Erbverzichtserklärung: Rechtliche Grundlagen und praktische Tipps für Familien

Zusammenfassung

Eine Erbverzichtserklärung ist ein notariell beurkundeter Vertrag, bei dem ein gesetzlicher Erbe zu Lebzeiten des Erblassers auf sein Erbrecht und gegebenenfalls den Pflichtteil verzichtet. Sie eignet sich besonders zur Vermeidung von Familienkonflikten, zur Regelung der Unternehmensnachfolge oder zum Schutz von Immobilien. Vor Abschluss sollten die rechtlichen, finanziellen und steuerlichen Konsequenzen sorgfältig geprüft und fachliche Beratung eingeholt werden.

Ein Erbverzicht kann für Familien ein wirksames Instrument sein, um mögliche Streitigkeiten zu vermeiden und Vermögenswerte langfristig zu sichern. Mit diesem Vertrag verzichten Sie bereits zu Lebzeiten auf Ihren zukünftigen Erbanspruch. In Deutschland folgt dieser Schritt klaren rechtlichen Regeln, die wir Ihnen hier näher erläutern möchten.

Ältere Person und jüngere Frau sitzen an einem Tisch, lesen Dokumente in einer gemütlichen Umgebung mit Pflanzen.

Was ist eine Erbverzichtserklärung?

Die Erbverzichtserklärung beschreibt einen zweiseitigen Vertrag zwischen dem Erblasser (Person, die vererbt) und einem gesetzlichen Erben. Mit diesem Vertrag verzichtet der potenzielle Erbe auf seine gesetzlichen Erb­ansprüche - noch zu Lebzeiten des Erblassers. Die gesetzliche Grundlage bildet § 2346 BGB, der die Modalitäten und Folgen eines solchen Verzichts regelt[11].

Der Verzicht kann sich auf das gesamte Erbe erstrecken oder sich auf das Pflicht­teilsrecht beschränken[7]. Nach § 2346 Abs. 2 BGB gilt: Ein Verzicht auf das gesetzliche Erbrecht schließt im Zweifel auch das Pflicht­teilsrecht ein, sofern nichts anderes vereinbart wurde[7].

Bei einem vollständigen Erbverzicht verlieren Sie nicht nur Ihr gesetzliches Erbrecht, sondern auch den Anspruch auf den Pflicht­teil.

Erbverzicht und Erbausschlagung: Der entscheidende Unterschied

Viele Menschen verwechseln den Erbverzicht mit der Erbausschlagung. Der zentrale Unterschied liegt im Zeitpunkt:

  • Erbverzicht: Wird zu Lebzeiten des Erblassers erklärt und benötigt dessen Zustimmung[9][10]
  • Erbausschlagung: Erfolgt erst nach dem Tod des Erblassers, wenn das Erbe bereits angefallen ist[10]

Die Erbausschlagung können Sie innerhalb von sechs Wochen nach Kenntnis vom Tod des Erblassers beim Nach­lassgericht erklären[10]. Bei einem Erbverzicht handeln Sie hingegen bereits zu Lebzeiten und müssen diesen notariell beurkunden lassen.

Wann ist ein Erbverzicht sinnvoll?

Es gibt verschiedene Lebens­situationen, in denen ein Erbverzicht eine praktische Lösung sein kann:

1. Bei der Unternehmens­nachfolge

Wenn Eltern ihr Unternehmen bereits zu Lebzeiten an eines ihrer Kinder übertragen möchten, kann ein Erbverzicht sinnvoll sein. Das begünstigte Kind verzichtet dabei auf weiteres Erbe, sodass das restliche Vermögen den Geschwistern zukommt[12][20].

2. Zur Vermeidung von Familien­konflikten

Ein Erbverzicht kann helfen, spätere Streitigkeiten unter Geschwistern oder anderen Familien­mitgliedern zu vermeiden, insbesondere wenn eine ungleiche Verteilung des Erbes geplant ist[11][20].

3. Beim Erhalt von Immobilien

Wenn eine Immobilie im Familienbesitz bleiben soll, ohne dass die erbende Person hohe Pflicht­teilszahlungen an Geschwister leisten muss, kann ein Verzicht dieser Geschwister auf ihren Pflicht­teilsanspruch sinnvoll sein[20].

4. Bei der Absicherung von Testament oder Erbvertrag

Ein Erbverzicht kann dazu dienen, testamentarische Verfügungen abzusichern und sicherzustellen, dass diese nicht durch Pflicht­teilsansprüche gefährdet werden[19].

Rechtliche Voraussetzungen für einen wirksamen Erbverzicht

Damit ein Erbverzicht rechtlich bindend ist, müssen mehrere Voraussetzungen erfüllt sein:

  1. Zweiseitiger Vertrag: Der Erbverzicht erfordert die Zustimmung beider Parteien - sowohl des Erblassers als auch des verzichtenden Erben[7].

  2. Notarielle Beurkundung: Nach § 2348 BGB muss der Vertrag notariell beurkundet werden, um rechtskräftig zu sein[7][12].

  3. Persönliche Anwesenheit: Der Erblasser muss den Vertrag persönlich schließen (§ 2347 Abs. 2 S. 1 BGB). Ist er in der Geschäfts­fähigkeit beschränkt, benötigt er nicht die Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters[7].

  4. Geschäfts­fähigkeit: Beide Vertrags­parteien müssen grundsätzlich geschäfts­fähig sein. Ist der Erblasser geschäfts­unfähig, kann der Vertrag durch den gesetzlichen Vertreter geschlossen werden, wobei unter Umständen eine Genehmigung durch das Vormundschafts­gericht erforderlich ist[7].

