Die Betreuung der Eltern: Praktische Wege zur Aufteilung der Pflege unter Geschwistern
Zusammenfassung
Die Pflege der eigenen Eltern erfordert eine frühzeitige, offene Kommunikation zwischen Geschwistern und Eltern, um Aufgaben fair zu verteilen und individuelle Bedürfnisse zu berücksichtigen. Unterstützungsangebote wie Pflegegeld, ambulante Dienste, rechtliche Vorsorgedokumente und digitale Hilfsmittel können die Belastung reduzieren. Eine gute Planung und regelmäßige Abstimmung helfen, die Herausforderung gemeinsam zu bewältigen.
Die Pflege der eigenen Eltern stellt viele Familien vor große Herausforderungen. Etwa drei Viertel der Pflegebedürftigen in Deutschland werden zu Hause betreut - das sind 2,59 Millionen Menschen. Davon werden etwa 1,76 Millionen ausschließlich von ihren Angehörigen versorgt, ohne externe Unterstützung durch Pflegeeinrichtungen oder ambulante Dienste. Wenn mehrere Geschwister vorhanden sind, kann die Aufteilung der Pflegeaufgaben manchmal zu Spannungen führen. Mit einer guten Planung und offenen Gesprächen lässt sich die Verantwortung jedoch auf mehrere Schultern verteilen. Dieser Artikel bietet Ihnen einen praktischen Leitfaden, wie Sie gemeinsam mit Ihren Geschwistern die Betreuung Ihrer Eltern gestalten können.

Schritt 1: Die Pflegesituation erkennen und verstehen
Bevor Sie mit der Organisation der Pflege beginnen, ist es sinnvoll, sich ein klares Bild von der Situation zu machen. Die Betreuung älterer Angehöriger ist eine komplexe Aufgabe, die sowohl Zeit als auch finanzielle Mittel erfordert. Häufig haben Familienmitglieder keine ausreichenden Kenntnisse darüber, wie die Pflege der eigenen Eltern zu organisieren ist.
Nehmen Sie sich ausreichend Zeit für eine gründliche Recherche. Informieren Sie sich über Pflegegrade, Versicherungsleistungen und Unterstützungsangebote in Ihrer Region. Gute Anlaufstellen sind Pflegestützpunkte, Krankenkassen oder speziell ausgerichtete Beratungsdienste. Auch digitale Angebote wie der Digitale PflegeBerater können Ihnen einen ersten Überblick verschaffen.
Berücksichtigen Sie bei Ihrer Planung, dass die Pflege eines Angehörigen zu Hause sich in sechs wesentliche Bereiche unterteilen lässt:
- Körperbezogene Pflege (An- und Auskleiden, Körperpflege, Unterstützung bei Toilettengängen)
- Hilfe bei der Ernährung
- Haushaltshilfe (Putzen, Einkaufen, Wäschewaschen)
- Begleitung bei Terminen
- Beschäftigung und soziale Teilhabe
- Medizinische Maßnahmen[2]
Schritt 2: Frühzeitige Gespräche mit Geschwistern führen
Je früher Sie mit Ihren Geschwistern über das Thema Pflege sprechen, desto besser. In ruhigen Zeiten lassen sich Pläne mit weniger emotionalem Druck entwickeln als in einer akuten Notsituation. Suchen Sie das persönliche Gespräch, beispielsweise bei einem Familientreffen. Der direkte Austausch ist besonders wertvoll, um Missverständnisse zu vermeiden.
Wichtig ist, dass alle Geschwister in die Planung einbezogen werden und ein gemeinsames Verständnis für die anstehenden Aufgaben entwickeln. Jeder sollte die Möglichkeit haben, seine Bedenken und Ideen einzubringen. Offenheit und Ehrlichkeit sind dabei wesentliche Voraussetzungen für eine faire Aufteilung der Verantwortung.
Ein konkretes Beispiel aus der Praxis: Ines Elker aus Norderstedt versuchte nach dem Schlaganfall ihres Vaters, mit ihren Eltern über Pflegevorsorge zu sprechen. Als diese ablehnten, stand sie später plötzlich allein in der Verantwortung, als ihre Mutter starb und der Vater ins Krankenhaus kam. “Ich hätte so etwas lieber mit meinen Eltern in Ruhe besprochen, bevor es akut ist”, berichtet sie über ihre Erfahrungen[1].
