Geschäftsfähigkeit und Patien­ten­verfügung: Was Sie wissen sollten

Zusammenfassung

Eine Patien­ten­verfügung ist ein wichtiges Vorsorge­instrument, das Ihre medizi­nischen Wünsche für den Fall festlegt, dass Sie nicht mehr selbst entscheiden können. Entscheidend für ihre Wirksam­keit ist Ihre Einwilli­gungs­fähigkeitum Zeitpunkt der Erstellung, die sich von der Geschäfts­fähigkeit unterscheidet. Eine präzise Formu­lierung, regel­mäßige Aktuali­sierung und Beratung erhöhen die rechtliche Anerkennung und Umsetz­barkeit Ihrer Verfügung.

Eine Patien­ten­verfügung wird wirksam, wenn Sie selbst nicht mehr entscheiden können. Doch welche Fähigkeiten brauchen Sie, um überhaupt eine gültige Patien­ten­verfügung zu erstellen? Der Unterschied zwischen Geschäfts­fähigkeit und Einwilli­gungs­fähigkeit ist dabei besonders wichtig - und oft nicht leicht zu verstehen. Dieser Artikel erklärt Ihnen die rechtlichen Grund­lagen und gibt praktische Hinweise für Ihre Vorsorge.

Ein Mann im Anzug arbeitet konzentriert an einem Laptop in einem stilvollen Büro mit Bücherregalen und Pflanzen.

Rechtliche Grund­lagen der Patien­ten­verfügung

Die Patien­ten­verfügung ermöglicht Ihnen, für den Fall vorzu­sorgen, dass Sie eines Tages nicht mehr selbst über medizi­nische Behand­lungen entschei­den können. In Deutschland ist dieses Vorsorge­instrument gesetzlich in § 1827 BGB verankert. Darin ist festgelegt, dass jede einwilli­gungs­fähige und volljährige Person eine Patien­ten­verfügung verfassen kann.

Das Gesetz definiert eine Patien­ten­verfügung als schriftliche Fest­legung, ob Sie in bestimmte, zum Zeitpunkt der Fest­legung noch nicht unmittel­bar bevor­stehende medizi­nische Maßnahmen einwilligen oder diese unter­sagen. Die Patien­ten­verfügung muss schriftlich erfolgen, kann aber jederzeit formlos - also auch mündlich - widerrufen werden.

Geschäfts­fähigkeit, Einwilli­gungs­fähigkeit und Einsichts­fähigkeit: Die Unter­schiede

Für das Verständnis der rechtlichen Anfor­derungen an eine Patien­ten­verfügung ist es wichtig, drei verschie­dene Fähig­keiten zu unter­scheiden:

Was ist Geschäfts­fähigkeit?

Geschäfts­fähigkeit bezeichnet die Fähigkeit, rechts­wirksame Willens­erklärungen abzugeben und Rechts­geschäfte vorzu­nehmen. Einfach ausgedrückt: Wer geschäfts­fähig ist, kann wirksam Verträge schließen - etwa einen Miet­vertrag, einen Kauf­vertrag oder einen Kredit­vertrag.

Nach dem Gesetz sind:

  • Volljährige Personen grundsätzlich voll geschäfts­fähig
  • Kinder unter 7 Jahren geschäfts­unfähig
  • Kinder und Jugendliche zwischen 7 und 18 Jahren beschränkt geschäfts­fähig
  • Personen jeden Alters geschäfts­unfähig, wenn sie sich in einem die freie Willens­bestimmung ausschließenden Zustand krank­hafter Störung der Geistes­tätigkeit befinden

Was ist Einwilli­gungs­fähigkeit?

Die Einwilli­gungs­fähigkeit bezieht sich speziell auf medizi­nische Entschei­dungen. Sie bezeichnet die Fähigkeit, die Bedeutung und Tragweite eines medizi­nischen Eingriffs zu verstehen und sich entsprechend zu entscheiden.

Die Einwilli­gungs­fähigkeit wird definiert als natürliche Einsichts- und Steuerungs­fähigkeit. Sie liegt vor, wenn eine Person:

  • Die Folgen und Tragweite einer Behandlung erfassen kann
  • Ihren Willen bezogen auf diese Einsicht bilden kann

Wichtig zu wissen: Für eine Patien­ten­verfügung kommt es auf die Einwilli­gungs­fähigkeit an - nicht auf die Geschäfts­fähigkeit. Diese beiden Begriffe werden oft verwechselt, bezeichnen aber unter­schiedliche Fähig­keiten.

Was ist Einsichts­fähigkeit?

Die Einsichts­fähigkeit beschreibt die Fähigkeit, Folgen des eigenen Handelns abzu­schätzen und Zusammen­hänge zu verstehen. Sie ist Teil der Einwilli­gungs­fähigkeit, bezieht sich aber allge­meiner auf das Verständnis von Sach­verhalten und deren Konse­quenzen.

Wann liegt Geschäfts­unfähigkeit vor?

