Fallbeispiele einer Patientenverfügung: So bleibt Ihr Wille gewahrt
Zusammenfassung
Eine Patientenverfügung gibt Ihnen die Möglichkeit, Ihre medizinischen Wünsche für den Fall Ihrer Entscheidungsunfähigkeit klar festzulegen und Ihre Selbstbestimmung zu sichern. Sie sollte konkret formuliert, regelmäßig aktualisiert und durch eine Vorsorgevollmacht ergänzt werden, um im Ernstfall rechtlich verbindlich und praktisch anwendbar zu sein. Die genau benennten Maßnahmen entlasten Angehörige und Ärzt:innen und sorgen dafür, dass Ihr Wille respektiert wird.
Eine Patientenverfügung ist ein wesentliches Dokument für Ihre medizinische Selbstbestimmung, auch wenn Sie nicht mehr selbst entscheiden können. Anhand konkreter Fälle zeigen wir, wie eine Patientenverfügung in verschiedenen Lebenssituationen wirkt und warum präzise Formulierungen unverzichtbar sind. Diese realen Beispiele veranschaulichen, was im Ernstfall geschehen kann und helfen Ihnen, eine wirksame Vorsorge zu treffen.

Was eine Patientenverfügung ist und wann sie greift
Eine Patientenverfügung ist ein schriftliches Dokument, in dem Sie für den Fall Ihrer Einwilligungsunfähigkeit festlegen, welche medizinischen Maßnahmen durchgeführt oder unterlassen werden sollen. Sie kommt zum Tragen, wenn Sie sich selbst nicht mehr äußern können - etwa nach einem Unfall, bei schwerer Krankheit oder im Alter.
Die rechtliche Grundlage der Patientenverfügung ist in § 1827 BGB verankert. Dort ist festgelegt, dass Ihre schriftlich niedergelegten Wünsche für Ärzt:innen und Pflegepersonal verbindlich sind.
Wer kann eine Patientenverfügung erstellen?
Jede einwilligungsfähige und volljährige Person kann eine Patientenverfügung verfassen. Sie muss schriftlich erfolgen und persönlich unterschrieben sein[2][14]. Eine notarielle Beglaubigung ist nicht erforderlich, kann aber sinnvoll sein.
Warum eine Patientenverfügung sinnvoll ist
Ohne gültige Patientenverfügung müssen Entscheidungen auf Basis Ihres mutmaßlichen Willens getroffen werden[13]. Dies kann für Angehörige und medizinisches Personal eine schwere Belastung darstellen und führt nicht immer zu Entscheidungen in Ihrem Sinne[10].
Mit einer Patientenverfügung:
- Behalten Sie die Kontrolle über Ihre medizinische Behandlung
- Entlasten Sie Ihre Angehörigen von schwierigen Entscheidungen
- Geben Sie dem medizinischen Personal klare Handlungsanweisungen
- Vermeiden Sie ungewünschte lebensverlängernde Maßnahmen[10]
Fallbeispiel 1: Fortgeschrittene Demenz
Angelika U., 76 Jahre, hatte vor ihrer Demenz-Erkrankung eine Patientenverfügung erstellt. Darin hat sie festgelegt, dass sie bei fortgeschrittener Demenz ohne Heilungschancen nicht künstlich ernährt werden möchte.
Nach einigen Jahren befindet sich Angelika im Endstadium der Demenz. Sie kann nicht mehr sprechen, gehen und selbstständig essen. Der behandelnde Arzt kennt ihre Patientenverfügung und respektiert ihren Wunsch. Die Ärzt:innen verzichten auf lebensverlängernde Maßnahmen wie die künstliche Ernährung und ermöglichen ihr ein würdevolles Sterben.
Was wir aus diesem Fall lernen können:
Die klare Festlegung konkreter Situationen (fortgeschrittene Demenz) und konkreter Maßnahmen (keine künstliche Ernährung) war ausschlaggebend für die Wirksamkeit der Patientenverfügung.
