Erbschafts­steuer in Deutschland: Frei­beträge, Steuer­klassen und Berechnungs­grundlagen

Zusammenfassung

Die Erbschafts­steuer in Deutschland richtet sich nach dem Verwandt­schafts­grad, dem Wert des Erbes und den geltenden Frei­beträgen. Engere Angehörige profitieren von höheren Frei­beträgen und niedrigeren Steuer­sätzen, während entferntere Verwandte oder nicht verwandte Personen stärker belastet werden. Eine frühzeitige Nachlass­planung und fachkundige Beratung können helfen, steuerliche Vorteile optimal zu nutzen und Konflikte zu vermeiden.

Die Erbschafts­steuer betrifft viele Menschen in Deutschland und kann erhebliche finanzielle Auswirkungen haben. Wenn Sie ein Erbe antreten oder Ihre Nachfolge planen möchten, sollten Sie die grundlegenden Regelungen kennen. Dieser Artikel erklärt die wichtigsten Aspekte zur Erbschafts­steuer in Deutschland, von Frei­beträgen über Steuer­klassen bis hin zu praktischen Berechnungs­beispielen.

Gruppe von Personen in formeller Kleidung, die Dokumente auf einem Tisch besprechen, mit Bücherregal im Hintergrund.

Grundlagen der Erbschafts­steuer

Die Erbschafts­steuer in Deutschland fällt beim Erwerb von Vermögen durch Erbschaft oder Schenkung an. Sie wird beim Empfänger des Vermögens erhoben, also bei den Erb:innen oder Beschenkten[1]. Das Steuer­aufkommen fließt vollständig an die Bundes­länder. Rechtliche Basis bildet das Erbschaft­steuer- und Schenkung­steuergesetz[1].

Die Höhe der Steuer wird anhand mehrerer Faktoren bestimmt:

  • dem Verwandt­schafts­verhältnis zum Erblasser (Steuer­klasse)
  • dem Wert des erworbenen Vermögens
  • den anzuwendenden Frei­beträgen

Im Jahr 2023 betrug der Gesamt­wert der steuerlich erfassten Vermögens­transfers etwa 122 Milliarden Euro. Nach Abzug aller Frei­beträge waren davon rund 60 Milliarden Euro steuer­pflichtig, worauf etwa 12 Milliarden Euro Steuer festgesetzt wurden[1].

Die drei Steuer­klassen: Wer zahlt wie viel?

Das deutsche Erbschaft­steuerrecht teilt Erb:innen in drei Steuer­klassen ein, abhängig vom Verwandt­schafts­grad zum Verstorbenen. Diese Einteilung bestimmt sowohl den anwendbaren Frei­betrag als auch den Steuer­satz[3].

Steuer­klasse I

In die Steuer­klasse I fallen die engsten Angehörigen:

  • Ehepartner:innen und eingetragene Lebens­partner:innen
  • Kinder und Stief­kinder
  • Enkel­kinder
  • Eltern und Groß­eltern (bei Erwerb von Todes wegen)[3]

Steuer­klasse II

Zur Steuer­klasse II gehören:

  • Geschwister
  • Nichten und Neffen
  • Stief­eltern
  • Schwieger­kinder und Schwieger­eltern
  • Geschiedene Ehe­partner:innen und getrennte Lebens­partner:innen[2]

Steuer­klasse III

Die Steuer­klasse III umfasst alle übrigen Erb:innen, die nicht in die Steuer­klassen I oder II fallen, einschließlich nicht verwandter Personen[2].

Frei­beträge: Was bleibt steuer­frei?

Die persönlichen Frei­beträge variieren je nach Verwandt­schafts­verhältnis und stellen sicher, dass kleinere bis mittlere Erb­schaften oft gar nicht besteuert werden[2].

Übersicht der persönlichen Frei­beträge

  • Ehepartner:innen und eingetragene Lebens­partner:innen: 500.000 Euro
  • Kinder und Stief­kinder: 400.000 Euro
  • Enkel­kinder, deren Eltern bereits verstorben sind: 400.000 Euro
  • Enkel­kinder, deren Eltern noch leben: 200.000 Euro
  • Urenkel, Eltern und Groß­eltern: 100.000 Euro
  • Personen der Steuer­klassen II und III: 20.000 Euro[2]

Diese Frei­beträge gelten pro Person und können alle zehn Jahre erneut genutzt werden - was für die Nachlass­planung durch frühzeitige Schenkungen relevant sein kann[2].

Steuer­sätze nach Höhe des Erbes

Nach Abzug der Frei­beträge wird der verbleibende Vermögens­wert mit dem entsprechenden Steuer­satz belegt. Dieser steigt mit der Höhe des steuer­pflichtigen Erwerbs und hängt von der Steuer­klasse ab[6].

Steuer­sätze im Überblick

Wert des ErbesSteuer­klasse ISteuer­klasse IISteuer­klasse III
bis 75.000 €7%15%30%
bis 300.000 €11%20%30%
bis 600.000 €15%25%30%
bis 6 Mio. €19%30%30%
bis 13 Mio. €23%35%50%
bis 26 Mio. €27%40%50%
über 26 Mio. €30%43%50%

Quelle: Paragraf 19 ErbStG (Stand: 10. Januar 2025)[2][6]

Hinweis: Bei knapper Überschreitung der Wert­grenzen gibt es besondere Übergangs­regelungen, die einen sprunghaften Anstieg der Steuer vermeiden[2].

