Ärztliche Behandlungen: So vermeiden Sie unnötige Maßnahmen und Eingriffe

Zusammenfassung

Unnötige medizinische Maßnahmen können durch klare Kommunikation mit Ärzt:innen, das Einholen einer zweiten Meinung und eine detaillierte Patienten­verfügung vermieden werden. Letztere ermöglicht es Ihnen, Ihren Willen für den Ernst­fall verbindlich festzulegen und sich vor unerwünschten Eingriffen zu schützen. Eine regelmäßige Aktualisierung der Vorsorge­dokumente sowie eine umfassende Beratung sind dabei entscheidend.

Die medizinische Versorgung sollte stets dem Wohl der Patient:innen dienen. Dennoch werden in Deutschland viele Untersuchungen und Behandlungen durchgeführt, die nicht notwendig sind. Schätzungen zufolge sind über 20 Prozent aller medizinischen Maßnahmen überflüssig. Dies führt nicht nur zu vermeidbaren Kosten, sondern kann auch Verunsicherung auslösen und im schlimmsten Fall zu unerwünschten Neben­wirkungen oder Komplikationen führen.

Arzt im Gespräch mit einer Patientin in einem modernen Büro, Dokumente werden besprochen, Pflanzen im Hintergrund.

Wann werden unnötige medizinische Maßnahmen durchgeführt?

Unnötige medizinische Maßnahmen können aus verschiedenen Gründen durchgeführt werden. Besonders betagte Patient:innen werden häufig ausgiebig untersucht, ins Krankenhaus aufgenommen oder sogar operiert, obwohl keine medizinische Notwendigkeit besteht[11]. Solche sinnlosen Behandlungen entstehen manchmal durch:

  • Über­lastung in Pflege­einrichtungen
  • Wirtschaftliche Interessen der Behandelnden
  • Fehlende Absprache zwischen medizinischem Personal und Patient:innen
  • Zeitdruck im Gesundheitswesen

Auch bei privat versicherten Personen werden häufiger überflüssige Untersuchungen durchgeführt[11]. Dies kann dazu dienen, die Einnahmen der Praxis oder Klinik zu erhöhen.

So schützen Sie sich vor unnötigen Eingriffen

Als Patient:in können Sie aktiv dazu beitragen, unnötige medizinische Eingriffe zu vermeiden. Hier erfahren Sie, wie:

Das Gespräch mit Ihren Ärzt:innen suchen

Der Dialog mit dem medizinischen Fachpersonal ist grundlegend, um unnötige Interventionen zu vermeiden. “Es ist wichtig, Betroffene über die Vor- und Nachteile von Möglichkeiten zu informieren und in eine gemeinsame Entscheidung miteinzubeziehen”, betont Dr. med. Marc Jungi[12].

Stellen Sie diese fünf Fragen bei jeder vorgeschlagenen Maßnahme:

  1. Warum ist diese Untersuchung oder Behandlung notwendig?
  2. Welche Risiken sind damit verbunden?
  3. Gibt es schonendere oder weniger eingreifende Alternativen?
  4. Was passiert, wenn ich abwarte oder nichts unternehme?
  5. Welche Kosten entstehen für mich persönlich?

Zweite Meinung einholen

Bei größeren Eingriffen oder unklaren Diagnosen kann eine zweite Meinung wert­voll sein. Viele Kranken­kassen übernehmen mittlerweile die Kosten für eine Zweit­meinung, besonders bei Operationen.

Hinterfragen Sie vorgeschlagene Behandlungen

“Für jede therapeutische oder diagnostische Maßnahme braucht es einen Grund”, erklärt Dr. Jungi[12]. Die Notwendigkeit einer Therapie hängt stark von der individuellen Situation ab. Ein Eingriff, der für eine Person sinnvoll ist, kann für eine andere überflüssig sein.

Beispiel: “Dem 60-jährigen Krebs­patienten im End­stadium würde ich keine Knie­prothese empfehlen, einer rüstigen 80-Jährigen hingegen schon. Oder eine Augen­operation bei beginnender Linsen­trübung wird oft erst nötig, wenn man effektiv eingeschränkt ist.”[12]

Die Patienten­verfügung: Selbst­bestimmung für den Ernstfall

Ein besonders wirksames Instrument, um unnötige Behandlungen zu vermeiden, ist die Patienten­verfügung. Sie regelt, wie Ärzt:innen Sie behandeln dürfen, wenn Sie nicht mehr selbst entscheiden können[4].

Was ist eine Patienten­verfügung?

