Der Unterschied zwischen Erbe und Vermächtnis: Was Sie wissen sollten
Zusammenfassung
Der Unterschied zwischen Erbe und Vermächtnis liegt in der rechtlichen Stellung: Eine Erbe wird Gesamtrechtsnachfolger:in und übernimmt alle Rechte und Pflichten des Nachlasses, einschließlich möglicher Schulden. Eine Vermächtnisnehmer:in hingegen erhält nur einen Anspruch auf einen bestimmten Gegenstand oder Betrag, haftet aber nicht für Nachlassverbindlichkeiten. Die Entscheidung zwischen beiden Optionen sollte sorgfältig getroffen werden, um den Nachlass gezielt zu gestalten.
- Grundlegende Unterschiede: Erbe und Vermächtnis im deutschen Erbrecht
- Praktische Unterschiede im Überblick
- Gestaltungsmöglichkeiten in der Nachlassplanung
- Besondere Formen des Vermächtnisses
- Praktische Handhabung von Vermächtnissen
- Fazit: Die richtige Entscheidung für Ihre Nachlassplanung
In der Nachlassplanung begegnen uns die Begriffe “Erbe” und “Vermächtnis” oft als scheinbare Synonyme. Tatsächlich verbergen sich hinter diesen Begriffen jedoch grundlegend verschiedene rechtliche Konzepte mit weitreichenden Auswirkungen. Ein tiefgreifendes Verständnis dieser Unterschiede ist für eine gezielte Nachlassgestaltung und die Vermeidung späterer Missverständnisse und Konflikte entscheidend. In diesem Artikel finden Sie alles, was Sie über die rechtlichen Unterschiede zwischen Erbe und Vermächtnis wissen sollten - anschaulich und mit praktischen Beispielen erklärt.

Grundlegende Unterschiede: Erbe und Vermächtnis im deutschen Erbrecht
Der grundlegende Unterschied zwischen Erbe und Vermächtnis liegt in der rechtlichen Stellung der begünstigten Person. Während der Erbe als Rechtsnachfolger automatisch in alle Vermögensverhältnisse des Verstorbenen eintritt, erhält der Vermächtnisnehmer lediglich einen Anspruch auf einen bestimmten Vermögensgegenstand, ohne zum Erben zu werden[1][3].
Die Rechtsstellung des Erben
Ein Erbe wird mit dem Tod des Erblassers zu dessen Gesamtrechtsnachfolger. Das bedeutet: Alle zum Nachlass gehörenden Gegenstände, Forderungen und Rechte gehen automatisch auf den Erben über und werden zu seinem Eigentum[1][2]. Diese Nachfolge erfolgt unmittelbar und ohne zusätzliche Rechtshandlungen.
Wichtig: Erben gibt es immer - wenn keine letztwillige Verfügung (Testament oder Erbvertrag) vorliegt, tritt die gesetzliche Erbfolge ein[2]. Das heißt, auch ohne aktives Handeln des Erblassers wird jemand zum Erben.
Die Erbstellung bringt nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten mit sich. Der Erbe haftet grundsätzlich für alle Schulden des Erblassers[1][2][4]. Diese Nachlassverbindlichkeiten können in manchen Fällen erheblich sein und den Wert des vererbten Vermögens übersteigen. Der Erbe kann seine Haftung jedoch durch verschiedene Maßnahmen beschränken, beispielsweise durch die Anordnung einer Nachlassverwaltung oder durch die Ausschlagung der Erbschaft innerhalb von sechs Wochen nach Kenntnis des Erbfalls[1][5].
Die Rechtsstellung des Vermächtnisnehmers
Im Gegensatz zum Erben wird der Vermächtnisnehmer nicht automatisch Eigentümer des ihm zugedachten Vermögensgegenstandes[1][3][7]. Stattdessen erwirbt er lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch gegenüber dem Erben auf Übertragung des vermachten Gegenstandes[1][3][7][8].
Ein Vermächtnis kann nur durch eine letztwillige Verfügung, also ein Testament oder einen Erbvertrag, angeordnet werden[5][7]. Ohne eine solche Verfügung gibt es auch kein Vermächtnis.
Ein wesentlicher Vorteil der Vermächtnisnehmerschaft: Der Vermächtnisnehmer haftet in der Regel nicht für Schulden des Erblassers[1][2][4]. Er muss sich nicht mit der Abwicklung des gesamten Nachlasses befassen, sondern kann sich auf seinen Anspruch konzentrieren.
