Der Unterschied zwischen Erbe und Vermächtnis: Was Sie wissen sollten

Zusammenfassung

Der Unterschied zwischen Erbe und Vermächtnis liegt in der rechtlichen Stellung: Eine Erbe wird Gesamtrechtsnachfolger:in und übernimmt alle Rechte und Pflichten des Nachlasses, einschließlich möglicher Schulden. Eine Vermächtnisnehmer:in hingegen erhält nur einen Anspruch auf einen bestimmten Gegenstand oder Betrag, haftet aber nicht für Nachlassverbindlichkeiten. Die Entscheidung zwischen beiden Optionen sollte sorgfältig getroffen werden, um den Nachlass gezielt zu gestalten.

In der Nach­lass­pla­nung begegnen uns die Begriffe “Erbe” und “Vermächtnis” oft als scheinbare Synonyme. Tatsächlich verbergen sich hinter diesen Begriffen jedoch grund­legend ver­schie­dene rechtliche Kon­zepte mit weit­rei­chen­den Aus­wir­kun­gen. Ein tief­grei­fen­des Ver­ständ­nis dieser Unter­schiede ist für eine ge­ziel­te Nach­lass­ge­stal­tung und die Ver­mei­dung späterer Miss­ver­ständ­nis­se und Kon­flik­te ent­schei­dend. In diesem Artikel finden Sie alles, was Sie über die recht­li­chen Unter­schie­de zwischen Erbe und Ver­mächt­nis wissen sollten - an­schau­lich und mit prak­ti­schen Bei­spie­len erklärt.

Frau im weißen Kleid inmitten blühender Wiese mit Narzissen, Lavendel und rosa Blumen vor einem gelben Landhaus im warmen Sonnenlicht.

Grund­le­gen­de Unter­schiede: Erbe und Ver­mächt­nis im deutschen Erbrecht

Der grund­le­gende Unter­schied zwischen Erbe und Ver­mächt­nis liegt in der recht­li­chen Stellung der be­güns­tig­ten Person. Während der Erbe als Rechts­nach­fol­ger auto­ma­tisch in alle Ver­mö­gens­ver­hält­nis­se des Ver­stor­be­nen ein­tritt, erhält der Ver­mächt­nis­neh­mer ledig­lich einen An­spruch auf einen be­stimm­ten Ver­mö­gens­ge­gen­stand, ohne zum Erben zu werden[1][3].

Die Rechts­stel­lung des Erben

Ein Erbe wird mit dem Tod des Erb­las­sers zu dessen Ge­samt­rechts­nach­fol­ger. Das bedeutet: Alle zum Nach­lass ge­hö­ren­den Ge­gen­stän­de, For­de­run­gen und Rechte gehen auto­ma­tisch auf den Erben über und werden zu seinem Eigentum[1][2]. Diese Nach­fol­ge er­folgt un­mit­tel­bar und ohne zu­sätz­li­che Rechts­hand­lun­gen.

Wich­tig: Erben gibt es immer - wenn keine letzt­wil­li­ge Ver­fü­gung (Tes­ta­ment oder Erb­ver­trag) vor­liegt, tritt die ge­setz­li­che Erb­fol­ge ein[2]. Das heißt, auch ohne aktives Han­deln des Erb­las­sers wird jemand zum Erben.

Die Erb­stel­lung bringt nicht nur Rechte, son­dern auch Pflich­ten mit sich. Der Erbe haftet grund­sätz­lich für alle Schul­den des Erb­las­sers[1][2][4]. Diese Nach­lass­ver­bind­lich­kei­ten können in manchen Fällen er­heb­lich sein und den Wert des ver­erb­ten Ver­mö­gens über­stei­gen. Der Erbe kann seine Haf­tung je­doch durch ver­schie­de­ne Maß­nah­men be­schrän­ken, bei­spiels­wei­se durch die An­ord­nung einer Nach­lass­ver­wal­tung oder durch die Aus­schla­gung der Erb­schaft in­ner­halb von sechs Wochen nach Kennt­nis des Erb­falls[1][5].

