Barrierefreier Zugang zur Patien­ten­ver­fü­gung: Selbst­be­stim­mung für alle

Zusammenfassung

Barrierefreiheit bei Patien­ten­ver­fü­gungen bedeutet, dass alle Menschen - unabhängig von körperlichen, kognitiven oder sprachlichen Einschränkungen - Zugang zu verständlichen Informationen und Unterstützung bei der Erstellung haben. Dies umfasst einfache Sprache, alternative Formate wie Braille oder Leichte Sprache sowie barrierefreie Beratungsangebote. Ziel ist es, Selbstbestimmung für alle zu gewährleisten und individuelle Wünsche zur medizinischen Behandlung zugänglich festzuhalten.

Eine Patien­ten­ver­fü­gung ermöglicht Menschen, ihre medizinische Behandlung selbst zu bestimmen, auch wenn sie sich nicht mehr äußern können. Doch was nutzt dieses wichtige Dokument, wenn es nicht für alle Menschen zugänglich ist? Barrierefreiheit bei Patien­ten­ver­fü­gungen betrifft sowohl den Zugang zu Informationen als auch die Gestaltung und Erstellung des Dokuments selbst. Dieser Artikel zeigt, wie Patien­ten­ver­fü­gungen barrierefrei gestaltet werden können und welche Unterstützung für Menschen mit besonderen Bedürfnissen verfügbar ist.

Medizinisches Team berät sich mit einer Person im Rollstuhl, Tablet und Dokumente auf einem Tisch.

Was bedeutet Barrierefreiheit bei Patien­ten­ver­fü­gungen?

Barrierefreiheit bedeutet, dass alle Menschen unabhängig von ihren körperlichen oder kognitiven Fähigkeiten Zugang zu Informationen und Dienst­leis­tun­gen haben. Bei Patien­ten­ver­fü­gungen heißt das konkret:

  • Zugängliche Informationen in verständlicher Sprache
  • Verfügbarkeit in verschiedenen Formaten (Großdruck, Braille, Audio, Leichte Sprache)
  • Unterstützung bei der Erstellung für Menschen mit Einschrän­kun­gen
  • Verständliche Formulierungen ohne komplizierte Rechts­be­grif­fe

Die gesetzliche Grundlage der Patien­ten­ver­fü­gung in Deutschland ist in § 1827 BGB verankert. Demnach muss eine Patien­ten­ver­fü­gung schriftlich verfasst werden und die Person muss zum Zeitpunkt der Erstellung einwil­li­gungs­fä­hig sein. Dies stellt besonders für Menschen mit kognitiven oder sensorischen Einschrän­kun­gen eine Heraus­for­de­rung dar.

Barrieren beim Zugang zu Informationen über Patien­ten­ver­fü­gungen

Viele Menschen stehen vor Hürden, wenn sie sich über Patien­ten­ver­fü­gungen informieren möchten:

Sprachliche Barrieren

Die Formulierungen in Standard-Patien­ten­ver­fü­gun­gen sind oft komplex und juristisch geprägt. Ein Teilnehmer eines Seminars zum Thema Patien­ten­ver­fü­gung fragte treffend: “Welcher studierte Politiker hat sich diesen komplizierten Satz ausgedacht?”[4]. Gerade die Beschreibungen medizinischer Situationen wie Hirnschä­di­gun­gen sind für Laien schwer verständlich.

Physische Barrieren

Beratungs­stel­len oder Arztpraxen, in denen Patien­ten­ver­fü­gun­gen besprochen werden, sind nicht immer barrierefrei zugänglich. Für Menschen mit Mobilitäts­ein­schrän­kun­gen kann dies den Zugang zu wichtigen Beratungs­ge­sprä­chen erschweren.

Kognitive Barrieren

Menschen mit Lern­schwie­rig­kei­ten oder kognitiven Einschrän­kun­gen haben oft Probleme, die Konsequenzen ihrer Entschei­dun­gen in einer Patien­ten­ver­fü­gung vollständig zu erfassen. Dies stellt die Einwil­li­gungs­fä­hig­keit nicht grundsätzlich in Frage, erfordert aber besondere Unter­stüt­zungs­an­ge­bo­te.

