetzung in ein künst­liches Koma
  • Voll­ständigen Bewusst­seins­verlust
  • Keine Möglich­keit zu kommuni­zieren oder zu inter­agieren
  • Keine Kontrolle über das eigene Schicksal
  • Hohe Beat­mungs­drücke und Sauer­stoff­konzen­trationen

Nicht-invasive Beat­mung (NIV)

Die nicht-invasive Beat­mung erfolgt über eine Mund-Nasen-Maske oder einen Beat­mungs­helm, der abge­nommen werden kann. Dabei bleiben Patient:innen[1][8]:

  • Bei vollem Bewusst­sein
  • Kommuni­kations­fähig
  • In der Lage zu essen und zu trinken
  • Sozial inter­aktions­fähig
  • Mit­ent­scheidend über ihre weitere Behand­lung

Wichtig zu wissen: Bei der nicht-invasiven Beat­mung behalten Sie die Kontrolle über Ihr Leben und können weiter­hin mit Ihren Ange­hörigen sprechen.

Über­lebens­chancen und Lebens­qualität: Deut­liche Vor­teile der nicht-invasiven Beat­mung

Die Erfahrungen während der Corona-Pandemie haben die Unter­schiede zwischen beiden Beat­mungs­methoden besonders deut­lich gezeigt[1]:

  • Bei invasiver Beat­mung starb etwa die Hälfte der Covid-Patient:innen
  • Bei nicht-invasiver Beat­mung starb nur etwa jede:r Zehnte

Das bedeutet: Die nicht-invasive Beat­mung ist mit einer fünf­fach geringeren Sterb­lich­keit verbunden als die invasive Methode[1].

Darüber hinaus bietet die nicht-invasive Beat­mung weitere wichtige Vorteile[1][8]:

  • Erhalt der Sprech-, Schluck- und Husten­funktion
  • Deutlich weniger Atem­wegs­infekte
  • Keine künst­liche Ernährung notwendig
  • Erhalt der Atem­musku­latur
  • Keine lang­wierige Ent­wöhnung vom Beat­mungs­gerät not­wendig
  • Bessere Lebens­qualität während und nach dem Klinik­aufent­halt

Medizi­nische Fach­kräfte wie Dr. Thomas Voshaar, Vor­stands­vorsitzender des Verbands Pneumo­logischer Kliniken, betonen: “Deshalb sollte eine invasive Beat­mung mit Intu­bation so lange wie und wo möglich ver­mieden werden”[1].

Risiken und Neben­wirkungen der invasiven Beat­mung

Die invasive Beat­mung ist mit erheb­lichen Risiken verbunden[4][9]:

  • Über die Beat­mungs­schläuche können bakte­rielle Infek­tionen in die Lunge gelangen[9]
  • Zu hohe Beat­mungs­drücke können die Lungen­struktur schä­digen[4]
  • Hohe Sauer­stoff­konzen­trationen wirken toxisch auf Zell­gewebe und Organe[1]
  • Die Zwerch­fell­musku­latur (Haupt­atem­muskel) kann sich abbauen[9]
  • Die Narkose führt oft zu Blut­druck­abfall, der medika­mentös gegen­gesteuert werden muss[1]
  • Bei längerem Einsatz droht ein akutes Lungen­versagen (ARDS)[1]

Alle Kompli­kationen der maschine­llen Beat­mung sind mit einer erhöhten Sterb­lich­keit verbunden, betonen Expert:innen[9].

Bedeutung für Ihre Patien­ten­verfügung

Viele Menschen lehnen in ihrer Patien­ten­verfügung jede Form der künst­lichen Beat­mung pauschal ab, ohne die Unter­schiede zu kennen[1][2][6]. Dies kann dazu führen, dass ihnen im Notfall auch eine schonende, lebens­rettende nicht-invasive Beat­mung ver­wehrt bleibt[1].

Dr. Voshaar rät daher: “Anstatt eine Beat­mung pauschal abzu­lehnen, ist es dringend zu empfehlen, dieses Thema in der Patien­ten­verfügung zu berück­sichtigen und die dies­bezüg­lichen Wünsche des Patienten ent­sprechend diffe­ren­ziert zu formu­lieren”[1].

