Elternunterhalt: Wann Kinder für die Pflegekosten ihrer Eltern zahlen müssen
Zusammenfassung
Kinder sind nur dann verpflichtet, Elternunterhalt zu leisten, wenn ihr Jahresbruttoeinkommen über 100.000 Euro liegt, wie es das Angehörigen-Entlastungsgesetz regelt. Vorher müssen die Eltern ihre eigenen Mittel, einschließlich Rente und Vermögen, einsetzen, wobei ein Schonvermögen von 10.000 Euro geschützt ist. Eine frühzeitige familiäre Planung und Vorsorge können finanzielle Belastungen im Pflegefall reduzieren.
Die Pflegekosten für ältere Menschen können schnell mehrere tausend Euro pro Monat betragen. Wenn die eigenen finanziellen Mittel der Eltern nicht ausreichen, stellt sich die Frage nach der Unterhaltspflicht der Kinder. Seit Inkrafttreten des Angehörigen-Entlastungsgesetzes gelten neue Regeln, die viele Kinder von der finanziellen Last befreien. Dieser Artikel erklärt Ihnen, wann Sie für Ihre Eltern finanziell einspringen müssen und welche Grenzen es gibt.

Die gesetzliche Grundlage des Elternunterhalts
Die rechtliche Basis für den Elternunterhalt findet sich im Bürgerlichen Gesetzbuch. In § 1601 BGB heißt es: “Verwandte in gerader Linie sind verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren”[9]. Dies bedeutet grundsätzlich: Kinder sind ihren Eltern gegenüber unterhaltspflichtig, wenn diese ihren Lebensunterhalt oder ihre Pflegekosten nicht selbst decken können.
Allerdings hat der Gesetzgeber mit dem Angehörigen-Entlastungsgesetz seit dem 1. Januar 2020 eine wesentliche Erleichterung geschaffen.
Das Angehörigen-Entlastungsgesetz: Die 100.000-Euro-Grenze
Die wichtigste Neuerung des Gesetzes: Kinder müssen erst dann für ihre pflegebedürftigen Eltern aufkommen, wenn ihr Jahresbruttoeinkommen mehr als 100.000 Euro beträgt[8][10][11]. Diese Regelung entlastet einen Großteil der Bevölkerung von der Zahlungspflicht. Bei Schaffung des Gesetzes befanden sich nur etwa 6% der Bevölkerung in dieser Einkommensklasse[2].
Das Sozialamt kann gemäß § 94 SGB XII Leistungen wie Hilfe zur Pflege oder Grundsicherung, die es an hilfsbedürftige Eltern zahlt, nur von diesen einkommensstarken Kindern zurückverlangen[2].
Wie wird die 100.000-Euro-Grenze berechnet?
Für die Berechnung dieser Einkommensgrenze zählt ausschließlich Ihr eigenes Einkommen. Das Einkommen Ihres Ehepartners oder Ihrer Ehepartnerin wird nicht berücksichtigt[8][11]. Selbst wenn Sie gemeinsam mit Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin über mehr als 100.000 Euro verfügen, sind Sie nicht zum Elternunterhalt verpflichtet, solange Ihr persönliches Einkommen unter dieser Grenze liegt.
Zur Berechnung zieht das Sozialamt die Summe der Einkünfte aus Ihrem Steuerbescheid heran. Dazu gehören:
- Arbeitslohn (abzüglich Werbungskosten)
- Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung
- Kapitalerträge
- Gewinne aus Gewerbebetrieb
- Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit[2][9][10]
Ihr vorhandenes Vermögen (z.B. Immobilien) wird bei der 100.000-Euro-Grenze nicht berücksichtigt[10].
Wann prüft das Sozialamt Ihr Einkommen?
Das Sozialamt geht grundsätzlich davon aus, dass Ihr Einkommen unter der 100.000-Euro-Grenze liegt. Eine Prüfung erfolgt nur, wenn es konkrete Anhaltspunkte für ein höheres Einkommen gibt. Dies kann der Fall sein, wenn Sie:
- als Chefärzt:in im Krankenhaus arbeiten
- als Professor:in an einer Universität unterrichten
- selbstständig eine Firma mit mehr als 20 Beschäftigten führen[10]
In diesen Fällen könnte das Sozialamt Sie auffordern, Ihr Einkommen und Vermögen offenzulegen.