Barrierefreie Gestaltung von Patien­ten­ver­fü­gun­gen

Eine barrierefreie Patien­ten­ver­fü­gung sollte folgende Merkmale aufweisen:

Verständliche Sprache

Die Texte sollten in einfacher, klarer Sprache verfasst sein. Das Bundes­mi­nis­te­ri­um der Justiz und für Verbrau­cher­schutz bietet in seiner Broschüre “Patien­ten­ver­fü­gung” Text­bau­stei­ne, die ausdrücklich frei von Wert­vor­stel­lun­gen und Glaubens­über­zeu­gun­gen sind[7]. Diese Broschüre kann kostenlos bestellt oder barrierefrei herun­ter­ge­la­den werden.

Alternative Formate

Für Menschen mit Sehbehin­de­run­gen sollten Patien­ten­ver­fü­gun­gen in Großdruck, Braille oder als Audio­ver­sion verfügbar sein.

Für Menschen mit kognitiven Einschrän­kun­gen können Versionen in Leichter Sprache mit erklärenden Bildern hilfreich sein.

Unterstützung bei der Erstellung

Eine gründliche ärztliche Aufklärung ist das “Herzstück einer Patien­ten­ver­fü­gung”[5]. Im Beratungs­ge­spräch werden auch Bedenken und Ängste erörtert. Die Ärztin oder der Arzt stellt sicher, dass die Person die Folgen der abgelehnten Behandlungen zutreffend einschätzt und dokumentiert das Gespräch.

Patien­ten­ver­fü­gun­gen für Menschen mit besonderen Bedürfnissen

Menschen mit geistigen Beein­träch­ti­gun­gen

Je nach Schwere der Beein­träch­ti­gung gibt es Hilfs­mit­tel zur Kommunikation, um sich begleitet dem Thema Patien­ten­ver­fü­gung zu nähern[4]. Grundsätzlich gilt: Eine Patien­ten­ver­fü­gung kann nur für sich selbst verfasst werden und nicht von einer betreu­en­den Person aufgesetzt werden.

Für die Einwil­li­gungs­fä­hig­keit ist entscheidend, dass die Person die Erklärung zu einer ärztlichen Maßnahme versteht und sich auch über deren Konsequenzen bewusst ist. Eine geistige Beein­träch­ti­gung schließt dies nicht automatisch aus.

Ältere Menschen

Viele ältere Personen wünschen sich “Würde bis zuletzt, Schmerz­be­kämp­fung und Respek­tie­rung ihres Willens, aber keine künstliche Verlängerung des Sterbens”[5]. Eine barrierefreie Beratung sollte auf alters­be­ding­te Einschrän­kun­gen wie Hör- oder Sehve­r­lus­te Rücksicht nehmen.

Menschen mit Migrations­hin­ter­grund

Für Menschen, deren Mutter­sprache nicht Deutsch ist, können sprach­li­che Barrieren entstehen. Hier sind mehrspra­chi­ge Informa­tions­ma­te­ria­li­en und die Unter­stüt­zung durch Dolmet­schen­de wichtig.

Praxis­bei­spiel: Barrierefreie Beratungs­um­ge­bung

Die barrierefreie Gestaltung von Beratungs­räu­men trägt wesentlich dazu bei, dass alle Menschen Zugang zu Informationen über Patien­ten­ver­fü­gun­gen erhalten. Eine barrierefreie Arztpraxis oder Beratungs­stel­le sollte folgende Kriterien erfüllen:

  • Stufenloser Zugang zur Praxis oder Beratungs­stel­le[2]
  • Breite Türen und Durchgänge (mindestens 90 cm breit)[6]
  • Orien­tie­rungs­hil­fen für Menschen mit Sehbehin­de­run­gen[2]
  • Möglich­kei­ten zur Kommunikation in “leichter Sprache” oder Gebärden­sprache[2]
  • Barriere­freie Toiletten[2]

