Die gesetzliche Erbfolge in Deutschland: Wer erbt was ohne Testament?

Zusammenfassung

Die gesetzliche Erbfolge regelt, wer den Nachlass einer verstorbenen Person erhält, wenn kein Testament oder Erbvertrag vorliegt. Sie basiert auf der Verwandtschaftsordnung, wobei nahe Angehörige wie Kinder oder Ehegatt:innen Vorrang haben. Wer von diesen Regelungen abweichen möchte, sollte ein Testament oder einen Erbvertrag erstellen, um den Nachlass individuell zu gestalten.

Die gesetzliche Erbfolge regelt, wer Ihr Vermögen erbt, wenn Sie kein Testament oder keinen Erbvertrag hinterlassen haben. Nach aktuellen Erhebungen haben etwa zwei Drittel der Menschen in Deutschland kein Testament. In diesen Fällen bestimmt das Gesetz, welche An­ge­hö­ri­gen welchen Anteil am Nachlass erhalten. Dieser Artikel erklärt Ihnen, wie die gesetzliche Erbfolge funktioniert, wer in welcher Reihenfolge erbt und welche Alter­na­ti­ven Sie haben.

Schreibtisch mit Dokumenten, Stift und Pflanze, im Hintergrund Bücherregale in warmem Licht.

Grundlagen der gesetzlichen Erbfolge

Die gesetzliche Erbfolge tritt ein, wenn eine Person verstirbt und keine wirksame Ver­fü­gung von Todes wegen (Testament oder Erbvertrag) hinterlassen hat. Auch wenn das Testament ungültig ist oder der testamentarische Erbe die Erbschaft ausschlägt, greift die gesetzliche Erbfolge[7]. Das deutsche Erbrecht ist in den §§ 1924 bis 1936 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) verankert und steht unter verfassungsrechtlichem Schutz. Artikel 14 des Grundgesetzes gewährleistet das Eigentum und das Erbrecht.

Die gesetzliche Erbfolge basiert auf dem Ver­wandt­schafts­grad zum Erblasser: Je näher Sie mit der verstorbenen Person verwandt sind, desto höher ist Ihr Anspruch auf den Nachlass[10]. Die Ver­wandt­schaft wird dabei in verschiedene Ordnungen eingeteilt, wobei nähere Verwandte die entfernteren von der Erbfolge ausschließen.

Die Ordnungen der gesetzlichen Erbfolge

Das deutsche Erbrecht teilt die Ver­wandt­schaft in verschiedene Ordnungen ein. Diese Einteilung bestimmt, wer bei der Erbschaft berücksichtigt wird.

Erben erster Ordnung: Kinder und deren Nachkommen

Zur ersten Ordnung gehören alle Personen, die von der verstorbenen Person ab­stam­men[7]. Dies umfasst:

  • Leibliche Kinder (ehelich und nichtehelich)
  • Adoptivkinder
  • Enkelkinder
  • Urenkel und weitere direkte Nachkommen

Wichtig: Stiefkinder und Pflegekinder zählen nicht zu den gesetzlichen Erben erster Ordnung[7].

Wenn ein Kind des Erblassers bereits verstorben ist, treten dessen Kinder (also die Enkelkinder des Erblassers) an seine Stelle. Dies nennt man das Re­prä­sen­ta­ti­ons­prinzip[8]. Die Kinder des Erblassers erben zu gleichen Teilen[8]. Lebt beispielsweise ein Kind nicht mehr, erhalten dessen Kinder den Erbteil, den ihr Elternteil bekommen hätte.

Erben zweiter Ordnung: Eltern und deren Nachkommen

Wenn keine Erben erster Ordnung vorhanden sind, kommen die Erben zweiter Ordnung zum Zug. Zu ihnen gehören:

  • Die Eltern des Erblassers
  • Geschwister des Erblassers
  • Neffen und Nichten

Leben beide Eltern noch, teilen sie sich das Erbe zu gleichen Teilen. Ist ein Elternteil bereits verstorben, erhalten dessen Nachkommen (also die Geschwister des Erblassers) seinen Anteil[7]. Sind beide Eltern verstorben, erben die Geschwister des Erblassers den gesamten Nachlass zu gleichen Teilen.

Erben dritter Ordnung: Großeltern und deren Nachkommen

Gibt es weder Erben erster noch zweiter Ordnung, erben die Angehörigen der dritten Ordnung:

  • Großeltern des Erblassers
  • Onkel und Tanten
  • Cousins und Cousinen

Auch hier gilt das Re­prä­sen­ta­ti­ons­prinzip: Sind Großeltern bereits verstorben, treten deren Kinder (Onkel und Tanten des Erblassers) an ihre Stelle.

Weitere Ordnungen

Das Gesetz kennt theoretisch unbegrenzt viele Ordnungen für immer entferntere Verwandte. In der Praxis kommen die vierte Ordnung (Urgroßeltern und deren Nachkommen) und weitere Ordnungen jedoch selten zum Zug[8].

