Patientenverfügung: BGH fordert präzise Formulierung
Zusammenfassung
Eine Patientenverfügung muss laut Bundesgerichtshof präzise formuliert sein, um rechtlich verbindlich zu sein. Allgemeine Aussagen wie “keine lebenserhaltenden Maßnahmen” reichen nicht aus; es müssen konkrete Behandlungssituationen und medizinische Maßnahmen beschrieben werden. Eine klare Patientenverfügung schützt Ihren Willen und hilft, Konflikte zwischen Angehörigen zu vermeiden.
Für eine wirksame Patientenverfügung reicht es nicht aus, allgemeine Anweisungen zu geben. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in mehreren Urteilen klargestellt, dass Formulierungen wie “keine lebenserhaltenden Maßnahmen” zu ungenau sind. Was bedeutet das für Sie und wie können Sie Ihre Patientenverfügung rechtssicher gestalten?

Die gesetzliche Grundlage der Patientenverfügung
Die Patientenverfügung ist in § 1827 BGB gesetzlich verankert. Darin heißt es: “Hat ein einwilligungsfähiger Volljähriger für den Fall seiner Einwilligungsunfähigkeit schriftlich festgelegt, ob er in bestimmte, zum Zeitpunkt der Festlegung noch nicht unmittelbar bevorstehende Untersuchungen seines Gesundheitszustands, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe einwilligt oder sie untersagt (Patientenverfügung), prüft der Betreuer, ob diese Festlegungen auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation des Betreuten zutreffen.”[2]
Das Gesetz sieht vor, dass Betreuer:innen oder Bevollmächtigte den in der Patientenverfügung festgelegten Willen umsetzen müssen. Was aber, wenn dieser Wille nicht klar erkennbar ist?
Was der BGH von einer wirksamen Patientenverfügung erwartet
Der Bundesgerichtshof hat mit seinen Urteilen vom 6. Juli 2016 und vom 14. November 2018 (Aktenzeichen: XII ZB 107/18) klare Anforderungen formuliert:
Eine Patientenverfügung muss so präzise wie möglich sein. Allgemeine Aussagen wie “keine lebenserhaltenden Maßnahmen” oder die Aufforderung, “ein würdevolles Sterben zu ermöglichen”, reichen für eine rechtlich verbindliche Patientenverfügung nicht aus.[10][11]
Aus der Patientenverfügung muss erkennbar sein:
- In welcher konkreten Behandlungssituation
- Welche konkreten medizinischen Maßnahmen gewünscht oder abgelehnt werden[11]
Im konkreten Fall hatte der BGH zu entscheiden, ob eine künstliche Ernährung beendet werden durfte. Die betroffene Person hatte in ihrer Patientenverfügung nicht ausdrücklich zur künstlichen Ernährung über eine Magensonde Stellung genommen.[10]
Das BGH-Urteil im Detail
In einem Fall, den der BGH beurteilte, ging es um eine Frau, die nach einem Hirnschlag schwere Hirnschädigungen erlitten hatte. Die Tochter als Bevollmächtigte wollte die künstliche Ernährung beenden lassen. Andere Familienmitglieder waren dagegen.[10]
Der BGH befand, dass die vorhandene Patientenverfügung zu ungenau war. Die allgemeine Formulierung “keine lebenserhaltenden Maßnahmen” ließ nicht klar erkennen, ob damit auch die künstliche Ernährung gemeint war.[10][11]
In einem anderen Fall bestätigte der BGH jedoch die Wirksamkeit einer Patientenverfügung, in der festgelegt war, dass lebenserhaltende Maßnahmen unterbleiben sollen, wenn keine Aussicht besteht, das Bewusstsein wiederzuerlangen.[11]
Wie konkret muss eine Patientenverfügung sein?
Der BGH stellt klar: Die Anforderungen an die Genauigkeit einer Patientenverfügung dürfen nicht überspannt werden. Es kann nur verlangt werden, dass die betroffene Person umschreibend festlegt, was sie in einer bestimmten Lebens- und Behandlungssituation will und was nicht.[11][12]
Im Einzelfall kann es ausreichen, wenn Sie:
- Statt konkreter medizinischer Maßnahmen bestimmte Krankheiten oder Behandlungssituationen beschreiben
- Ihre persönlichen Werte und Überzeugungen darlegen, die bei der Auslegung helfen können[11]
Was passiert ohne gültige Patientenverfügung?