Die Rechts­stel­lung des Ver­mächt­nis­neh­mers

Im Ge­gen­satz zum Erben wird der Ver­mächt­nis­neh­mer nicht auto­ma­tisch Eigen­tü­mer des ihm zu­ge­dach­ten Ver­mö­gens­ge­gen­stan­des[1][3][7]. Statt­des­sen erwirbt er ledig­lich einen schuld­recht­li­chen An­spruch gegen­über dem Erben auf Über­tra­gung des ver­mach­ten Gegen­standes[1][3][7][8].

Ein Ver­mächt­nis kann nur durch eine letzt­wil­li­ge Ver­fü­gung, also ein Tes­ta­ment oder einen Erb­ver­trag, an­ge­ord­net werden[5][7]. Ohne eine solche Ver­fü­gung gibt es auch kein Ver­mächt­nis.

Ein we­sent­li­cher Vor­teil der Ver­mächt­nis­neh­mer­schaft: Der Ver­mächt­nis­neh­mer haftet in der Regel nicht für Schul­den des Erb­las­sers[1][2][4]. Er muss sich nicht mit der Ab­wick­lung des ge­sam­ten Nach­las­ses be­fas­sen, son­dern kann sich auf seinen An­spruch kon­zen­trie­ren.

Der Ver­mächt­nis­neh­mer muss aller­dings aktiv werden, um seinen An­spruch durch­zu­set­zen. Er erhält den ver­mach­ten Gegen­stand nicht auto­ma­tisch, son­dern muss ihn vom Erben for­dern[7]. Zu be­ach­ten ist dabei auch, dass der An­spruch auf ein Ver­mächt­nis nach drei Jahren ver­jährt[2].

Prak­ti­sche Unter­schie­de im Über­blick

Die unter­schied­li­chen Rechts­stel­lun­gen von Erben und Ver­mächt­nis­neh­mern führen zu einer Reihe prak­ti­scher Kon­se­quen­zen, die bei der Nach­lass­pla­nung be­ach­tet werden sollten:

Teil­habe an der Erben­ge­mein­schaft

Wenn mehrere Per­sonen erben, bilden sie eine Erben­ge­mein­schaft. Der Erbe ist Teil dieser Ge­mein­schaft und hat Mit­ent­schei­dungs­rech­te bei der Ver­wal­tung und Auf­tei­lung des Nach­las­ses[1].

Der Ver­mächt­nis­neh­mer hin­gegen steht außer­halb dieser Ge­mein­schaft. Er ist nicht an Ent­schei­dun­gen über den Nach­lass be­tei­ligt und kann ledig­lich seinen An­spruch auf den ver­mach­ten Gegen­stand geltend machen[1][7].

Nach­weis­pflich­ten

Erben müssen ihre Rechts­stel­lung oft durch einen Erb­schein nach­wei­sen, ins­be­son­de­re wenn sie im Grund­buch ein­ge­tra­gen werden wollen oder Bank­ge­schäf­te im Zu­sam­men­hang mit dem Nach­lass tätigen möchten[1].

Der Ver­mächt­nis­neh­mer be­nö­tigt in der Regel keinen Erb­schein[1]. Bei der Über­tra­gung eines ver­mach­ten Grund­stücks ist jedoch eine no­ta­ri­el­le Be­ur­kun­dung er­for­der­lich, während der Erbe nur das Grund­buch be­rich­ti­gen lassen muss[2].

Aus­schla­gung

Möchte ein Erbe die Erb­schaft nicht an­neh­men, muss er sie binnen sechs Wochen nach Kennt­nis­er­lan­gung gegen­über dem Nach­lass­ge­richt aus­schla­gen[1][5].

Für Ver­mächt­nis­neh­mer:in­nen gelten da­gegen keine be­son­de­ren Form­vor­schrif­ten oder Fristen für die Aus­schla­gung. Sie können ihr Ver­mächt­nis ein­fach gegen­über den Erben aus­schla­gen[5].

Steuer­li­che Aspekte

Sowohl Erben als auch Ver­mächt­nis­neh­mer müssen in der Regel Erb­schafts­steu­er zahlen[1][4]. Bei beiden gelten die­sel­ben Frei­be­trä­ge und Steuer­sät­ze, die sich nach dem Ver­wandt­schafts­ver­hält­nis zum Erb­las­ser richten.

