Digitales Erbe: So regeln Sie Ihren Nachlass im Internet
Zusammenfassung
Der digitale Nachlass umfasst alle Online-Konten, Daten und digitalen Werte, die eine Person hinterlässt. Um Angehörige zu entlasten und den Umgang mit diesen Daten nach eigenen Wünschen zu regeln, sollten Sie eine Bestandsaufnahme Ihrer Konten machen, klare Anweisungen hinterlassen und eine Vertrauensperson bestimmen. Viele Anbieter bieten bereits Vorsorgeoptionen an, die Sie nutzen können, um Ihren digitalen Nachlass rechtzeitig und sicher zu organisieren.
In unserer vernetzten Welt hinterlassen wir zahlreiche digitale Spuren. E-Mail-Konten, Social-Media-Profile, Online-Banking und Cloud-Speicher - all diese Daten und Zugänge bleiben auch nach unserem Tod bestehen. Der Bundesgerichtshof hat 2018 klargestellt: Der digitale Nachlass ist genau wie der analoge Nachlass Teil des Erbes. Wenn Sie vorsorgen, ersparen Sie Ihren Angehörigen mühsame Suchen nach Zugangsdaten und stellen sicher, dass mit Ihren persönlichen Informationen nach Ihren Wünschen verfahren wird.

Was gehört alles zum digitalen Nachlass?
Der digitale Nachlass beinhaltet alle Daten und Konten, die eine Person im Internet hinterlässt. Die Liste ist oft länger, als man zunächst denkt.
Online-Konten und Profile
Im Laufe eines Lebens sammelt man zahlreiche Online-Konten an, die alle Teil des digitalen Nachlasses werden[14][15]:
E-Mail-Konten mit persönlichen und beruflichen Nachrichten bilden oft den Grundstein des digitalen Lebens. Hinzu kommen Profile in sozialen Netzwerken wie Facebook, Instagram oder Twitter sowie Messenger-Dienste wie WhatsApp. Auch berufliche Plattformen wie LinkedIn oder Xing gehören dazu. Nicht zu vergessen sind Finanzdienste wie Online-Banking und Zahlungsdienste, Kundenkonten bei Online-Shops, Streaming-Dienste für Musik und Filme sowie digitale Abonnements für Zeitungen und Magazine.
Digitale Besitztümer und Werte
Neben Konten gehören auch handfeste digitale Werte zum Nachlass[17]:
Persönliche Fotos und Videos in Cloud-Speichern können für Angehörige von großem emotionalem Wert sein. Wichtige Dokumente und gekaufte E-Books sollten ebenso berücksichtigt werden wie erworbene digitale Inhalte (Musik, Filme, Spiele). Bei manchen Menschen kommen noch eigene Websites, Blogs und Domains hinzu. Nicht zuletzt können auch Kryptowährungen erhebliche finanzielle Werte darstellen - ohne Zugangsdaten sind diese allerdings für immer verloren.
Die rechtliche Lage zum digitalen Nachlass
Grundsätzliche Rechtssituation
In Deutschland existiert bislang kein spezielles Gesetz zum digitalen Nachlass. Stattdessen greifen die allgemeinen erbrechtlichen Bestimmungen[2][4]. Nach diesen gehen nach dem Tod grundsätzlich alle Verträge mit ihren Rechten und Pflichten auf die Erb:innen über. Das bedeutet:
Laufende kostenpflichtige Abonnements werden weitergeführt und müssen von den Erb:innen bezahlt oder aktiv gekündigt werden. Online getätigte Käufe müssen bezahlt werden, sofern kein Widerruf möglich ist. Die Erb:innen treten in die Vertragsposition der verstorbenen Person ein.
Wegweisende Gerichtsentscheidungen
Der Bundesgerichtshof hat mit einigen wichtigen Urteilen für mehr Klarheit gesorgt[2][5][7]:
Im sogenannten “Facebook-Fall” entschied der BGH am 12. Juli 2018, dass Erb:innen Anspruch auf vollen Zugang zum Facebook-Konto der verstorbenen Person haben - einschließlich aller persönlichen Nachrichten. Das Urteil war grundlegend, da es den digitalen Nachlass erstmals dem analogen Nachlass gleichstellte. Im September 2020 bestätigte der BGH diese Rechtsprechung und verpflichtete auch Apple, Erb:innen vollen Zugriff auf die iCloud-Daten der verstorbenen Person zu gewähren.
