10 Populäre Irrtümer über Organspenden: Was Sie wirklich wissen sollten

Zusammenfassung

Die Entscheidung für oder gegen eine Organ­spende ist eine persönliche Wahl, die oft durch Mythen und Miss­verständnisse erschwert wird. Dieser Artikel klärt die häufigsten Irrtümer auf und zeigt, dass jede:r - unabhängig von Alter, Vor­erkrankungen oder Religion - potenziell Organe spenden kann. Eine dokumentierte Entscheidung entlastet Angehörige und kann bis zu sieben Leben retten.

Die Organ­spende kann bis zu sieben Menschenleben retten. Dennoch warten in Deutschland etwa 8.500 Personen auf ein lebens­rettendes Spender­organ, während die Zahl der Spendenden vergleichsweise gering bleibt. Ein Grund dafür sind zahlreiche Miss­verständnisse, die viele Menschen verunsichern. In diesem Artikel klären wir die häufigsten Irrtümer auf, damit Sie eine fundierte Entscheidung treffen können.

Arzt in weißem Kittel mit Stethoskop spricht mit Patientin in heller Praxis und macht Notizen auf einem Dokument.

1. "Ein Organ­spendeausweis bedeutet automatisch, dass ich alle Organe spende"

Falsch: Der Organ­spendeausweis ist kein pauschales Ja zur Spende aller Organe. Sie können selbst bestimmen, welche Organe oder Gewebe Sie spenden möchten und welche nicht[10]. Sie haben folgende Möglichkeiten:

  • generelle Zustimmung oder Ablehnung aussprechen
  • die Spende auf bestimmte Organe beschränken
  • bestimmte Organe von der Spende ausschließen
  • die Entscheidung auf eine andere Person übertragen

Diese differenzierte Entscheidung können Sie im Organ­spendeausweis oder seit 2023 auch im zentralen Organ­spende-Register dokumentieren[3][4].

2. "Ich bin zu alt, um Organe zu spenden"

Falsch: Für die Organ­spende gibt es keine feste Alters­grenze - weder nach oben noch nach unten[10]. Entscheidend für die Eignung von Organen ist nicht das Lebens­alter, sondern der Gesundheits­zustand der Organe. Dies wird im konkreten Fall medizinisch geprüft.

Selbst ältere Menschen können daher potenziell Organe spenden. Da in jedem Alter Patient:innen auf Spender­organe warten, gibt es keine generelle Einschränkung nach Alter[10].

3. "Mit Vor­erkrankungen kann ich keine Organe spenden"

Falsch: Auch mit Vor­erkrankungen können Sie grundsätzlich Organe spenden. Ob Ihre Organe für eine Transplantation geeignet sind, wird erst im Todes­fall medizinisch beurteilt[11].

Die einzigen absoluten Ausschluss­gründe sind:

  • aktive Krebs­erkrankungen (mit wenigen Ausnahmen)
  • akute, unbehandelte Infektions­krankheiten

Bei allen anderen Erkrankungen wird individuell entschieden. Daher sollten Sie eine Vor­erkrankung nicht als Grund ansehen, sich grundsätzlich gegen eine Organ­spende zu entscheiden.

4. "Als Organ­spender:in erhalte ich im Notfall keine optimale medizinische Versorgung"

Falsch: Die Ärzteschaft ist gesetzlich verpflichtet, stets das Leben der Patient:innen zu retten - unabhängig davon, ob jemand einen Organ­spendeausweis besitzt oder nicht[10]. Die behandelnden Ärzt:innen im Notfall haben keinen Zugriff auf das Organ­spende-Register und kennen Ihre Entscheidung zur Organ­spende nicht.

Eine Organ­entnahme kommt überhaupt erst in Betracht, wenn der Hirntod zweifelsfrei durch zwei unabhängige Fachärzt:innen festgestellt wurde[10]. Diese Personen sind nicht an der Behandlung oder Transplantation beteiligt, um jeglichen Interessen­konflikt auszuschließen.

5. "Meine Religion verbietet die Organ­spende"

Falsch: Die großen Religions­gemeinschaften befürworten die Organ­spende als Akt der Nächsten­liebe und Solidarität mit kranken und beein­trächtigten Menschen[10].

  • Die katholische und evangelische Kirche sowie der Zentralrat der Muslime unterstützen die Organ­spende ausdrücklich
  • Im Judentum gibt es unterschiedliche Interpretationen zum Zeit­punkt des Todes, was Einfluss auf die Art der möglichen Organ­spende hat
  • Auch andere Welt­religionen stehen der Organ­spende grundsätzlich positiv gegenüber

Wenn Sie unsicher sind, können Sie sich bei den Vertreter:innen Ihrer Religions­gemeinschaft informieren.