Der Vermächtnisnehmer muss allerdings aktiv werden, um seinen Anspruch durchzusetzen. Er erhält den vermachten Gegenstand nicht automatisch, sondern muss ihn vom Erben fordern[7]. Zu beachten ist dabei auch, dass der Anspruch auf ein Vermächtnis nach drei Jahren verjährt[2].
Praktische Unterschiede im Überblick
Die unterschiedlichen Rechtsstellungen von Erben und Vermächtnisnehmern führen zu einer Reihe praktischer Konsequenzen, die bei der Nachlassplanung beachtet werden sollten:
Teilhabe an der Erbengemeinschaft
Wenn mehrere Personen erben, bilden sie eine Erbengemeinschaft. Der Erbe ist Teil dieser Gemeinschaft und hat Mitentscheidungsrechte bei der Verwaltung und Aufteilung des Nachlasses[1].
Der Vermächtnisnehmer hingegen steht außerhalb dieser Gemeinschaft. Er ist nicht an Entscheidungen über den Nachlass beteiligt und kann lediglich seinen Anspruch auf den vermachten Gegenstand geltend machen[1][7].
Nachweispflichten
Erben müssen ihre Rechtsstellung oft durch einen Erbschein nachweisen, insbesondere wenn sie im Grundbuch eingetragen werden wollen oder Bankgeschäfte im Zusammenhang mit dem Nachlass tätigen möchten[1].
Der Vermächtnisnehmer benötigt in der Regel keinen Erbschein[1]. Bei der Übertragung eines vermachten Grundstücks ist jedoch eine notarielle Beurkundung erforderlich, während der Erbe nur das Grundbuch berichtigen lassen muss[2].
Ausschlagung
Möchte ein Erbe die Erbschaft nicht annehmen, muss er sie binnen sechs Wochen nach Kenntniserlangung gegenüber dem Nachlassgericht ausschlagen[1][5].
Für Vermächtnisnehmer:innen gelten dagegen keine besonderen Formvorschriften oder Fristen für die Ausschlagung. Sie können ihr Vermächtnis einfach gegenüber den Erben ausschlagen[5].
Steuerliche Aspekte
Sowohl Erben als auch Vermächtnisnehmer müssen in der Regel Erbschaftssteuer zahlen[1][4]. Bei beiden gelten dieselben Freibeträge und Steuersätze, die sich nach dem Verwandtschaftsverhältnis zum Erblasser richten.
Gestaltungsmöglichkeiten in der Nachlassplanung
Die Entscheidung, ob jemand als Erbe oder Vermächtnisnehmer bedacht werden soll, eröffnet vielfältige Möglichkeiten für die Nachlassgestaltung.
Wann ein Vermächtnis sinnvoll sein kann
Ein Vermächtnis bietet sich besonders an, wenn Sie einer Person einen ganz bestimmten Gegenstand zukommen lassen möchten, ohne sie in die komplexe Abwicklung des gesamten Nachlasses einzubeziehen[4]. Beispiele hierfür können wertvolle Sammlungen, Familienschmuck oder ein bestimmter Geldbetrag sein.
Auch wenn Sie eine Person begünstigen möchten, die Sie nicht zur Begleichung möglicher Nachlassschulden verpflichten wollen, ist ein Vermächtnis der geeignete Weg[4].
Besonders bei größeren Familien oder komplizierten Vermögensverhältnissen kann ein Vermächtnis helfen, die Nachlassabwicklung zu vereinfachen.
Klarheit schaffen durch präzise Formulierungen
Bei der Formulierung eines Testaments ist größte Sorgfalt geboten, um Missverständnisse zu vermeiden. Oft werden die Begriffe “vermachen” und “vererben” umgangssprachlich verwechselt[2][5].
Wichtig: Verwenden Sie im Testament eindeutige Formulierungen. Anstelle von “Ich vermache Peter mein Haus” sollten Sie klarstellen: “Peter soll mein Erbe sein und mein gesamtes Vermögen erhalten” oder “Peter soll als Vermächtnis mein Haus erhalten, Erbe soll Maria sein”[5].
Im Zweifelsfall gilt nach § 2087 BGB: Wenn dem Bedachten das gesamte Vermögen oder ein Bruchteil des Vermögens zugewendet wird, handelt es sich um eine Erbeinsetzung, selbst wenn die Person nicht als Erbe bezeichnet wird[6]. Werden hingegen nur einzelne Gegenstände zugewendet, ist im Zweifel von einem Vermächtnis auszugehen, auch wenn die Person als Erbe bezeichnet wurde[6].