Persönlichkeitsrechte und Datenschutz
Beim digitalen Nachlass überschneiden sich verschiedene Rechtsgebiete[4]:
Das postmortale Persönlichkeitsrecht schützt die Persönlichkeit auch nach dem Tod. Bei selbst erschaffenen Werken wie Texten oder Fotos greift das Urheberrecht, das eine Vererbbarkeit vorsieht. Bei Online-Kommunikation spielen zudem das Datenschutzrecht und das Fernmeldegeheimnis eine Rolle - sie schützen eigentlich auch die Kommunikation mit Dritten. Der BGH hat jedoch klargestellt, dass diese Schutzrechte dem Zugriffsrecht der Erb:innen nicht entgegenstehen.
Warum Sie Ihren digitalen Nachlass regeln sollten
Praktische Gründe
Eine frühzeitige Regelung des digitalen Nachlasses hat mehrere praktische Vorteile[4][15][17]:
Sie ersparen Ihren Angehörigen eine zeitaufwendige und emotional belastende Suche nach Ihren Online-Konten und Zugangsdaten. Ohne Regelung laufen Kosten für Abonnements und Mitgliedschaften weiter - Geld, das unnötig ausgegeben wird. Wichtige Dokumente und Erinnerungen könnten für immer verloren gehen, wenn niemand Zugriff hat. Nicht zuletzt können Sie so verhindern, dass Ihre Online-Identität nach Ihrem Tod missbraucht wird.
Emotionale Bedeutung
Der digitale Nachlass hat auch eine starke emotionale Komponente[15][17]:
In Fotos und Videos stecken wertvolle Erinnerungen für Ihre Angehörigen. Gleichzeitig enthalten private Nachrichten möglicherweise Informationen, die Sie nicht mit allen teilen möchten. Bei Social-Media-Profilen können Sie festlegen, ob diese als digitale Gedenkstätten weiterbestehen oder gelöscht werden sollen.
Erschreckende Statistik zur Vorsorge
Trotz der wachsenden Bedeutung des digitalen Nachlasses kümmern sich nur wenige Menschen aktiv darum[8]:
Laut einer repräsentativen Umfrage des Digitalverbands Bitkom haben 80% der Internetnutzer:innen ihren digitalen Nachlass noch nicht geregelt. Besonders alarmierend: Bei der jüngsten Generation (14-29 Jahre) sind es sogar 88%, bei Menschen über 65 Jahren sogar 96%, die keine Vorkehrungen getroffen haben.
So regeln Sie Ihren digitalen Nachlass - Schritt für Schritt
Bestandsaufnahme aller digitalen Konten
Der erste Schritt besteht darin, sich einen Überblick zu verschaffen[16][19]:
Notieren Sie alle Ihre Online-Konten, E-Mail-Adressen und digitalen Dienste. Halten Sie für jedes Konto die Benutzernamen und Passwörter fest - ohne diese Daten kommen Ihre Angehörigen nicht weit. Dokumentieren Sie auch, wo Ihre digitalen Daten gespeichert sind (Cloud, Festplatten, externe Speicher). Eine strukturierte Liste macht es Ihren Angehörigen deutlich leichter, den Überblick zu behalten.
Vertrauensperson bestimmen
Legen Sie fest, wer sich um Ihren digitalen Nachlass kümmern soll[16][19]:
Wählen Sie eine Person Ihres Vertrauens als digitale:n Nachlassverwalter:in. Diese Person sollte über genügend technisches Verständnis verfügen, um Ihre Anweisungen umsetzen zu können. Wichtig: Erstellen Sie eine Vollmacht, die ausdrücklich “über den Tod hinaus” gilt. Besprechen Sie mit dieser Person Ihre Wünsche und teilen Sie ihr mit, wo sie die Liste mit Ihren Zugangsdaten findet.
Wünsche für jeden Account festlegen
Für jedes Konto sollten Sie klare Anweisungen hinterlassen[16][19]:
Gehen Sie jedes Konto einzeln durch und überlegen Sie: Soll es gelöscht werden? Soll es in einen Gedenkzustand versetzt werden? Welche Daten sollen gesichert und an wen weitergegeben werden? Welche Abonnements müssen unbedingt gekündigt werden? Je konkreter Ihre Anweisungen sind, desto leichter fällt Ihren Angehörigen die Umsetzung.