Versorgungs­freibeträge als zusätzliche Entlastung

Neben den persönlichen Frei­beträgen können unter bestimmten Voraus­setzungen auch Versorgungs­freibeträge geltend gemacht werden:

  • Ehepartner:innen und eingetragene Lebens­partner:innen: 256.000 Euro
  • Kinder bis 5 Jahre: 52.000 Euro
  • Kinder zwischen 5 und 10 Jahren: 41.000 Euro
  • Kinder zwischen 10 und 15 Jahren: 30.700 Euro
  • Kinder zwischen 15 und 20 Jahren: 20.500 Euro
  • Kinder zwischen 20 und 27 Jahren: 10.300 Euro[6]

Diese Frei­beträge kommen besonders bei Hinter­bliebenen­versorgungen und Lebens­versicherungen zum Tragen.

Besonderheiten bei Immobilien

Bei der Vererbung von Immobilien gelten spezielle Regelungen:

Selbst genutztes Wohneigentum

Wenn Ehepartner:innen oder eingetragene Lebens­partner:innen die gemeinsam genutzte Immobilie erben, können sie diese komplett steuerfrei übernehmen, sofern sie mindestens zehn Jahre darin wohnen bleiben[4].

Für Kinder und Enkel­kinder gilt eine Steuer­befreiung bis zu einer Wohn­fläche von 200 Quadrat­metern, wenn sie die geerbte Immobilie selbst bewohnen. Bei größeren Immobilien wird nur der über­steigende Flächen­anteil besteuert[4].

Vermietete Immobilien

Bei vermieteten Immobilien wird ein Abschlag von 10% auf den Verkehrs­wert gewährt, was die steuerliche Belastung verringert[4].

Grund­erwerbs­steuer

Bei einer Erbschaft fällt in der Regel keine Grund­erwerbs­steuer an, auch wenn eine Immobilie Teil des Erbes ist. Dies gilt unabhängig vom Verwandt­schafts­verhältnis[4].

Berechnungs­beispiel

Ein praktisches Beispiel verdeutlicht die Erbschafts­steuer-Berechnung:

Ein 25-jähriges Kind erbt ein Haus mit einem Verkehrs­wert von 600.000 Euro. Die Berechnung erfolgt so:

PositionBetrag
Wert der Immobilie600.000 Euro
Abzüglich persönlicher Freibetrag-400.000 Euro
Abzüglich Versorgungs­freibetrag-10.300 Euro
Zu versteuernder Betrag189.700 Euro
Zu zahlende Erbschafts­steuer (11%)20.867 Euro

Das Kind muss also 20.867 Euro Erbschafts­steuer an das Finanzamt überweisen[4].

Aktuelle Entwicklungen und Reform­vorschläge

Die Erbschafts­steuer ist immer wieder Gegenstand politischer Debatten. In einer Umfrage unter Volkswirtschafts­professor:innen an deutschen Universitäten sprach sich eine Mehrheit für eine niedrigere, aber einheitliche Erbschafts­steuer ohne Ausnahme­regelungen aus.

Die aktuelle Gesetzgebung sieht hingegen gestaffelte Steuer­sätze mit besonderen Verschonungs­regeln für Betriebs­vermögen vor, um Arbeits­plätze zu erhalten.

Mit dem Jahres­steuergesetz 2022 traten zum 1. Januar 2023 Änderungen bei der Berechnung des steuer­pflichtigen Erwerbs in Kraft, die auch für Immobilien­erben relevant sind[1].

Praktische Hinweise für Ihre Nachlass­planung

Melde­pflicht beachten

Erb:innen müssen eine Erbschaft innerhalb von drei Monaten nach Kenntnis formlos an das Finanzamt melden. Das Finanzamt kann anschließend zur Abgabe einer Steuer­erklärung auffordern[6].

Frühzeitige Schenkungen planen

Da die Frei­beträge alle zehn Jahre neu genutzt werden können, bieten sich frühzeitige Schenkungen als Gestaltungs­instrument an. So können größere Vermögen über mehrere Übertragungen steuergünstiger weitergegeben werden[5].

Sachverständigen hinzuziehen

Die korrekte Bewertung von Vermögens­gegenständen, besonders von Immobilien und Betriebs­vermögen, kann komplex sein. Eine fachkundige Beratung hilft, steuerliche Spielräume zu nutzen und Fehler zu vermeiden.

Fazit: Frühzeitige Planung lohnt sich

Die Erbschafts­steuer in Deutschland kann besonders bei größeren Vermögen oder entfernteren Verwandt­schafts­verhältnissen erheblich sein. Eine rechtzeitige Auseinander­setzung mit den steuerlichen Folgen von Erbe und Schenkung ermöglicht es, die gesetzlichen Frei­beträge und Gestaltungs­möglichkeiten optimal zu nutzen.

Je nach familiärer und vermögens­rechtlicher Situation können unterschiedliche Strategien sinnvoll sein. Neben den steuerlichen Aspekten sollten dabei auch persönliche Wünsche und Bedürfnisse aller Beteiligten berücksichtigt werden, um spätere Konflikte zu vermeiden.

Eine qualifizierte steuerliche Beratung ist besonders bei komplexeren Vermögens­verhältnissen ratsam, um individuelle Lösungen zu finden, die den Vermögens­erhalt für die nächste Generation bestmöglich sichern.