Patchwork in Deutschland
Vorsorge für Singles ist bereits kompliziert. Noch komplizierter wird es für Patchworkfamilien – also Familien, bei denen mindestens ein Elternteil nicht der leibliche Vater oder die Mutter eines Kindes ist – denn das Gesetz bevorzugt traditionelle Familien. Die Herausforderungen sind vielfältig: Zum Beispiel erhält der Freund keine Auskünfte von Ärzten, wenn die Freundin der Kinder einen Unfall hat. Hier greift die ärztliche Schweigepflicht. Solche „Stolperfallen“ gilt es bei Vorsorge für Patchworkfamilien zu beachten.
Übrigens: Mittlerweile ist jede siebte Familie in Deutschland eine Patchworkfamilie. Jede zweite Ehe zerbricht; die Hälfte der geschiedenen Eltern hat nach einem Jahr einen neuen Partner. Vor allem in Großstädten sind Patchwork-Konstrukte weiterverbreitet.
Tipp 1: Vorsorgevollmacht schreiben
Was passiert, wenn Sie durch einen Unfall oder eine Krankheit geschäftsunfähig werden? Wer kümmert sich um Ihre Angelegenheiten – zum Beispiel Verträge, Finanzen oder Ihre Wohnsituation? Bei vielen Familien, gerade bei einem Patchwork-Konstrukt, kommt es in einer solchen Situation schnell zu Streit. Eine Vorsorgevollmacht verschafft Abhilfe: Sie bestimmen im Voraus einen Bevollmächtigten, der Sie in allen Angelegenheiten vertritt.
Eine Alternative zur Vorsorgevollmacht ist eine Betreuungsverfügung. Im Gegensatz zur Vorsorgevollmacht braucht es hier ein gerichtliches Einverständnis, bevor der Bevollmächtigte Entscheidungen in Ihrem Namen durchführen kann. Das kann bei Patchworkfamilien sinnvoll sein; zum Beispiel wenn Kinder Misstrauen gegenüber dem neuen Partner haben. Der Partner kann sich dann auf die gesetzliche Überprüfung berufen und Konflikte vermeiden.
Tipp 2: Risikolebensversicherung
Eine Risikolebensversicherung sichert Partner bzw. Kinder über den Tod der Eltern finanziell ab. Für Patchwork-Konstellationen ist das häufig sinnvoll – achten Sie jedoch darauf, dass jeder Partner eine eigene Risikolebensversicherung abschließt. Versichern Sie sich „über Kreuz“:
- Die Frau schließt einen eigenen Vertrag ab. Sie ist versicherte Person und zahlt die Beiträge. Versicherungsnehmer und Bezugsberechtigter im Todesfall ist jedoch nicht die Frau, sondern ihr Partner.
- Der Mann schließt einen eigenen Vertrag ab. Er ist versicherte Person und zahlt die Beiträge. Versicherungsnehmer und Begünstigte im Todesfall ist die Frau.
Der Vorteil einer solchen Versicherung über Kreuz: Bei Todesfall fällt die Versicherungssumme nicht unter die Erbschaftssteuer. Das ist vor allem bei unverheirateten Paaren wichtig, die sich nur 20.000 Euro steuerfrei übertragen können. Zum Vergleich: Bei Ehepartnern und Lebenspartnern liegt der Freibetrag bei 500.000 Euro.
Tipp 3: Patientenverfügung verfassen
Eine Patientenverfügung ist für jeden Menschen wichtig. Sie können vorher festlegen, wie Sie behandelt werden möchten – und sich Selbstbestimmung sichern, selbst wenn Sie durch einen Unfall oder eine Erkrankung nicht mehr ansprechbar sind. Ohne eine Patientenverfügung müssen Ärzte und Angehörige entscheiden, wie es mit Ihnen weitergehen soll. Das ist eine Last für Familien und birgt Konfliktpotenzial.
Tipp: Legen Sie alle wichtigen Unterlagen und Versicherungen in einem Notfallordner zusammen. Zum Beispiel: Patientenverfügung, Risikolebensversicherung, Vorsorgevollmacht, wichtige Verträge, Vermögenswerte und mehr. So können Angehörige das Wichtige im Notfall sofort finden.
Tipp 4: Berufsunfähigkeitsversicherung
Berufstätige tragen häufig eine finanzielle Verantwortung für Familienmitglieder. Vor allem bei Patchworkfamilien sorgen Berufstätige meist nicht nur für die aktuelle Partnerin und Kinder – in vielen Fällen muss zusätzlich für frühere Partner und Kinder gesorgt werden.
Das bedeutet: Wenn Sie als Hauptberufstätiger Ihrer Familie nicht mehr arbeiten können, leiden nicht nur Sie, sondern auch Ihre Angehörigen. Mit einer Berufsunfähigkeitsversicherung können Sie sich und Ihre Liebsten für einen solchen Fall absichern.
Tipp 5: Sorgerechtsverfügung
Nach dem Tod eines Elternteils und ohne Sorgerechtsverfügung ist der leibliche Elternteil alleiniger gesetzlicher Vertreter. Das ist selbst der Fall, wenn der Stiefvater die Mutter des Kindes geheiratet hat. Wenn die Mutter stirbt, entscheidet trotzdem der leibliche Vater, wo die Kinder wohnen und kann über ihr Vermögen bestimmen.
Das ist auch problematisch, wenn Mutter und ihr einziges Kind ums Leben kommen. Dann erbt das Kind von der Mutter und der Vater des Kindes vom Kind.
Tipp 6: Pflegeabsicherung
Patchworkfamilien können sich außerdem für einen möglichen Pflegefall absichern. Wenn ein Elternteil pflegebedürftig wird, muss der Ehepartner zahlen – selbst wenn dieser nicht Mutter oder Vater des Kindes ist. Das mindert das Erbe für Stiefkinder des Pflegebedürftigen. Eine Pflegeversicherung kann das verhindern.
Übrigens: Gesetzliche Krankenversicherungen versichern nur leibliche Kinder mit – weder neue Lebensgefährten noch deren Kinder. Ein Kind bleibt deshalb beim leiblichen Elternteil mitversichert.
Tipp 7: Testament beachten
Viele Paare setzen auf ein Berliner Testament. Dann erbt zuerst der Partner, danach die Kinder. Patchworkfamilien sollten beachten, dass leibliche Kinder den Pflichtteil häufiger einklagen. Das können Sie folgendermaßen vorbeugen: Entweder Sie legen genügend liquide Finanzmittel beiseite oder setzen eine notarielle Pflichtverzichtserklärung der Kinder auf. Häufig geht das mit einer Schenkung einher.
Fazit
Patchworkfamilien können auf vielfältige Art und Weise vorsorgen. Grundlegend sind vor allem die Vorsorgevollmacht und die Patientenverfügung – welche Versicherung für Sie am sinnvollsten ist, können nur Sie selbst wissen. Wichtig ist, dass Sie sich Zeit nehmen und sich frühzeitig mit einer geeigneten Vorsorge beschäftigen. Eine fachgerechte Beratung kann hilfreich sein.