Vorhandene Vorsorgeoptionen bei Online-Diensten nutzen
Viele große Anbieter bieten bereits eigene Lösungen an[5][16]:
Facebook ermöglicht das Einrichten eines Nachlasskontakts, der das Profil nach Ihrem Tod in einen Gedenkzustand versetzen oder löschen kann. Google bietet einen Kontoinaktivitäts-Manager, der nach einer von Ihnen festgelegten Zeit der Inaktivität automatisch bestimmte Maßnahmen ergreift. Apple erlaubt seit neueren iOS-Versionen das Hinzufügen eines Nachlasskontakts für den Zugriff auf iCloud-Daten.
Rechtssichere Dokumentation
Sorgen Sie für eine rechtssichere Aufbewahrung Ihrer Unterlagen[16][19]:
Bewahren Sie die Passwortliste an einem sicheren Ort auf - etwa in einem Tresor oder Bankschließfach. Denken Sie daran, die Liste regelmäßig zu aktualisieren, wenn sich Passwörter ändern oder neue Konten hinzukommen. Erwägen Sie, die Regelung des digitalen Nachlasses in Ihrem Testament oder einer separaten Vollmacht festzuhalten, um rechtliche Klarheit zu schaffen.
Besonderheiten bei wichtigen Online-Diensten
Social Media
Für beliebte soziale Netzwerke gibt es unterschiedliche Regelungen[5][7][10]:
Facebook und Instagram
Facebook bietet die Option eines Nachlasskontakts, der das Profil in einen Gedenkzustand versetzen oder löschen kann. Für den Gedenkzustand wird in der Regel eine Sterbeurkunde benötigt. Der BGH hat 2018 klargestellt: Erb:innen müssen grundsätzlich Zugang zum Konto erhalten, da das Fernmeldegeheimnis dem nicht entgegensteht.
Google und YouTube
Google bietet einen durchdachten Kontoinaktivitäts-Manager. Sie können festlegen, was mit Ihrem Konto geschehen soll, wenn Sie es für einen bestimmten Zeitraum nicht mehr nutzen. Sie können bis zu 10 Personen benennen, die benachrichtigt werden und Zugriff auf ausgewählte Daten erhalten sollen.
Cloud-Speicher und E-Mail
Die Regelungen für Cloud-Speicher variieren je nach Anbieter[5]:
Apple ermöglicht in neueren iOS-Versionen das Hinzufügen eines Nachlasskontakts für den Zugriff auf iCloud-Daten. Für den Zugriff wird ein Schlüssel generiert, den der Nachlasskontakt kennen muss. Zusätzlich benötigt Apple eine Sterbeurkunde. Für viele E-Mail-Konten gibt es noch keine speziellen Vorsorgeoptionen - hier ist es besonders wichtig, Zugangsdaten zu hinterlegen.
Online-Banking und digitale Vermögenswerte
Bei Finanzdaten ist besondere Sorgfalt geboten[17]:
Bei Bankkonten sollten Sie sich über die speziellen Regelungen Ihres Kreditinstituts informieren. Besondere Vorsicht gilt bei Kryptowährungen: Ohne die privaten Schlüssel sind diese Werte für immer verloren. Überlegen Sie genau, wie Sie den Zugang zu diesen sensiblen Finanzinformationen sicherstellen können, ohne die Daten zu gefährden.
Fazit und praktische Tipps
Der digitale Nachlass wird immer wichtiger, da wir immer mehr unseres Lebens online verbringen[14][15][17][19]. Mit diesen Tipps machen Sie es Ihren Angehörigen leichter:
Beginnen Sie noch heute mit der Planung - je früher Sie Ihren digitalen Nachlass regeln, desto besser. Halten Sie Ihre Dokumentation aktuell und an einem Ort, den Ihre Vertrauensperson kennt. Nutzen Sie, wo immer möglich, die Vorsorgeoptionen großer Anbieter wie Facebook, Google oder Apple. Sprechen Sie offen mit Ihrer Vertrauensperson über Ihre Wünsche. Misten Sie regelmäßig aus - löschen Sie nicht mehr genutzte Konten schon zu Lebzeiten. Prüfen Sie kritisch, welche persönlichen Informationen Sie überhaupt online teilen.
Mit einer durchdachten Planung Ihres digitalen Nachlasses nehmen Sie Ihren Angehörigen eine große Last von den Schultern und behalten die Kontrolle darüber, was mit Ihren digitalen Spuren geschieht.