Geschäfts­unfähig sind Menschen, die aufgrund ihres Alters oder Gesund­heits­zustands keine rechts­verbindlichen Entschei­dungen treffen können. Folgende Umstände können zur Geschäfts­unfähigkeit führen:

Fort­geschrittene Demenz

Bei Demenz verlieren Betroffene nach und nach ihre geistigen Fähig­keiten und damit auch ihre Geschäfts­fähigkeit. Die häufigste Form der Demenz ist die Alzheimer-Erkrankung. Mit fortschreitendem Krank­heits­verlauf sind Betroffene oft nicht mehr in der Lage, die Folgen ihrer Entschei­dungen einzu­schätzen und rechts­geschäftliche Entschei­dungen zu treffen.

Psychische Erkrankungen mit Wahn­vorstellungen und Halluzina­tionen

Wahn­vorstellungen (z.B. Verfolgungs­wahn) und Halluzina­tionen führen zu einer veränderten Wahr­nehmung der Realität. Wenn diese Symptome stark ausgeprägt sind, können sie die Geschäfts­fähigkeit beein­trächtigen, da Betroffene die Trag­weite ihrer Entschei­dungen nicht mehr realistisch einschätzen können.

Geistige Behinderung

Ob eine geistige Behinderung zur Geschäfts­unfähigkeit führt, hängt von ihrer Schwere ab. In bestimmten Fällen können auch Menschen mit geistiger Behinderung beschränkt geschäfts­fähig sein. Hier kommt es auf die indivi­duelle Fähig­keit an, die Konse­quenzen des eigenen Handelns zu verstehen.

Affektive Störungen

Bei affektiven Störungen wie schweren Depres­sionen oder einer Manie kann sich die Stimmungs­lage der Betroffenen so stark verändern, dass die Geschäfts­fähigkeit beein­trächtigt wird. Auch Drogen­missbrauch kann zu solchen Störungen und damit zur vorüber­gehenden Geschäfts­unfähigkeit führen.

Einwilli­gungs­fähigkeit und Patien­ten­verfügung: Darauf kommt es an

Für die Wirksam­keit einer Patien­ten­verfügung ist entscheidend, dass die verfassende Person zum Zeitpunkt der Erstellung einwilli­gungs­fähig ist. Das bedeutet, sie muss:

  1. Volljährig sein - eine Patien­ten­verfügung kann nur von Personen ab 18 Jahren rechtlich bindend erstellt werden
  2. Die Tragweite der getroffenen Entschei­dungen verstehen können
  3. Fähig sein, ihren Willen frei zu bilden und zu äußern

Die Einwilli­gungs­fähigkeit wird für jede medizi­nische Entschei­dung individuell beurteilt. Eine Person kann beispiels­weise für bestimmte einfache Behand­lungen noch einwilli­gungs­fähig sein, während sie bei komplexeren Entschei­dungen bereits überfordert ist.

Wichtig: Die Einwilli­gungs­fähigkeit ist nicht mit der Geschäfts­fähigkeit gleich­zusetzen. Eine Person kann geschäfts­fähig, aber nicht einwilli­gungs­fähig sein - oder umgekehrt. So könnte beispiels­weise jemand mit einer leichten geistigen Behinderung durch­aus in der Lage sein, die Folgen einer Bluttrans­fusion zu verstehen und darüber zu entscheiden, auch wenn die Person keine kompli­zierten Verträge abschließen kann.

Praktische Bedeutung für Ihre Vorsorge

Die Unter­scheidung zwischen Geschäfts­fähigkeit und Einwilli­gungs­fähigkeit hat praktische Folgen für Ihre Vorsorge:

Wann sollten Sie eine Patien­ten­verfügung erstellen?

Erstellen Sie Ihre Patien­ten­verfügung möglichst früh­zeitig, solange Sie einwilli­gungs­fähig sind. Besonders empfehlens­wert ist dies:

  • Nach der Voll­endung des 18. Lebens­jahres
  • Bei der allge­meinen Vorsorge­planung, gemeinsam mit einer Vorsorge­vollmacht und Betreuungs­verfügung
  • Nach einer schwer­wiegenden Diagnose, aber bevor die Krank­heit die Einwilli­gungs­fähigkeit beein­trächtigt
  • Vor größeren geplanten medizi­nischen Eingriffen

Wie stellen Sie die Wirksam­keit Ihrer Patien­ten­verfügung sicher?

Um die Wirksam­keit Ihrer Patien­ten­verfügung zu gewähr­leisten:

  • Lassen Sie sich beraten: Besprechen Sie Ihre Vorstellungen mit Ihrer Hausärztin oder Ihrem Hausarzt. Dies hilft nicht nur, medizi­nische Fragen zu klären, sondern dokumentiert auch indirekt Ihre Einwilli­gungs­fähigkeit zum Zeitpunkt der Erstellung.

  • Aktuali­sieren Sie regelmäßig: Überprüfen Sie Ihre Patien­ten­verfügung alle ein bis zwei Jahre und bestätigen Sie mit Datum und Unter­schrift, dass sie weiterhin Ihrem Willen entspricht.