Fallbeispiel 2: Palliativmedizin bei schwerer Lungenerkrankung
Thomas S., 68 Jahre, leidet an einer schweren, fortschreitenden Lungenerkrankung. Er benötigt zunehmend häufiger intensivmedizinische Behandlung mit künstlicher Beatmung. Als sein Arzt ihm erklärt, dass die Krankheit nun ins Endstadium gelangt, stellt er Thomas zwei Optionen vor:
- Weiterhin intensivmedizinische Behandlung mit maschineller Beatmung
- Palliativmedizinische Betreuung mit Schmerzlinderung, was jedoch ein früheres Lebensende bedeuten würde
Nach reiflicher Überlegung entscheidet sich Thomas für die palliativmedizinische Betreuung. Er bespricht dies mit seinem Arzt und legt in seiner Patientenverfügung fest, dass er ab einem bestimmten Datum nicht mehr künstlich beatmet werden möchte.
Was wir aus diesem Fall lernen können:
Eine medizinische Beratung vor Erstellung der Patientenverfügung hilft, die eigene Situation realistisch einzuschätzen und gut informierte Entscheidungen zu treffen.
Fallbeispiel 3: Die Folgen einer unklaren Patientenverfügung
Herbert S., 72 Jahre, hat seine Patientenverfügung ohne fachkundige Beratung verfasst. Er hat darin festgehalten, dass er “lebensverlängernde Maßnahmen unter allen Umständen ausschließt” und “würdevoll sterben” möchte.
Nach einem Herzinfarkt muss Herbert ins Krankenhaus. Die behandelnden Ärzt:innen können mit seinen allgemeinen Formulierungen wenig anfangen: Was genau sind “lebensverlängernde Maßnahmen”? Gehören dazu nur künstliche Beatmung und Ernährung oder auch Antibiotika bei einer Lungenentzündung? Was bedeutet für Herbert “würdevoll sterben”?
Da die Patientenverfügung zu unspezifisch ist, müssen die Ärzt:innen und Angehörigen versuchen, seinen mutmaßlichen Willen zu ermitteln. Dies führt zu Unsicherheiten und möglicherweise zu Entscheidungen, die nicht in Herberts Sinne sind[8].
Was wir aus diesem Fall lernen können:
Allgemeine Formulierungen wie “würdevoll sterben” oder “keine lebensverlängernden Maßnahmen” sind für die praktische Anwendung oft zu ungenau. Der Bundesgerichtshof hat klargestellt, dass eine Patientenverfügung konkrete Behandlungssituationen und konkrete Maßnahmen benennen muss, um wirksam zu sein[8][13].
Fallbeispiel 4: Nach einem Schlaganfall
Frau D., 55 Jahre, bricht im Büro bewusstlos zusammen. Im Krankenhaus wird ein Schlaganfall festgestellt. Die Ärzt:innen überlegen, ob eine Operation sinnvoll wäre, die das Risiko einer weiteren Hirnschädigung birgt, oder ob eine medikamentöse Behandlung ausreicht[4].
Frau D. hat keine Patientenverfügung und es sind keine Angehörigen bekannt. In dieser Situation müssen die Ärzt:innen nach dem Prinzip “in dubio pro vita” (im Zweifel für das Leben) handeln und die lebensrettenden Maßnahmen durchführen[4].
Falls sich später herausstellt, dass Frau D. schwere, irreversible Hirnschäden erlitten hat und sie nicht wieder das Bewusstsein erlangt, muss das Betreuungsgericht eine:n rechtliche:n Betreuer:in bestellen, der/die Entscheidungen für sie trifft[4].
Was wir aus diesem Fall lernen können:
Ohne Patientenverfügung werden im Notfall alle medizinisch indizierten Maßnahmen ergriffen, um Leben zu retten. Die Entscheidung über das weitere Vorgehen liegt dann nicht mehr in den eigenen Händen.
Fallbeispiel 5: Fortgeschrittene Alzheimer-Erkrankung
Frau N., 66 Jahre, lebt seit zwölf Jahren in einem Seniorenheim und leidet an einer Alzheimer-Erkrankung im fortgeschrittenen Stadium. Sie weiß selten, wo sie sich befindet, und erkennt zeitweise weder Mitglieder ihrer Familie noch ihr Pflegeteam. Hunger- oder Durstgefühl äußert sie nicht mehr[4].