6. "Ich kann meine Entscheidung zur Organ­spende später nicht mehr ändern"

Falsch: Sie können Ihre Entscheidung jederzeit ändern - sowohl hinsichtlich der generellen Bereitschaft zur Organ­spende als auch bezüglich der Auswahl bestimmter Organe oder Gewebe[11].

Bei einer Änderung Ihrer Entscheidung:

  • Vernichten Sie einfach Ihren alten Organ­spendeausweis und füllen Sie einen neuen aus
  • Oder aktualisieren Sie Ihre Eintragung im Organ­spende-Register

Die letzte dokumentierte Entscheidung ist rechtlich bindend.

7. "Ohne dokumentierte Entscheidung können meine Organe nicht gespendet werden"

Teilweise richtig: In Deutschland gilt die “erweiterte Zustimmungs­lösung”[12]. Wenn Sie keine Entscheidung dokumentiert haben, werden Ihre nächsten Angehörigen gefragt. Diese müssen dann in Ihrem mutmaßlichen Willen entscheiden[11].

Das bedeutet:

  • Ohne dokumentierte Entscheidung müssen Ihre Angehörigen in einer emotional belastenden Situation eine schwere Entscheidung treffen
  • Sie können Ihren Angehörigen diese Last nehmen, indem Sie Ihre Entscheidung im Organ­spendeausweis oder im Organ­spende-Register festhalten

Wichtig: Sprechen Sie mit Ihren Angehörigen über Ihre Haltung zur Organ­spende, damit diese Ihre Wünsche kennen.

8. "Bei der Organ­spende wird mein Körper entstellt"

Falsch: Die Entnahme von Organen erfolgt mit großer Sorgfalt und Respekt. Der Körper wird nach der Entnahme wieder verschlossen und ist für eine offene Aufbahrung geeignet[11]. Die verstorbene Person kann nach der Organ­entnahme normal bestattet werden.

Angehörige können sich in der Regel ohne Einschränkungen von der verstorbenen Person verabschieden. Der Eingriff hinterlässt ähnliche Spuren wie eine Operation an lebenden Menschen.

9. "In Deutschland gibt es Organ­handel"

Falsch: In Deutschland ist der Handel mit Organen streng verboten und gemäß § 18 Transplantations­gesetz unter Strafe gestellt[3]. Die Vermittlung der Spender­organe erfolgt ausschließlich über die europäische Vermittlungs­stelle Eurotransplant nach medizinischer Dringlichkeit und Erfolgs­aussicht.

Die Zuteilung von Organen folgt transparenten Regeln und wird von unabhängigen Instanzen überwacht. Eine Bevorzugung aufgrund von finanziellen oder sozialen Faktoren ist ausgeschlossen.

10. "Es gibt genug Spender­organe in Deutschland"

Falsch: Die Situation ist dramatisch. Etwa 8.500 schwer kranke Menschen warten in Deutschland auf ein Spender­organ[2][3][10]. Viele von ihnen verlieren den Kampf, bevor ein geeignetes Organ verfügbar ist.

Tatsächlich wurden 2023 in Deutschland insgesamt 2.877 Organe von 965 verstorbenen Spender:innen transplantiert[5]. Diese Zahl reicht bei weitem nicht aus, um den Bedarf zu decken. Besonders hoch ist der Bedarf an Spender­nieren.

Ihre Entscheidung zählt

Unabhängig von Ihrer persönlichen Entscheidung für oder gegen eine Organ­spende ist es wichtig, diese zu dokumentieren. Nur etwa 40% der Frauen und 34% der Männer in Deutschland besitzen einen Organ­spendeausweis[5]. Dabei kann jede:r durch eine Organ­spende bis zu sieben Leben retten.

Sie haben folgende Möglichkeiten, Ihre Entscheidung festzuhalten:

  • Ausfüllen eines Organ­spendeausweises (kostenlos in Apotheken, Arztpraxen und online erhältlich)
  • Eintragung im digitalen Organ­spende-Register
  • Festlegung in einer Patienten­verfügung

Eine dokumentierte Entscheidung - ganz gleich, ob Sie zustimmen oder ablehnen - schafft Klarheit und entlastet Ihre Angehörigen in einer ohnehin schweren Situation.

Fazit

Die Entscheidung für oder gegen eine Organ­spende ist eine persönliche Wahl, die auf korrekten Informationen basieren sollte. Mythen und Irrtümer stehen einer sachlichen Auseinander­setzung mit diesem lebens­wichtigen Thema oft im Weg. Mit den hier bereit­gestellten Fakten können Sie eine fundierte Entscheidung treffen.

Sprechen Sie mit Ihren Angehörigen über Ihre Haltung zur Organ­spende und dokumentieren Sie Ihre Entscheidung. So tragen Sie dazu bei, dass im Ernstfall nach Ihren Wünschen gehandelt werden kann.