Liegt keine Patientenverfügung vor oder ist diese zu ungenau, muss der Betreuer oder Bevollmächtigte den mutmaßlichen Willen der betroffenen Person ermitteln. Laut § 1827 Abs. 2 BGB sind dabei “frühere Äußerungen, ethische oder religiöse Überzeugungen und sonstige persönliche Wertvorstellungen des Betreuten” zu berücksichtigen.[2][4]
Dies kann zu Konflikten zwischen Angehörigen führen, wie der vom BGH entschiedene Fall zeigt. Eine klare und präzise Patientenverfügung kann solche Streitigkeiten vermeiden.
Praktische Tipps für Ihre Patientenverfügung
Damit Ihre Patientenverfügung den Anforderungen des BGH entspricht, sollten Sie folgende Punkte beachten:
Werden Sie konkret bei medizinischen Maßnahmen:
Statt allgemeiner Formulierungen wie “keine lebenserhaltenden Maßnahmen” sollten Sie genau angeben, welche Maßnahmen Sie ablehnen oder wünschen, z.B.:
- Künstliche Ernährung durch eine Magensonde
- Künstliche Beatmung
- Wiederbelebungsmaßnahmen
- Dialyse
- Antibiotikagabe bei schweren Infektionen
Beschreiben Sie die Situationen genau:
Legen Sie fest, in welchen konkreten Situationen Ihre Anweisungen gelten sollen, beispielsweise:
- Bei irreversibler Bewusstlosigkeit
- Im unmittelbaren Sterbeprozess
- Bei weit fortgeschrittener Demenzerkrankung
- Bei schweren Hirnschädigungen ohne Aussicht auf Bewusstseinserlangung
Ergänzen Sie Ihre Wertvorstellungen:
Eine Darlegung Ihrer persönlichen Werte, religiösen oder ethischen Überzeugungen kann bei der Auslegung Ihrer Patientenverfügung helfen.
Änderung und Widerruf der Patientenverfügung
Eine Patientenverfügung kann jederzeit formlos widerrufen werden, wie § 1827 Abs. 1 BGB festlegt.[2][4] Es ist ratsam, Ihre Patientenverfügung regelmäßig zu überprüfen und bei Bedarf anzupassen. Notieren Sie auf dem Dokument das Datum der letzten Überprüfung, um zu zeigen, dass die Verfügung Ihren aktuellen Willen wiedergibt.
Freiwilligkeit der Patientenverfügung
Wichtig zu wissen: Niemand kann zur Erstellung einer Patientenverfügung verpflichtet werden. Die Errichtung oder Vorlage einer Patientenverfügung darf auch nicht zur Bedingung eines Vertragsabschlusses gemacht werden (§ 1827 Abs. 5 BGB).[2][6]
Fazit: Sorgfalt lohnt sich
Die BGH-Urteile zeigen: Bei der Erstellung einer Patientenverfügung ist Präzision gefragt. Allgemeine Formulierungen reichen nicht aus, um im Ernstfall Ihren Willen durchzusetzen. Nehmen Sie sich Zeit für die Erstellung und lassen Sie sich dabei fachkundig beraten, etwa durch medizinisches Personal oder Rechtsanwält:innen mit Erfahrung in diesem Bereich.
Mit einer klar formulierten Patientenverfügung schaffen Sie nicht nur Rechtssicherheit, sondern entlasten auch Ihre Angehörigen in schwierigen Entscheidungssituationen. Sie behalten die Kontrolle über Ihre medizinische Behandlung, auch wenn Sie selbst nicht mehr entscheiden können.
Rechtliche Grundlagen
Die Patientenverfügung ist im Bürgerlichen Gesetzbuch in § 1827 BGB geregelt. Dieser Paragraf legt fest, unter welchen Voraussetzungen eine Patientenverfügung wirksam ist und wie mit ihr umzugehen ist. Die Regelungen gelten unabhängig von Art und Stadium einer Erkrankung (§ 1827 Abs. 3 BGB).[2][4]