Geschäftsfähigkeit und Patientenverfügung: Was Sie wissen sollten
Zusammenfassung
Eine Patientenverfügung ist ein wichtiges Vorsorgeinstrument, das Ihre medizinischen Wünsche für den Fall festlegt, dass Sie nicht mehr selbst entscheiden können. Entscheidend für ihre Wirksamkeit ist Ihre Einwilligungsfähigkeitum Zeitpunkt der Erstellung, die sich von der Geschäftsfähigkeit unterscheidet. Eine präzise Formulierung, regelmäßige Aktualisierung und Beratung erhöhen die rechtliche Anerkennung und Umsetzbarkeit Ihrer Verfügung.
- Rechtliche Grundlagen der Patientenverfügung
- Geschäftsfähigkeit, Einwilligungsfähigkeit und Einsichtsfähigkeit: Die Unterschiede
- Wann liegt Geschäftsunfähigkeit vor?
- Einwilligungsfähigkeit und Patientenverfügung: Darauf kommt es an
- Praktische Bedeutung für Ihre Vorsorge
- Häufige Fragen zur Einwilligungsfähigkeit bei der Patientenverfügung
- Die Bedeutung der Beratung bei der Erstellung einer Patientenverfügung
- Fazit
Eine Patientenverfügung wird wirksam, wenn Sie selbst nicht mehr entscheiden können. Doch welche Fähigkeiten brauchen Sie, um überhaupt eine gültige Patientenverfügung zu erstellen? Der Unterschied zwischen Geschäftsfähigkeit und Einwilligungsfähigkeit ist dabei besonders wichtig - und oft nicht leicht zu verstehen. Dieser Artikel erklärt Ihnen die rechtlichen Grundlagen und gibt praktische Hinweise für Ihre Vorsorge.

Rechtliche Grundlagen der Patientenverfügung
Die Patientenverfügung ermöglicht Ihnen, für den Fall vorzusorgen, dass Sie eines Tages nicht mehr selbst über medizinische Behandlungen entscheiden können. In Deutschland ist dieses Vorsorgeinstrument gesetzlich in § 1827 BGB verankert. Darin ist festgelegt, dass jede einwilligungsfähige und volljährige Person eine Patientenverfügung verfassen kann.
Das Gesetz definiert eine Patientenverfügung als schriftliche Festlegung, ob Sie in bestimmte, zum Zeitpunkt der Festlegung noch nicht unmittelbar bevorstehende medizinische Maßnahmen einwilligen oder diese untersagen. Die Patientenverfügung muss schriftlich erfolgen, kann aber jederzeit formlos - also auch mündlich - widerrufen werden.
Geschäftsfähigkeit, Einwilligungsfähigkeit und Einsichtsfähigkeit: Die Unterschiede
Für das Verständnis der rechtlichen Anforderungen an eine Patientenverfügung ist es wichtig, drei verschiedene Fähigkeiten zu unterscheiden:
Was ist Geschäftsfähigkeit?
Geschäftsfähigkeit bezeichnet die Fähigkeit, rechtswirksame Willenserklärungen abzugeben und Rechtsgeschäfte vorzunehmen. Einfach ausgedrückt: Wer geschäftsfähig ist, kann wirksam Verträge schließen - etwa einen Mietvertrag, einen Kaufvertrag oder einen Kreditvertrag.
Nach dem Gesetz sind:
- Volljährige Personen grundsätzlich voll geschäftsfähig
- Kinder unter 7 Jahren geschäftsunfähig
- Kinder und Jugendliche zwischen 7 und 18 Jahren beschränkt geschäftsfähig
- Personen jeden Alters geschäftsunfähig, wenn sie sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befinden
Was ist Einwilligungsfähigkeit?
Die Einwilligungsfähigkeit bezieht sich speziell auf medizinische Entscheidungen. Sie bezeichnet die Fähigkeit, die Bedeutung und Tragweite eines medizinischen Eingriffs zu verstehen und sich entsprechend zu entscheiden.
Die Einwilligungsfähigkeit wird definiert als natürliche Einsichts- und Steuerungsfähigkeit. Sie liegt vor, wenn eine Person:
- Die Folgen und Tragweite einer Behandlung erfassen kann
- Ihren Willen bezogen auf diese Einsicht bilden kann
Wichtig zu wissen: Für eine Patientenverfügung kommt es auf die Einwilligungsfähigkeit an - nicht auf die Geschäftsfähigkeit. Diese beiden Begriffe werden oft verwechselt, bezeichnen aber unterschiedliche Fähigkeiten.
Was ist Einsichtsfähigkeit?
Die Einsichtsfähigkeit beschreibt die Fähigkeit, Folgen des eigenen Handelns abzuschätzen und Zusammenhänge zu verstehen. Sie ist Teil der Einwilligungsfähigkeit, bezieht sich aber allgemeiner auf das Verständnis von Sachverhalten und deren Konsequenzen.