Ge­stal­tungs­mög­lich­kei­ten in der Nach­lass­pla­nung

Die Ent­schei­dung, ob jemand als Erbe oder Ver­mächt­nis­neh­mer be­dacht werden soll, eröff­net viel­fäl­ti­ge Mög­lich­kei­ten für die Nach­lass­ge­stal­tung.

Wann ein Ver­mächt­nis sinn­voll sein kann

Ein Ver­mächt­nis bietet sich be­son­ders an, wenn Sie einer Person einen ganz be­stimm­ten Gegen­stand zu­kom­men lassen möchten, ohne sie in die kom­ple­xe Ab­wick­lung des ge­sam­ten Nach­las­ses ein­zu­be­zie­hen[4]. Bei­spie­le hierfür können wert­vol­le Samm­lun­gen, Fa­mi­li­en­schmuck oder ein be­stimm­ter Geld­be­trag sein.

Auch wenn Sie eine Person be­güns­ti­gen möchten, die Sie nicht zur Be­glei­chung mög­li­cher Nach­lass­schul­den ver­pflich­ten wollen, ist ein Ver­mächt­nis der ge­eig­ne­te Weg[4].

Be­son­ders bei grö­ße­ren Fa­mi­li­en oder kom­pli­zier­ten Ver­mö­gens­ver­hält­nis­sen kann ein Ver­mächt­nis helfen, die Nach­lass­ab­wick­lung zu ver­ein­fa­chen.

Klar­heit schaffen durch prä­zi­se For­mu­lie­run­gen

Bei der For­mu­lie­rung eines Tes­ta­ments ist größte Sorg­falt ge­bo­ten, um Miss­ver­ständ­nis­se zu ver­mei­den. Oft werden die Be­grif­fe “ver­ma­chen” und “ver­er­ben” um­gangs­sprach­lich ver­wech­selt[2][5].

Wich­tig: Ver­wen­den Sie im Tes­ta­ment ein­deu­ti­ge For­mu­lie­run­gen. An­stel­le von “Ich ver­ma­che Peter mein Haus” sollten Sie klar­stel­len: “Peter soll mein Erbe sein und mein ge­sam­tes Ver­mö­gen er­hal­ten” oder “Peter soll als Ver­mächt­nis mein Haus er­hal­ten, Erbe soll Maria sein”[5].

Im Zwei­fels­fall gilt nach § 2087 BGB: Wenn dem Be­dach­ten das ge­sam­te Ver­mö­gen oder ein Bruch­teil des Ver­mö­gens zu­ge­wen­det wird, handelt es sich um eine Erb­ein­set­zung, selbst wenn die Person nicht als Erbe be­zeich­net wird[6]. Werden hin­gegen nur ein­zel­ne Gegen­stän­de zu­ge­wen­det, ist im Zweifel von einem Ver­mächt­nis aus­zu­ge­hen, auch wenn die Person als Erbe be­zeich­net wurde[6].

Be­son­de­re Formen des Ver­mächt­nis­ses

Das deutsche Erbrecht kennt ver­schie­de­ne Formen des Ver­mächt­nis­ses, die spe­zi­fi­sche Ge­stal­tungs­mög­lich­kei­ten bieten:

Ver­mächt­nis­ar­ten nach Gegen­stand

Je nach Art des ver­mach­ten Gegen­stands unter­schei­det man:

Das Wahl­ver­mächt­nis (§ 2154 BGB): Hier kann der Ver­mächt­nis­neh­mer oder der Be­schwer­te zwischen ver­schie­de­nen Gegen­stän­den wählen[6][8].

Das Gat­tungs­ver­mächt­nis (§ 2155 BGB): Der Erb­las­ser ver­macht einen Gegen­stand einer be­stimm­ten Gattung (z.B. “ein Auto aus meinem Be­sitz”)[6][8].

Das Zweck­ver­mächt­nis (§ 2156 BGB): Hier wird der ver­mach­te Gegen­stand für einen be­stimm­ten Zweck fest­ge­legt[6][8].

Be­son­de­re Ver­mächt­nis­kon­stel­la­tio­nen

Das Vor­aus­ver­mächt­nis (§ 2150 BGB) liegt vor, wenn ein Mit­erbe zu­gleich Ver­mächt­nis­neh­mer ist. Er erhält dann neben seinem Erb­teil zu­sätz­lich den ver­mach­ten Gegen­stand[3][6].