Berechnung des Elternunterhalts bei Einkommen über 100.000 Euro
Falls Ihr Jahresbruttoeinkommen die 100.000-Euro-Grenze überschreitet, wird der zu zahlende Elternunterhalt wie folgt berechnet:
- Von Ihrem Nettoeinkommen werden zulässige Ausgaben abgezogen
- Es wird ein Selbstbehalt abgezogen (für Ihre eigenen Lebenshaltungskosten)
- Von dem verbleibenden Betrag müssen Sie etwa die Hälfte als Elternunterhalt zahlen[10]
Selbstbehalt für Unterhaltspflichtige
Unterhaltspflichtigen Kindern steht ein Selbstbehalt zu, der nicht für den Elternunterhalt verwendet werden muss:
- Für Alleinstehende: 2.000 Euro monatlich
- Für Ehepaare: 3.600 Euro monatlich[9]
Es gibt Stimmen, die einen höheren Selbstbehalt für angemessen halten. Im Einzelfall kann auch ein Selbstbehalt von 70 Prozent über dem Mindestselbstbehalt zugestanden werden[10].
Beispiel zur Berechnung des Elternunterhalts
Beispiel: Frau Schmidt verdient monatlich 15.000 Euro brutto, im Jahr also 180.000 Euro. Ihre Mutter lebt im Pflegeheim. Nach Bereinigung ihres Nettoeinkommens um zulässige Abzüge beläuft sich das relevante Einkommen auf 10.000 Euro monatlich. Bei einem Mindestselbstbehalt von 2.650 Euro ergibt sich ein potenzieller Elternunterhalt in Höhe von 50 Prozent von 7.350 Euro, also 3.675 Euro im Monat.
Alternativ könnte man ihr auch 70 Prozent des Mindestselbstbehalts zusätzlich belassen, was zu einem Unterhalt von etwa 2.750 Euro führen würde. Der tatsächlich zu zahlende Betrag liegt zwischen diesen Werten, maximal jedoch in Höhe der tatsächlichen Kosten, die die Mutter nicht selbst tragen kann[10].
Welches Vermögen müssen Eltern einsetzen?
Bevor Kinder für den Unterhalt ihrer Eltern aufkommen müssen, werden zunächst die eigenen finanziellen Mittel der Eltern herangezogen:
- Rente und sonstige Einkünfte
- Leistungen aus der Pflegeversicherung
- Barvermögen und sonstige Geldwerte
Eltern dürfen dabei ein Schonvermögen von 10.000 Euro pro Person behalten[12]. Eine Lebensversicherung muss unter Umständen aufgelöst werden. Ein angemessenes selbst bewohntes Haus bleibt in der Regel unangetastet.
Praktische Tipps zum Umgang mit Elternunterhalt
Falls Sie Post vom Sozialamt erhalten, in der Auskünfte zu Ihrem Einkommen gefordert werden:
Bleiben Sie ruhig und prüfen Sie zunächst, ob Ihr Jahreseinkommen überhaupt die 100.000-Euro-Grenze überschreitet.
Prüfen Sie Ihren Steuerbescheid: Auf Seite 2 finden Sie die “Summe der Einkünfte”, die für die Beurteilung maßgeblich ist.
Lassen Sie sich beraten: Bei komplexen Vermögensverhältnissen kann eine Beratung durch Fachleute für Sozialrecht sinnvoll sein.
Kommunizieren Sie offen mit dem Sozialamt und reichen Sie die geforderten Unterlagen fristgerecht ein.
Klären Sie die Situation frühzeitig mit Ihren Eltern und Geschwistern, um späteren Konflikten vorzubeugen.
Elternunterhalt und Geschwister
Haben Ihre Eltern mehrere Kinder, wird jedes Kind einzeln nach seiner Leistungsfähigkeit beurteilt. Liegt das Einkommen eines Kindes über 100.000 Euro, während die Geschwister weniger verdienen, muss nur das einkommensstarke Kind Elternunterhalt zahlen.
Die Geschwister können sich jedoch freiwillig an den Kosten beteiligen, wenn sie dies möchten.
Finanzielle Vorsorge treffen
Um im Alter nicht auf Unterhalt von den Kindern angewiesen zu sein, können Eltern frühzeitig vorsorgen:
- Abschluss einer privaten Pflegezusatzversicherung
- Aufbau von Vermögenswerten, die im Pflegefall genutzt werden können
- Rechtzeitige Anpassung der Wohnsituation an mögliche spätere Pflegebedürftigkeit
Diese Maßnahmen können dazu beitragen, die finanzielle Belastung für alle Beteiligten zu reduzieren.
Fazit zum Elternunterhalt
Mit dem Angehörigen-Entlastungsgesetz hat der Gesetzgeber viele Familien von finanziellen Belastungen befreit. Die meisten Kinder müssen heute keinen Elternunterhalt mehr zahlen, da ihr Einkommen unter der 100.000-Euro-Grenze liegt. Nur bei sehr gut verdienenden Kindern kann das Sozialamt einen Beitrag zu den Pflegekosten ihrer Eltern fordern.
Eine offene Kommunikation innerhalb der Familie und eine frühzeitige Auseinandersetzung mit dem Thema Pflege im Alter können helfen, spätere Konflikte zu vermeiden und gemeinsam gute Lösungen zu finden.