Schritt 3: Die Bedürfnisse der Eltern wahrnehmen
Nach dem Gespräch mit Ihren Geschwistern ist es entscheidend, auch die Wünsche und Bedürfnisse Ihrer Eltern zu berücksichtigen. Oft werden diese vergessen, wenn die Eltern beim ersten Gespräch nicht anwesend sind.
Führen Sie ein einfühlsames Gespräch mit Ihren Eltern über ihre Vorstellungen zur Betreuung und Pflege. Bedenken Sie dabei, dass Pflege ein sehr sensibles Thema ist. Niemand altert gerne oder ist gerne auf Hilfe angewiesen. Zeigen Sie Verständnis, wenn Ihre Eltern zunächst ablehnend reagieren.
Manchmal kann es hilfreich sein, wenn eine neutrale Person, wie der Hausarzt oder die Hausärztin, das Gespräch begleitet. Dies kann die Hemmschwelle senken und zu einer offeneren Kommunikation beitragen.
Schritt 4: Rechtliche Vorsorge treffen
Ein wichtiger Punkt, der oft übersehen wird, ist die rechtliche Vorsorge. Was passiert, wenn Ihre Eltern eines Tages nicht mehr selbst entscheiden können? Hier kommen Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung ins Spiel.
Eine Patientenverfügung legt fest, wie Ihre Eltern medizinisch behandelt werden möchten, falls sie es persönlich nicht mehr entscheiden können. Dies kann besonders in schwerwiegenden medizinischen Situationen Angehörigen viele schwere Entscheidungen abnehmen[1].
Mit einer Vorsorgevollmacht können Ihre Eltern festlegen, wer sie rechtlich vertreten darf, wenn sie dazu nicht mehr in der Lage sind. Eine Betreuungsverfügung ermöglicht es ihnen zu bestimmen, wen das Betreuungsgericht als Betreuer:in einsetzen soll, falls eine rechtliche Betreuung nötig wird[3].
Schritt 5: Die praktische Pflegeorganisation
Nun geht es an die konkrete Organisation der Pflege. In dieser Phase sollten Sie gemeinsam mit Ihren Geschwistern überlegen, welche Unterstützungsmöglichkeiten genutzt werden können.
Prüfen Sie, ob ein Pflegegrad vorliegt oder beantragt werden sollte. Ab Pflegegrad 2 haben Pflegebedürftige Anspruch auf Pflegegeld, das je nach Pflegegrad zwischen 316 Euro und 901 Euro pro Monat beträgt[2]. Dieses Geld kann die finanzielle Belastung der Familie verringern.
Falls Sie oder Ihre Geschwister berufstätig sind, informieren Sie sich über Freistellungsmöglichkeiten:
- Für akute Pflegefälle können Sie sich kurzfristig bis zu zehn Tage freistellen lassen und das Pflegeunterstützungsgeld als Lohnersatzleistung erhalten.
- Die Pflegezeit ermöglicht eine Freistellung für bis zu sechs Monate mit besonderem Kündigungsschutz (gilt für Unternehmen mit mehr als 15 Mitarbeitenden).
- Die Familienpflegezeit bietet die Möglichkeit einer Freistellung für bis zu 24 Monate, wobei ein zinsloses Darlehen beantragt werden kann[2].
Schritt 6: Gerechte Aufgabenverteilung unter Geschwistern
Die faire Verteilung der Pflegeaufgaben unter Geschwistern erfordert eine ehrliche Einschätzung der individuellen Möglichkeiten und Einschränkungen. Berücksichtigen Sie dabei folgende Faktoren:
Räumliche Nähe: Geschwister, die in der Nähe der Eltern wohnen, können leichter tägliche Hilfe leisten als jene, die weiter entfernt leben.
Zeitliche Verfügbarkeit: Berufliche und familiäre Verpflichtungen beeinflussen, wie viel Zeit jedes Geschwisterteil für die Pflege aufbringen kann.