  • Vermeiden Sie Formfehler: Die Patien­ten­verfügung muss schriftlich verfasst und mit Datum versehen sein. Eine eigen­händige Unter­schrift ist zwin­gend erforderlich.

  • Formulieren Sie konkret: Je genauer Sie Ihre Wünsche beschreiben, desto eher werden sie später umgesetzt. Verzichten Sie auf allge­meine Formu­lierungen wie “keine lebens­verlängernden Maßnahmen”.

Häufige Fragen zur Einwilli­gungs­fähigkeit bei der Patien­ten­verfügung

Was passiert, wenn meine Einwilli­gungs­fähigkeit ange­zweifelt wird?

Sollte später Ihre Einwilli­gungs­fähigkeit zum Zeitpunkt der Erstellung der Patien­ten­verfügung ange­zweifelt werden, kann dies die Gültig­keit des Dokuments gefährden. In solchen Fällen kann ein ärztliches Attest hilfreich sein, das Ihre Einwilli­gungs­fähigkeit zum Zeitpunkt der Erstellung bestätigt. Bei schwer­wiegenden oder folgen­schweren Verfügungen kann eine solche Beschei­nigung besonders wertvoll sein.

Können Minder­jährige eine Patien­ten­verfügung erstellen?

Für eine rechts­verbindliche Patien­ten­verfügung wird Voll­jährigkeit voraus­gesetzt. Minder­jährige können daher keine rechts­gültige Patien­ten­verfügung erstellen. Dennoch sollten die Wünsche und Vorstellungen einwilli­gungs­fähiger Minder­jähriger bei medizi­nischen Entschei­dungen berück­sichtigt werden. Dies gilt besonders bei chronisch kranken Jugend­lichen mit Erfahrung im Umgang mit ihrer Erkrankung.

Wie kann ich meine Patien­ten­verfügung widerrufen?

Eine Patien­ten­verfügung kann jeder­zeit formlos widerrufen werden. Das bedeutet, dass Sie Ihre Patien­ten­verfügung auch mündlich oder durch nonverbale Kommuni­kation aufheben können, selbst wenn Sie zum Zeitpunkt des Widerrufs nicht mehr geschäfts­fähig sein sollten. Entscheidend ist, dass Sie noch in der Lage sind, Ihren Willen in irgend­einer Form zu äußern.

Die Bedeutung der Beratung bei der Erstellung einer Patien­ten­verfügung

Die Erstellung einer Patien­ten­verfügung ist eine wichtige und manchmal komplexe Aufgabe. Studien zeigen, dass in Deutschland rund 92% der Menschen das Instrument der Patien­ten­verfügung kennen, aber nur etwa 37% tatsächlich ein solches Dokument erstellt haben[8]. Die Gründe für oder gegen die Erstellung einer Patien­ten­verfügung sind vielfältig.

Es ist empfehlens­wert, sich bei der Erstellung beraten zu lassen. Folgende Möglich­keiten stehen Ihnen zur Verfügung:

  • Ärztliche Beratung: Eine Ärztin oder ein Arzt kann Ihnen helfen, die medizi­nischen Aspekte zu verstehen und Ihre Wünsche präzise zu formulieren.

  • Rechtliche Beratung: Eine Rechts­anwältin oder ein Rechts­anwalt mit Schwer­punkt Vorsorge­recht kann Sie zu den rechtlichen Aspekten beraten.

  • Beratungs­stellen: Verschiedene gemein­nützige Organi­sationen bieten kosten­günstige oder kostenlose Beratung an.

Eine profes­sionelle Beratung hat mehrere Vorteile: Sie stellt sicher, dass Ihre Patien­ten­verfügung rechtlich einwandfrei ist, medizi­nisch sinnvolle Anwei­sungen enthält und Ihre persönlichen Wert­vorstellungen angemessen wider­spiegelt. Außerdem dokumen­tiert die Beratung indirekt Ihre Einwilli­gungs­fähigkeit zum Zeitpunkt der Erstellung.

Fazit

Die Patien­ten­verfügung ist ein wichtiges Instrument, um Ihre Selbst­bestimmung auch in Situationen zu wahren, in denen Sie nicht mehr selbst entscheiden können. Für ihre Wirksam­keit ist entscheidend, dass Sie zum Zeitpunkt der Erstellung einwilli­gungs­fähig und volljährig sind.

Der Unterschied zwischen Geschäfts­fähigkeit und Einwilli­gungs­fähigkeit ist dabei bedeutsam: Während die Geschäfts­fähigkeit sich auf die Fähigkeit bezieht, Rechts­geschäfte vorzu­nehmen, betrifft die Einwilli­gungs­fähigkeit speziell medizi­nische Entschei­dungen. Für die Patien­ten­verfügung kommt es auf Letztere an.

Um sicher­zustellen, dass Ihre Patien­ten­verfügung später anerkannt wird, sollten Sie sich beraten lassen, Ihre Verfügung regel­mäßig aktuali­sieren und konkrete Formu­lierungen verwenden. So können Sie dazu beitragen, dass Ihre Wünsche respektiert werden, auch wenn Sie diese nicht mehr selbst äußern können.