Die recht­liche Grund­lage für Patien­ten­verfügungen ist in § 1827 BGB verankert. Dort ist fest­gelegt, dass Ihre schrift­lich nieder­gelegten Behand­lungs­wünsche für ärzt­liches Personal ver­bind­lich sind.

Praxis­nahe Tipps zur Formu­lierung in Ihrer Patien­ten­verfügung

Achten Sie bei der Erstellung oder Über­arbeitung Ihrer Patien­ten­verfügung auf folgende Punkte[1][6]:

  1. Vermeiden Sie pauschale Ableh­nungen wie “Ich lehne jede Form der künst­lichen Beat­mung ab”
  2. Unterscheiden Sie klar zwischen invasiver und nicht-invasiver Beat­mung
  3. Formulieren Sie Ihre Wünsche differen­ziert, zum Beispiel:
    • “Ich stimme einer nicht-invasiven Beat­mung über eine Maske zu, wenn dadurch meine Lebens­qualität erhalten werden kann.”
    • “Eine invasive Beat­mung mit Intu­bation und künst­lichem Koma lehne ich ab, wenn keine Aussicht auf Besserung besteht.”
  4. Holen Sie ärzt­lichen Rat ein, um wohl­infor­mierte Entschei­dungen zu treffen
  5. Besprechen Sie Ihre Wünsche mit Ihren Ange­hörigen und Ihrer Vertrauens­person

Sabine Wolter von der Verbraucher­zentrale Nordrhein-West­falen empfiehlt: “Wer eine Patien­ten­verfügung verfasst hat, sollte das Dokument hin­sicht­lich der Beat­mung noch­mal aufmerk­sam durch­lesen”[6].

Kosten­unter­schiede als weiterer Aspekt

Auch aus gesund­heits­ökono­mischer Sicht gibt es erheb­liche Unter­schiede[1][5]:

  • Nicht-invasive Beat­mung: durch­schnitt­lich 5.000 Euro[1]
  • Invasive Beat­mung: zwischen 34.000 und 70.000 Euro[1][5]
  • ECMO-Beat­mung (eine besonders intensive Form): durch­schnitt­lich 92.000 Euro[5]

Leider setzt das Gesund­heits­system hier falsche finanzielle Anreize, da für die inten­sivere, aber oft weniger erfolg­reiche invasive Beat­mung deutlich mehr abge­rechnet werden kann[1].

Handlungs­empfeh­lungen für Patient:innen und Ange­hörige

  1. Überprüfen Sie Ihre bestehende Patien­ten­verfügung auf pauschale For­mulie­rungen zur Beat­mung[6]
  2. Informieren Sie sich über die Unter­schiede zwischen invasiver und nicht-invasiver Beat­mung[1][2]
  3. Suchen Sie das Gespräch mit einer ärzt­lichen Fach­kraft[1]
  4. Aktuali­sieren Sie Ihre Patien­ten­verfügung mit präzisen Angaben zu Ihren Wünschen
  5. Infor­mieren Sie Ihre Ange­hörigen über Ihre Entschei­dungen

Eine fundierte Entschei­dung zur Beat­mung in Ihrer Patien­ten­verfügung kann im Notfall lebens­ent­scheidend sein[1][2]. Nehmen Sie sich die Zeit, sich zu informieren und Ihre Wünsche klar zu formu­lieren. Ihr Selbst­bestim­mungs­recht gilt auch in medizi­nischen Krisen­situa­tionen - nutzen Sie es.

Fazit

Der Unter­schied zwischen invasiver und nicht-invasiver Beat­mung ist für viele Menschen nicht bekannt, aber für eine Patien­ten­verfügung von großer Bedeutung[1][2]. Eine pauschale Ablehnung jeder Beat­mungs­form kann dazu führen, dass Ihnen im Notfall eine schonende und lebens­rettende Behand­lung vorent­halten wird[1]. Eine fach­kundige Beratung und eine differen­zierte Formu­lierung in Ihrer Patien­ten­verfügung können Ihnen helfen, selbst­bestimmt Entschei­dungen zu treffen, die Ihren persön­lichen Wünschen und Werten entsprechen[1][6].