Grundregel: Erben einer höheren Ordnung schließen Erben niedrigerer Ordnungen vollständig aus[8]. Hat der Erblasser beispielsweise Kinder, erben die Eltern nichts.

Sonderstellung des Ehegatten oder ein­ge­tra­ge­nen Lebenspartners

Ehe­gat­t:in­nen sind keine Verwandten im rechtlichen Sinne, haben aber dennoch ein gesetzliches Erbrecht. Sie erben stets neben den Verwandten des Erblassers[9]. Die Höhe des Erbteils hängt davon ab:

  1. Welche Verwandten neben dem Ehegatten erben
  2. In welchem Güterstand die Eheleute gelebt haben

Lebte das Ehepaar in einer Zu­ge­winn­ge­mein­schaft (gesetzlicher Regelfall), erhält der über­le­ben­de Ehegatte neben Erben erster Ordnung (Kindern) die Hälfte des Nachlasses[9]. Neben Erben zweiter Ordnung beträgt der Erbteil sogar drei Viertel.

Gleichstellung: Ein­ge­tra­ge­ne Le­bens­part­ner:in­nen sind Ehe­gat­t:in­nen erbrechtlich völlig gleichgestellt[9]. Nicht ein­ge­tra­ge­ne Le­bens­part­ner:in­nen hingegen haben kein gesetzliches Erbrecht und gehen ohne Testament leer aus.

Praktische Beispiele zur Verteilung des Erbes

Beispiel 1: Ehepaar mit Kindern

Franz verstirbt und hinterlässt seine Ehefrau Marie und zwei gemeinsame Kinder. Da Franz kein Testament hinterlassen hat, gilt die gesetzliche Erbfolge:

  • Marie erhält als Ehefrau die Hälfte des Nachlasses (bei Zu­ge­winn­ge­mein­schaft)
  • Die beiden Kinder teilen sich die andere Hälfte zu gleichen Teilen, erhalten also je ein Viertel

Beispiel 2: Unverheiratete Person mit Geschwistern

Sophia war unverheiratet und kinderlos. Nach ihrem Tod leben noch ihre Mutter und ihr Bruder. Ihre Schwester ist bereits verstorben, hatte aber zwei Kinder:

  • Die Mutter erhält als Erbin zweiter Ordnung die Hälfte des Nachlasses
  • Der Bruder erhält ein Sechstel
  • Die Kinder der verstorbenen Schwester erhalten zusammen ein Sechstel, also je ein Zwölftel[8]

Alternativen zur gesetzlichen Erbfolge

Wenn Sie nicht möchten, dass Ihr Nachlass nach der gesetzlichen Erbfolge verteilt wird, haben Sie folgende Möglichkeiten:

Testament

Mit einem Testament können Sie selbst bestimmen, wer was von Ihrem Nachlass erhalten soll. Ein Testament können Sie handschriftlich verfassen (eigen­hän­di­ges Testament) oder notariell beurkunden lassen (notarielles Testament)[6].

Erbvertrag

Ein Erbvertrag bietet eine verbindlichere Alternative zum Testament. Er muss immer notariell beurkundet werden und kann nicht einseitig abgeändert werden[6].

Beachten Sie: Auch wenn Sie ein Testament oder einen Erbvertrag errichten, haben bestimmte nahe Angehörige Anspruch auf einen Pflichtteil. Dieser beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils[9].

Wann der Staat erbt

Nur wenn keine erbberechtigten Angehörigen ermittelt werden können, erbt der Staat (Fiskus) den Nachlass[9][10]. Dies kommt in der Praxis selten vor, da meist irgendein entfernter Verwandter gefunden werden kann.

Fazit: Was Sie über die gesetzliche Erbfolge wissen sollten

Die gesetzliche Erbfolge stellt sicher, dass der Nachlass einer verstorbenen Person nach fest­ge­leg­ten Regeln an die engsten Angehörigen verteilt wird. Sie greift immer dann, wenn kein Testament oder Erbvertrag vorliegt. Die Ver­tei­lung erfolgt nach einem klaren System, bei dem nähere Verwandte vor entfernteren erben.

Möchten Sie von diesen gesetzlichen Regelungen abweichen - etwa um Ihren Lebenspartner zu berücksichtigen, eine gemeinnützige Organisation zu unterstützen oder einzelne Personen besonders zu bedenken - ist ein Testament oder Erbvertrag unerlässlich.

Für eine persönliche Gestaltung Ihres Nachlasses und eine rechtssichere Umsetzung Ihrer Wünsche empfiehlt sich die Beratung durch juristische Fach­per­so­nen, um alle Möglichkeiten optimal zu nutzen und spätere Konflikte unter den Erben zu vermeiden.