Das Nach­ver­mächt­nis (§ 2191 BGB) ähnelt der Nach­erb­schaft: Der ver­mach­te Gegen­stand geht zu­nächst an einen ersten Ver­mächt­nis­neh­mer und später an einen zweiten[6].

Das Unter­ver­mächt­nis (§ 2147 BGB) be­deu­tet, dass ein Ver­mächt­nis­neh­mer selbst mit einem Ver­mächt­nis zu­guns­ten einer dritten Person be­schwert wird[3].

Prak­ti­sche Hand­ha­bung von Ver­mächt­nis­sen

Nach dem Tod des Erb­las­sers läuft die Ab­wick­lung eines Ver­mächt­nis­ses anders ab als die einer Erb­schaft:

Tes­ta­ments­er­öff­nung und Be­nach­rich­ti­gung

Bei einem amt­lich ver­wahr­ten Tes­ta­ment werden im Rahmen der Tes­ta­ments­er­öff­nung alle Per­so­nen be­nach­rich­tigt, die mit den Ver­fü­gun­gen im Tes­ta­ment in Zu­sam­men­hang stehen - auch Ver­mächt­nis­neh­mer:in­nen[1].

Der Be­nach­rich­ti­gung für Ver­mächt­nis­neh­mer:in­nen wird eine Kopie des re­le­van­ten Tes­ta­ments­ab­schnit­tes bei­ge­legt. Mit diesem Do­ku­ment können sie ihren An­spruch gegen­über den Erben geltend machen[1].

Gel­tend­ma­chung des Ver­mächt­nis­ses

Um den ver­mach­ten Gegen­stand zu er­hal­ten, muss der Ver­mächt­nis­neh­mer seinen An­spruch gegen­über dem Erben gel­tend machen[1][3][7]. Er sollte dabei zu­nächst mit den Erben Kon­takt auf­neh­men und um die Über­tra­gung des ver­mach­ten Gegen­stands bitten.

Bei Im­mo­bi­li­en ist zu be­ach­ten, dass eine no­ta­ri­el­le Über­tra­gung er­for­der­lich ist[2]. Wird der An­spruch von den Erben nicht er­füllt, kann der Ver­mächt­nis­neh­mer diesen nö­ti­gen­falls ge­richt­lich durch­set­zen.

Be­ach­ten Sie die Ver­jäh­rung: Der An­spruch auf ein Ver­mächt­nis ver­jährt nach drei Jahren[2]. Diese Frist be­ginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der An­spruch ent­stan­den ist und der Ver­mächt­nis­neh­mer von den Um­stän­den Kennt­nis er­langt hat.

Fazit: Die rich­ti­ge Ent­schei­dung für Ihre Nach­lass­pla­nung

Die Wahl zwischen Erb­ein­set­zung und Ver­mächt­nis be­ein­flusst maß­geb­lich, wie Ihr Nach­lass ver­teilt wird und welche Rechte und Pflich­ten die be­güns­tig­ten Per­so­nen haben werden.

Möchten Sie einer Person die Ver­ant­wor­tung für Ihren ge­sam­ten Nach­lass über­tra­gen, ist die Ein­set­zung als Erbe der rich­ti­ge Weg. Der Erbe tritt in Ihre Rechts­po­si­ti­on ein und über­nimmt sowohl Ver­mö­gens­wer­te als auch Ver­bind­lich­kei­ten[1][2][4].

Wenn Sie hin­gegen einer Person nur einen be­stimm­ten Gegen­stand zu­kom­men lassen möchten, ohne sie in die Ab­wick­lung des Nach­las­ses ein­zu­be­zie­hen oder mit mög­li­chen Schul­den zu be­las­ten, empfiehlt sich ein Ver­mächt­nis[4].

Für eine rechts­si­che­re Ge­stal­tung Ihres letzten Willens ist es ratsam, fach­kun­di­ge Un­ter­stüt­zung durch No­tar:in­nen oder An­wäl­t:in­nen für Erbrecht in An­spruch zu nehmen. So können Sie sicher­stel­len, dass Ihre Wünsche zur Ver­tei­lung Ihres Nach­las­ses ohne Miss­ver­ständ­nis­se und Kon­flik­te um­ge­setzt werden.