So wird ein Erbverzicht in der Praxis umgesetzt

Der Ablauf im Überblick:

  1. Beratungs­gespräch: Lassen Sie sich vor Abschluss eines Erbverzichts­vertrags von einem Fachanwalt für Erbrecht beraten[19][20].

  2. Vertragsentwurf: Der Notar erstellt einen Entwurf des Erbverzichts­vertrags, der auf Ihre persönliche Situation zugeschnitten ist[12].

  3. Beurkundungs­termin: Beide Parteien erscheinen zur notariellen Beurkundung. Der Notar verliest den Vertrag und erklärt die rechtlichen Folgen[8].

  4. Unterzeichnung: Nach der Verlesung unterzeichnen beide Parteien sowie der Notar den Vertrag[8].

  5. Wirksamkeit: Mit der Unterzeichnung wird der Erbverzicht rechtswirksam[11].

Wichtig: Die Vereinbarung sollte klar regeln, ob der Verzicht umfassend oder teilweise erfolgt und ob eine Abfindung gezahlt wird[19].

Die Konsequenzen eines Erbverzichts

Wenn Sie einen Erbverzicht erklären, hat dies weitreichende Folgen:

  • Sie verlieren Ihr gesetzliches Erbrecht und können nach dem Tod des Erblassers keinen Anspruch auf den Nachlass erheben[9][11].

  • Sofern nicht anders vereinbart, erstreckt sich der Verzicht auch auf Ihre Nachkommen[21].

  • Ein vollständiger Erbverzicht schließt auch Ihr Pflicht­teilsrecht aus, d.h., Sie können später keinen Pflicht­teil geltend machen[9][20].

  • Bei einem teilweisen Verzicht, der sich nur auf das Pflicht­teilsrecht beschränkt, behalten Sie Ihr gesetzliches Erbrecht[7].

Mit welchen Kosten müssen Sie rechnen?

Die Kosten für einen Erbverzichts­vertrag setzen sich hauptsächlich aus den Notarkosten zusammen. Diese richten sich nach dem Wert des Nachlasses, auf den verzichtet wird. Je höher der Wert, desto höher die Kosten.

Für eine fundierte Beratung können zusätzlich Anwalts­kosten anfallen. Diese Investition lohnt sich jedoch, um spätere Streitigkeiten und deren Kosten zu vermeiden[19][20].

Beachten Sie: Bei Abschluss eines Erbverzichts­vertrags mit Abfindungs­zahlung können steuerliche Aspekte relevant werden. Lassen Sie sich hierzu steuerlich beraten[19].

Kann ein Erbverzicht rückgängig gemacht werden?

Ein einmal erklärter Erbverzicht ist grundsätzlich bindend. Dennoch gibt es Möglichkeiten, ihn unter bestimmten Umständen aufzuheben:

  1. Einvernehmliche Aufhebung: Der Erbverzicht kann durch einen neuen notariellen Vertrag zwischen Erblasser und verzichtendem Erben aufgehoben werden[9].

  2. Anfechtung: In bestimmten Fällen kann ein Erbverzicht angefochten werden, etwa bei:

    • Irrtum über den wesentlichen Inhalt des Vertrags
    • Täuschung durch den Erblasser oder Dritte
    • Widerrechtliche Drohung[9]

Die Anfechtung muss innerhalb bestimmter Fristen erfolgen und ist an strenge Voraussetzungen geknüpft. Bei Täuschung oder Drohung beträgt die Frist ein Jahr ab Kenntnis[9].

Praktische Tipps für Ihren Erbverzicht

Checkliste: Vor dem Erbverzicht zu klären

  • Haben Sie alle Konsequenzen des Erbverzichts verstanden?
  • Ist eine Abfindung vereinbart und angemessen?
  • Soll der Verzicht auch für Ihre Nachkommen gelten?
  • Soll der Verzicht vollständig sein oder sich nur auf den Pflicht­teil beschränken?
  • Wurden steuerliche Aspekte berücksichtigt?
  • Haben Sie sich rechtlich beraten lassen?[19][20]

Praxisbeispiel:

Familie Müller besitzt ein Familienunternehmen, das von der ältesten Tochter Anna weitergeführt werden soll. Um zu verhindern, dass Anna nach dem Tod der Eltern hohe Pflicht­teilszahlungen an ihre Geschwister leisten muss, was die Liquidität des Unternehmens gefährden würde, vereinbaren die Geschwister einen Erbverzicht. Im Gegenzug erhalten sie eine angemessene Abfindung, die bereits zu Lebzeiten der Eltern ausgezahlt wird. So bleibt das Unternehmen nach dem Erbfall in einer Hand und ist nicht durch Pflicht­teilsansprüche belastet.

Fazit

Ein Erbverzicht ist ein wichtiges Instrument der Nachlass­planung, mit dem Sie familiäre Streitigkeiten vermeiden und eine gerechte Vermögens­verteilung sicherstellen können. Durch die notarielle Beurkundung und klare vertragliche Regelungen schafft er Rechts­sicherheit für alle Beteiligten.

Bevor Sie diesen Schritt gehen, sollten Sie sich jedoch umfassend beraten lassen. Die Entscheidung für einen Erbverzicht ist weitreichend und sollte gut überlegt sein. Mit der richtigen Beratung und einem klar formulierten Vertrag kann der Erbverzicht ein wertvolles Instrument für Ihre Familien­planung sein und dazu beitragen, dass Ihr Vermögen nach Ihren Wünschen verteilt wird.