Wann liegt Geschäftsunfähigkeit vor?
Geschäftsunfähig sind Menschen, die aufgrund ihres Alters oder Gesundheitszustands keine rechtsverbindlichen Entscheidungen treffen können. Folgende Umstände können zur Geschäftsunfähigkeit führen:
Fortgeschrittene Demenz
Bei Demenz verlieren Betroffene nach und nach ihre geistigen Fähigkeiten und damit auch ihre Geschäftsfähigkeit. Die häufigste Form der Demenz ist die Alzheimer-Erkrankung. Mit fortschreitendem Krankheitsverlauf sind Betroffene oft nicht mehr in der Lage, die Folgen ihrer Entscheidungen einzuschätzen und rechtsgeschäftliche Entscheidungen zu treffen.
Psychische Erkrankungen mit Wahnvorstellungen und Halluzinationen
Wahnvorstellungen (z.B. Verfolgungswahn) und Halluzinationen führen zu einer veränderten Wahrnehmung der Realität. Wenn diese Symptome stark ausgeprägt sind, können sie die Geschäftsfähigkeit beeinträchtigen, da Betroffene die Tragweite ihrer Entscheidungen nicht mehr realistisch einschätzen können.
Geistige Behinderung
Ob eine geistige Behinderung zur Geschäftsunfähigkeit führt, hängt von ihrer Schwere ab. In bestimmten Fällen können auch Menschen mit geistiger Behinderung beschränkt geschäftsfähig sein. Hier kommt es auf die individuelle Fähigkeit an, die Konsequenzen des eigenen Handelns zu verstehen.
Affektive Störungen
Bei affektiven Störungen wie schweren Depressionen oder einer Manie kann sich die Stimmungslage der Betroffenen so stark verändern, dass die Geschäftsfähigkeit beeinträchtigt wird. Auch Drogenmissbrauch kann zu solchen Störungen und damit zur vorübergehenden Geschäftsunfähigkeit führen.
Einwilligungsfähigkeit und Patientenverfügung: Darauf kommt es an
Für die Wirksamkeit einer Patientenverfügung ist entscheidend, dass die verfassende Person zum Zeitpunkt der Erstellung einwilligungsfähig ist. Das bedeutet, sie muss:
- Volljährig sein - eine Patientenverfügung kann nur von Personen ab 18 Jahren rechtlich bindend erstellt werden
- Die Tragweite der getroffenen Entscheidungen verstehen können
- Fähig sein, ihren Willen frei zu bilden und zu äußern
Die Einwilligungsfähigkeit wird für jede medizinische Entscheidung individuell beurteilt. Eine Person kann beispielsweise für bestimmte einfache Behandlungen noch einwilligungsfähig sein, während sie bei komplexeren Entscheidungen bereits überfordert ist.
Wichtig: Die Einwilligungsfähigkeit ist nicht mit der Geschäftsfähigkeit gleichzusetzen. Eine Person kann geschäftsfähig, aber nicht einwilligungsfähig sein - oder umgekehrt. So könnte beispielsweise jemand mit einer leichten geistigen Behinderung durchaus in der Lage sein, die Folgen einer Bluttransfusion zu verstehen und darüber zu entscheiden, auch wenn die Person keine komplizierten Verträge abschließen kann.
Praktische Bedeutung für Ihre Vorsorge
Die Unterscheidung zwischen Geschäftsfähigkeit und Einwilligungsfähigkeit hat praktische Folgen für Ihre Vorsorge:
Wann sollten Sie eine Patientenverfügung erstellen?
Erstellen Sie Ihre Patientenverfügung möglichst frühzeitig, solange Sie einwilligungsfähig sind. Besonders empfehlenswert ist dies:
- Nach der Vollendung des 18. Lebensjahres
- Bei der allgemeinen Vorsorgeplanung, gemeinsam mit einer Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung
- Nach einer schwerwiegenden Diagnose, aber bevor die Krankheit die Einwilligungsfähigkeit beeinträchtigt
- Vor größeren geplanten medizinischen Eingriffen
Wie stellen Sie die Wirksamkeit Ihrer Patientenverfügung sicher?
Um die Wirksamkeit Ihrer Patientenverfügung zu gewährleisten:
Lassen Sie sich beraten: Besprechen Sie Ihre Vorstellungen mit Ihrer Hausärztin oder Ihrem Hausarzt. Dies hilft nicht nur, medizinische Fragen zu klären, sondern dokumentiert auch indirekt Ihre Einwilligungsfähigkeit zum Zeitpunkt der Erstellung.
Aktualisieren Sie regelmäßig: Überprüfen Sie Ihre Patientenverfügung alle ein bis zwei Jahre und bestätigen Sie mit Datum und Unterschrift, dass sie weiterhin Ihrem Willen entspricht.