Besondere Formen des Vermächtnisses
Das deutsche Erbrecht kennt verschiedene Formen des Vermächtnisses, die spezifische Gestaltungsmöglichkeiten bieten:
Vermächtnisarten nach Gegenstand
Je nach Art des vermachten Gegenstands unterscheidet man:
Das Wahlvermächtnis (§ 2154 BGB): Hier kann der Vermächtnisnehmer oder der Beschwerte zwischen verschiedenen Gegenständen wählen[6][8].
Das Gattungsvermächtnis (§ 2155 BGB): Der Erblasser vermacht einen Gegenstand einer bestimmten Gattung (z.B. “ein Auto aus meinem Besitz”)[6][8].
Das Zweckvermächtnis (§ 2156 BGB): Hier wird der vermachte Gegenstand für einen bestimmten Zweck festgelegt[6][8].
Besondere Vermächtniskonstellationen
Das Vorausvermächtnis (§ 2150 BGB) liegt vor, wenn ein Miterbe zugleich Vermächtnisnehmer ist. Er erhält dann neben seinem Erbteil zusätzlich den vermachten Gegenstand[3][6].
Das Nachvermächtnis (§ 2191 BGB) ähnelt der Nacherbschaft: Der vermachte Gegenstand geht zunächst an einen ersten Vermächtnisnehmer und später an einen zweiten[6].
Das Untervermächtnis (§ 2147 BGB) bedeutet, dass ein Vermächtnisnehmer selbst mit einem Vermächtnis zugunsten einer dritten Person beschwert wird[3].
Praktische Handhabung von Vermächtnissen
Nach dem Tod des Erblassers läuft die Abwicklung eines Vermächtnisses anders ab als die einer Erbschaft:
Testamentseröffnung und Benachrichtigung
Bei einem amtlich verwahrten Testament werden im Rahmen der Testamentseröffnung alle Personen benachrichtigt, die mit den Verfügungen im Testament in Zusammenhang stehen - auch Vermächtnisnehmer:innen[1].
Der Benachrichtigung für Vermächtnisnehmer:innen wird eine Kopie des relevanten Testamentsabschnittes beigelegt. Mit diesem Dokument können sie ihren Anspruch gegenüber den Erben geltend machen[1].
Geltendmachung des Vermächtnisses
Um den vermachten Gegenstand zu erhalten, muss der Vermächtnisnehmer seinen Anspruch gegenüber dem Erben geltend machen[1][3][7]. Er sollte dabei zunächst mit den Erben Kontakt aufnehmen und um die Übertragung des vermachten Gegenstands bitten.
Bei Immobilien ist zu beachten, dass eine notarielle Übertragung erforderlich ist[2]. Wird der Anspruch von den Erben nicht erfüllt, kann der Vermächtnisnehmer diesen nötigenfalls gerichtlich durchsetzen.
Beachten Sie die Verjährung: Der Anspruch auf ein Vermächtnis verjährt nach drei Jahren[2]. Diese Frist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Vermächtnisnehmer von den Umständen Kenntnis erlangt hat.
Fazit: Die richtige Entscheidung für Ihre Nachlassplanung
Die Wahl zwischen Erbeinsetzung und Vermächtnis beeinflusst maßgeblich, wie Ihr Nachlass verteilt wird und welche Rechte und Pflichten die begünstigten Personen haben werden.
Möchten Sie einer Person die Verantwortung für Ihren gesamten Nachlass übertragen, ist die Einsetzung als Erbe der richtige Weg. Der Erbe tritt in Ihre Rechtsposition ein und übernimmt sowohl Vermögenswerte als auch Verbindlichkeiten[1][2][4].
Wenn Sie hingegen einer Person nur einen bestimmten Gegenstand zukommen lassen möchten, ohne sie in die Abwicklung des Nachlasses einzubeziehen oder mit möglichen Schulden zu belasten, empfiehlt sich ein Vermächtnis[4].
Für eine rechtssichere Gestaltung Ihres letzten Willens ist es ratsam, fachkundige Unterstützung durch Notar:innen oder Anwält:innen für Erbrecht in Anspruch zu nehmen. So können Sie sicherstellen, dass Ihre Wünsche zur Verteilung Ihres Nachlasses ohne Missverständnisse und Konflikte umgesetzt werden.