Aufgrund einer Schluckstörung wird Frau N. über eine Magensonde (PEG) ernährt. Ihr Sohn, der als Betreuer eingesetzt ist, hatte diesem Eingriff zunächst zugestimmt. Später wünscht er jedoch die Beendigung der Sondenernährung und beruft sich auf den mehrfach geäußerten Wunsch seiner Mutter, “nicht künstlich am Sterben gehindert zu werden” und “nicht von anderen abhängig zu sein”[4].
Da Frau N. keine schriftliche Patientenverfügung hinterlegt hat, muss nun ihr mutmaßlicher Wille ermittelt werden. Dies geschieht durch Gespräche mit Angehörigen und Pflegepersonal, die ihre früheren Äußerungen kennen.
Was wir aus diesem Fall lernen können:
Mündliche Äußerungen können bei der Ermittlung des mutmaßlichen Willens helfen, bieten jedoch nicht die gleiche Rechtssicherheit wie eine schriftliche Patientenverfügung. Eine klare, schriftliche Festlegung hätte die Entscheidungsfindung in diesem Fall erheblich erleichtert.
Was eine wirksame Patientenverfügung auszeichnet
Damit Ihre Patientenverfügung im Ernstfall tatsächlich greift, sollten Sie folgende Punkte beachten:
1. Konkrete Situationen beschreiben
Legen Sie fest, für welche Situationen Ihre Verfügung gelten soll[8][13], zum Beispiel:
- Unmittelbarer Sterbeprozess
- Endstadium einer unheilbaren Krankheit
- Schwere, dauerhafte Hirnschädigung
- Fortgeschrittene Demenzerkrankung
2. Konkrete Maßnahmen benennen
Geben Sie an, welche Maßnahmen Sie in den beschriebenen Situationen wünschen oder ablehnen[8][13], zum Beispiel:
- Künstliche Ernährung
- Künstliche Beatmung
- Wiederbelebungsmaßnahmen
- Dialyse
- Antibiotikagabe
3. Formale Anforderungen erfüllen
- Schriftliche Form
- Persönliche Unterschrift mit Datum
- Regelmäßige Aktualisierung (empfohlen)[11]
4. Fachkundige Beratung einholen
Eine Beratung durch Ärzt:innen oder andere fachkundige Personen ist nicht gesetzlich vorgeschrieben, aber sehr empfehlenswert[11]. Ein entsprechender Vermerk in der Patientenverfügung kann deren Gewicht erhöhen.
Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht - ein starkes Team
Eine Patientenverfügung allein reicht oft nicht aus. Sie sollte durch eine Vorsorgevollmacht ergänzt werden, in der Sie eine oder mehrere Vertrauenspersonen benennen, die Ihre Wünsche durchsetzen können[2][11].
Der Unterschied:
- Patientenverfügung: Legt fest, welche medizinischen Maßnahmen Sie wünschen oder ablehnen
- Vorsorgevollmacht: Bestimmt, wer für Sie entscheiden darf, wenn Sie selbst nicht mehr entscheidungsfähig sind[2]
Wenn Ihre Patientenverfügung eine konkrete Situation nicht abdeckt, entscheidet die bevollmächtigte Person auf Basis Ihres mutmaßlichen Willens, den sie aus Gesprächen mit Ihnen, Ihren Wertvorstellungen und früheren Äußerungen ableiten muss[2][13].
Ihre Selbstbestimmung bis zuletzt sichern
Die vorgestellten Fallbeispiele zeigen, wie nützlich eine durchdachte, konkrete Patientenverfügung ist. Sie ist weit mehr als ein formales Dokument - sie sichert Ihre Selbstbestimmung in Situationen, in denen Sie besonders verletzlich sind.
Handlungsempfehlungen:
- Erstellen Sie eine Patientenverfügung, solange Sie einwilligungsfähig sind
- Formulieren Sie konkret und vermeiden Sie allgemeine Aussagen[8][13]
- Lassen Sie sich fachkundig beraten[11]
- Ergänzen Sie Ihre Patientenverfügung durch eine Vorsorgevollmacht[2][11]
- Aktualisieren Sie Ihre Dokumente regelmäßig[11]
- Besprechen Sie Ihre Wünsche mit Angehörigen und Bevollmächtigten
Eine gute Patientenverfügung nimmt nicht nur Ihnen selbst, sondern auch Ihren Angehörigen und dem medizinischen Personal Lasten in schwierigen Entscheidungssituationen ab.