Rechtliche Hinweise zur barrierefreien Patien­ten­ver­fü­gung

Unterschei­dung: Verbindliche und beachtliche Patien­ten­ver­fü­gung

Es gibt zwei Arten von Patien­ten­ver­fü­gun­gen, die unterschied­li­che Anfor­de­run­gen stellen:

Verbindliche Patien­ten­ver­fü­gung: Muss konkrete Behandlungs­si­tua­tio­nen und medizinische Maßnahmen genau beschreiben. Je präziser eine Patien­ten­ver­fü­gung die Situationen beschreibt, in denen das Dokument zum Einsatz kommen soll, desto größer ist die Chance, dass der dokumentierte Wille zweifelsfrei erkannt und umgesetzt werden kann[4].

Beachtliche Patien­ten­ver­fü­gung: Gibt nur die Richtung vor - etwa die Ablehnung intensiv­medi­zi­ni­scher Maßnahmen - lässt den Medizi­ner:innen aber mehr Entschei­dungs­raum[5]. Sie eignet sich, wenn man zwar bestimmte Vor­stel­lun­gen bezüglich medizinischer Behandlungen hat, aber Flexibilität erhalten möchte.

Gültigkeit und Aktua­li­sie­rung

Eine Patien­ten­ver­fü­gung muss regelmäßig überprüft und gegebenenfalls aktua­li­siert werden. Dies stellt sicher, dass sie weiterhin dem aktuellen Willen der Person entspricht. Die Aktua­li­sie­rung sollte mit Datum und Unterschrift bestätigt werden.

Praktische Tipps für eine barrierefreie Patien­ten­ver­fü­gung

Vor der Erstellung

  • Informieren Sie sich gründlich über medizinische Begriffe und Behandlungs­mög­lich­kei­ten
  • Sprechen Sie mit Ihrer Hausärztin oder Ihrem Hausarzt über Ihre Wünsche und Vorstellungen
  • Nehmen Sie sich ausreichend Zeit für die Entscheidung - es sollte kein Gruppen­zwang entstehen[5]

Bei der Erstellung

  • Verwenden Sie verständliche Sprache und erklären Sie medizinische Fachbegriffe
  • Beschreiben Sie konkrete Situationen statt allgemeine Formulierungen zu verwenden
  • Lassen Sie sich beraten, zum Beispiel von der Pflege-, Patien­tin­nen- und Patien­ten­an­walt­schaft[5]

Nach der Erstellung

  • Informieren Sie Ihre Angehö­ri­gen über die Existenz und den Inhalt Ihrer Patien­ten­ver­fü­gung
  • Bewahren Sie die Patien­ten­ver­fü­gung zugänglich auf oder hinter­le­gen Sie sie bei vertrauten Personen
  • Überprüfen Sie den Inhalt regelmäßig, ob er noch Ihrem Willen entspricht

Fazit: Patien­ten­ver­fü­gung für alle zugänglich machen

Eine Patien­ten­ver­fü­gung ist ein Instrument der Selbst­be­stim­mung, das allen Menschen zugänglich sein sollte. Barrierefreiheit bedeutet hier nicht nur physische Zugäng­lich­keit, sondern auch verständliche Informationen und ange­pass­te Unter­stüt­zung. In Deutschland sind im Jahr 2024 durchschnitt­lich 19,8 Millionen Menschen pro Jahr im Krankenhaus, mit einer Verweil­dauer von ungefähr einer Woche[3]. Viele von ihnen können selbst entscheiden, welche Behandlung sie wünschen - doch ab einem gewissen Punkt sind volljährige Patient:innen dazu nicht mehr in der Lage.

Die barrierefreie Gestaltung von Patien­ten­ver­fü­gun­gen trägt dazu bei, dass alle Menschen ihre Wünsche für medizinische Behandlungen festlegen können - unabhängig von körperlichen, kognitiven oder sprachlichen Einschrän­kun­gen. Denn Selbst­be­stim­mung am Lebensende sollte ein Recht für alle sein.