Persönliche Fähigkeiten: Manche Menschen fühlen sich mit bestimmten Pflegeaufgaben wohler als mit anderen. Berücksichtigen Sie die individuellen Stärken bei der Aufgabenverteilung.
Finanzielle Unterstützung: Wenn ein Geschwisterteil weniger Zeit für die direkte Pflege aufbringen kann, besteht eventuell die Möglichkeit einer stärkeren finanziellen Beteiligung.
Denken Sie daran, dass eine ungleiche Verteilung der Pflegeverantwortung zu Resentiments führen kann. Regelmäßige Gespräche über die aktuelle Situation helfen, solche Spannungen frühzeitig zu erkennen und zu lösen.
Schritt 7: Externe Unterstützungsangebote nutzen
Die Pflege der Eltern muss nicht ausschließlich durch die Familie erfolgen. Es gibt zahlreiche Unterstützungsangebote, die die Belastung verringern können.
Pflegekurse für Angehörige vermitteln wichtige Grundkenntnisse für die häusliche Pflege. Solche Kurse werden von Volkshochschulen, Pflegekassen, Sozialverbänden oder Kirchen angeboten und können in manchen Fällen sogar zu Hause stattfinden[2].
Ambulante Pflegedienste können eine wertvolle Unterstützung sein, wenn Angehörige nicht ausreichend Zeit für eine dauerhafte Pflege haben. Diese Dienste können die Pflege zu Hause entweder unterstützen, vollständig übernehmen oder beratend tätig sein[2].
Kurzzeitpflege bietet eine Möglichkeit für pflegende Angehörige, eine Auszeit zu nehmen. Wenn Sie in den Urlaub fahren oder wichtige Termine wahrnehmen müssen, kann die Pflege Ihrer Eltern für einen begrenzten Zeitraum von einer professionellen Einrichtung übernommen werden[2].
Schritt 8: Digitale Hilfsmittel einbeziehen
Die Digitalisierung hat auch die Pflegebranche erreicht. Seit dem Inkrafttreten des Digitale-Versorgung-und-Pflege-Modernisierungs-Gesetzes (DVPMG) gibt es neue Möglichkeiten zur Unterstützung durch digitale Anwendungen.
Digitale Pflegeanwendungen (DiPA) sind Apps oder Programme für mobile Geräte, die einen besonderen Nutzen für die pflegerische Versorgung haben. Diese Anwendungen können Pflegebedürftige in ihrer Selbstständigkeit stärken oder pflegende Angehörige bei ihren Aufgaben unterstützen[4][5].
Die Pflegeversicherung beteiligt sich mit bis zu 53 Euro pro Monat an den Kosten für zugelassene digitale Pflegeanwendungen. Voraussetzung ist, dass ein Pflegegrad vorliegt und die Anwendung in dem jeweiligen Fall nützlich ist[5].
Auch die Pflegeberatung kann inzwischen digital in Anspruch genommen werden, was besonders für Geschwister, die weiter entfernt wohnen, eine große Hilfe sein kann[4].
Fazit: Gemeinsam die Herausforderung bewältigen
Die Pflege der eigenen Eltern ist eine anspruchsvolle Aufgabe, die mit einer guten Planung und der Verteilung der Verantwortung auf mehrere Schultern bewältigt werden kann. Der Schlüssel liegt in einer frühzeitigen und offenen Kommunikation - sowohl unter Geschwistern als auch mit den Eltern selbst.
Nutzen Sie alle verfügbaren Unterstützungsangebote, von finanziellen Hilfen über Freistellungsmöglichkeiten bis hin zu ambulanten Diensten und digitalen Hilfsmitteln. Beachten Sie dabei, dass jede Familie einzigartig ist und individuelle Lösungen gefunden werden müssen.
Denken Sie auch daran, dass die Pflegesituation sich im Laufe der Zeit verändern kann. Bleiben Sie im Gespräch, passen Sie Ihre Pläne an und achten Sie gut auf sich selbst - denn nur wenn es Ihnen gut geht, können Sie auch für Ihre Eltern da sein.