Eine Patienten­verfügung ist eine vorsorgliche schriftliche Erklärung Ihres eigenen Willens. Das Dokument wird wirksam, wenn Sie nicht mehr in der Lage sind, Ihre Zustimmung oder Ablehnung zu bestimmten medizinischen Maßnahmen zu geben[4]. Die gesetzliche Grundlage der Patienten­verfügung in Deutschland ist in § 1827 BGB verankert.

Für Ärzt:innen ist eine Patienten­verfügung verbindlich - wenn sie konkret genug und eindeutig formuliert ist.

Konkrete Formulierungen sind entscheidend

Der Bundes­gerichtshof hat 2016 entschieden, dass pauschale Formulierungen wie “keine lebens­erhaltenden Maßnahmen” nicht ausreichen[4]. Die Ausführungen in der Patienten­verfügung sollten möglichst konkrete Anweisungen zu folgenden Themen enthalten:

Um Ihre Wünsche nachvollziehbarer zu machen, sollten Sie einige persönliche Gedanken zu Ihrer Situation hinzufügen.

Was passiert ohne Patienten­verfügung?

Ohne eine Patienten­verfügung werden lebens­verlängernde Maßnahmen aufrecht­erhalten, solange wie möglich[6]. Dies kann dazu führen, dass Sie gegen Ihren Willen behandelt werden, ohne Möglichkeit zur Selbst­bestimmung.

“Durch das Fehlen einer Patienten­verfügung oder die Entscheidung Anderer werden [Patient:innen] behandelt - unabhängig von ihrem eigenen Willen und ohne jede Möglichkeit der Selbst­bestimmung.”[6]

Rechtliche Folgen bei Verstößen gegen die Patienten­verfügung

Eine Patienten­verfügung ist nicht nur ein ethisches, sondern auch ein rechtliches Instrument:

  1. Straf­rechtliche und berufs­rechtliche Konsequenzen: Ärzt:innen, die Patient:innen entgegen deren ausdrücklich in einer Patienten­verfügung geäußerten Willen behandeln, müssen mit straf­rechtlichen und berufs­rechtlichen Folgen rechnen[2].

  2. Zivil­rechtliche Ansprüche: Der Verstoß gegen eine Patienten­verfügung kann zu zivil­rechtlichen Ansprüchen (z.B. Schmerzens­geld) führen, wenn Ärzt:innen einen Eingriff vornehmen, der ausdrücklich untersagt wurde[2].

Der Bundes­gerichtshof hat klar­gestellt, “dass das Weiter­leben an sich keinen Schaden darstellt, jedoch können die durch einen ohne Einwilligung erfolgten Eingriff (Körper­verletzung) verursachten Schmerzen zu zivil­rechtlichen Ansprüchen führen.”[2]

Praktische Empfehlungen für Ihre Gesundheits­vorsorge

Um unnötige medizinische Eingriffe zu vermeiden und für den Fall vorzusorgen, dass Sie selbst nicht mehr entscheiden können, sollten Sie folgende Schritte unternehmen:

  1. Erstellen Sie eine Patienten­verfügung: Formulieren Sie Ihre Wünsche konkret und detailliert.

  2. Ergänzen Sie mit einer Vorsorge­vollmacht: Bestimmen Sie eine Person Ihres Vertrauens, die in Ihrem Sinne entscheiden kann.

  3. Aktualisieren Sie Ihre Dokumente regelmäßig: Eine bestehende Patienten­verfügung kann jederzeit geändert, ergänzt oder widerrufen werden[4].

  4. Lassen Sie sich beraten: Bei diesem rechtlich und medizinisch komplexen Thema ist eine persönliche Beratung sinnvoll. Anlauf­stellen sind Verbraucher­zentralen, Kirchen, Wohlfahrts­verbände, Hospize oder Ärzt:innen[4].

  5. Informieren Sie sich: Durch gute Kenntnisse über medizinische Themen können Sie gezielter mit Ärzt:innen kommunizieren und Behandlungs­vorschläge besser einschätzen.

Die Vermeidung unnötiger medizinischer Eingriffe und die Vorsorge für den Fall der eigenen Entscheidungs­unfähigkeit sind wesentliche Aspekte der Selbst­bestimmung im Gesundheits­wesen. Mit einer gut durchdachten Patienten­verfügung und einem aktiven Dialog mit Ihren Ärzt:innen können Sie dazu beitragen, dass medizinische Maßnahmen stets Ihrem Wohl und Willen entsprechen.