Vermeiden Sie Formfehler: Die Patientenverfügung muss schriftlich verfasst und mit Datum versehen sein. Eine eigenhändige Unterschrift ist zwingend erforderlich.
Formulieren Sie konkret: Je genauer Sie Ihre Wünsche beschreiben, desto eher werden sie später umgesetzt. Verzichten Sie auf allgemeine Formulierungen wie “keine lebensverlängernden Maßnahmen”.
Häufige Fragen zur Einwilligungsfähigkeit bei der Patientenverfügung
Was passiert, wenn meine Einwilligungsfähigkeit angezweifelt wird?
Sollte später Ihre Einwilligungsfähigkeit zum Zeitpunkt der Erstellung der Patientenverfügung angezweifelt werden, kann dies die Gültigkeit des Dokuments gefährden. In solchen Fällen kann ein ärztliches Attest hilfreich sein, das Ihre Einwilligungsfähigkeit zum Zeitpunkt der Erstellung bestätigt. Bei schwerwiegenden oder folgenschweren Verfügungen kann eine solche Bescheinigung besonders wertvoll sein.
Können Minderjährige eine Patientenverfügung erstellen?
Für eine rechtsverbindliche Patientenverfügung wird Volljährigkeit vorausgesetzt. Minderjährige können daher keine rechtsgültige Patientenverfügung erstellen. Dennoch sollten die Wünsche und Vorstellungen einwilligungsfähiger Minderjähriger bei medizinischen Entscheidungen berücksichtigt werden. Dies gilt besonders bei chronisch kranken Jugendlichen mit Erfahrung im Umgang mit ihrer Erkrankung.
Wie kann ich meine Patientenverfügung widerrufen?
Eine Patientenverfügung kann jederzeit formlos widerrufen werden. Das bedeutet, dass Sie Ihre Patientenverfügung auch mündlich oder durch nonverbale Kommunikation aufheben können, selbst wenn Sie zum Zeitpunkt des Widerrufs nicht mehr geschäftsfähig sein sollten. Entscheidend ist, dass Sie noch in der Lage sind, Ihren Willen in irgendeiner Form zu äußern.
Die Bedeutung der Beratung bei der Erstellung einer Patientenverfügung
Die Erstellung einer Patientenverfügung ist eine wichtige und manchmal komplexe Aufgabe. Studien zeigen, dass in Deutschland rund 92% der Menschen das Instrument der Patientenverfügung kennen, aber nur etwa 37% tatsächlich ein solches Dokument erstellt haben[8]. Die Gründe für oder gegen die Erstellung einer Patientenverfügung sind vielfältig.
Es ist empfehlenswert, sich bei der Erstellung beraten zu lassen. Folgende Möglichkeiten stehen Ihnen zur Verfügung:
Ärztliche Beratung: Eine Ärztin oder ein Arzt kann Ihnen helfen, die medizinischen Aspekte zu verstehen und Ihre Wünsche präzise zu formulieren.
Rechtliche Beratung: Eine Rechtsanwältin oder ein Rechtsanwalt mit Schwerpunkt Vorsorgerecht kann Sie zu den rechtlichen Aspekten beraten.
Beratungsstellen: Verschiedene gemeinnützige Organisationen bieten kostengünstige oder kostenlose Beratung an.
Eine professionelle Beratung hat mehrere Vorteile: Sie stellt sicher, dass Ihre Patientenverfügung rechtlich einwandfrei ist, medizinisch sinnvolle Anweisungen enthält und Ihre persönlichen Wertvorstellungen angemessen widerspiegelt. Außerdem dokumentiert die Beratung indirekt Ihre Einwilligungsfähigkeit zum Zeitpunkt der Erstellung.
Fazit
Die Patientenverfügung ist ein wichtiges Instrument, um Ihre Selbstbestimmung auch in Situationen zu wahren, in denen Sie nicht mehr selbst entscheiden können. Für ihre Wirksamkeit ist entscheidend, dass Sie zum Zeitpunkt der Erstellung einwilligungsfähig und volljährig sind.
Der Unterschied zwischen Geschäftsfähigkeit und Einwilligungsfähigkeit ist dabei bedeutsam: Während die Geschäftsfähigkeit sich auf die Fähigkeit bezieht, Rechtsgeschäfte vorzunehmen, betrifft die Einwilligungsfähigkeit speziell medizinische Entscheidungen. Für die Patientenverfügung kommt es auf Letztere an.
Um sicherzustellen, dass Ihre Patientenverfügung später anerkannt wird, sollten Sie sich beraten lassen, Ihre Verfügung regelmäßig aktualisieren und konkrete Formulierungen verwenden. So können Sie dazu beitragen, dass Ihre Wünsche respektiert werden, auch wenn Sie diese nicht mehr selbst äußern können.